Illertisser Zeitung

Er hilft bei Stolperste­llen im Haushalt

Ein ehrenamtli­cher Wohnberate­r erklärt, wo die größten Schwachste­llen in den eigenen vier Wänden sind

- VON ARIANE ATTRODT

Schmale Türrahmen, Schwellen, rutschige Teppiche: Im durchschni­ttlichen Haushalt gibt es Dutzende Stellen, die älteren, kranken oder behinderte­n Menschen Probleme bereiten können. Wie man diese beheben kann und welche finanziell­en Zuschüsse man für die Umbauarbei­ten bekommen kann, darüber können sich Bürger seit ein paar Monaten bei der ehrenamtli­chen Wohnberatu­ng des Landkreise­s Neu-Ulm, die die Freiwillig­enagentur „Hand in Hand“verantwort­et, informiere­n.

Einer der ehrenamtli­chen Wohnberate­r im Landkreis ist Rudolf Dippold aus Bellenberg. Der 78-Jährige weiß um die Problemste­llen, die in Haus und Wohnung oft auftauchen: „Meist sind es Sanitärräu­me, die sowieso sanierungs­bedürftig sind.“Oft kommen die älteren Menschen nicht mehr in die Badewanne, sodass man diese durch eine Dusche ersetzen muss. Ansonsten hat Dippold auch eine Checkliste mit, wenn er Wohnung oder Haus unter die Lupe nimmt.

Oft stünden die Bewohner vor dem Problem, dass sie einen Rollator oder einen Rollstuhl brauchen. Zu schmale Türen, Teppiche, die sich an den Seiten nach und nach aufrollen oder rutschen, sowie herumliege­nde Kabel seien da Hinderniss­e und Gefahrenst­ellen. Alles Dinge, die im Alltag oft übersehen werden – solange man fit ist. „Aber die Stolperste­llen werden größer, wir werden unbeweglic­her und so wächst die Gefahr.“Außerdem kehre oft eine gewisse „Betriebsbl­indheit“ein. „Da übersieht der Bewohner solche Stolperfal­len einfach.“Und da sei eine Beratung – die man ohnehin nie früh genug suchen könne – hilfreich. „Bevor ein Unfall passiert“, betont Dippold.

Ganz andere Dinge müsse man berücksich­tigen, wenn es sich um eine demenzkran­ke Person handele: „Da spielt die farbliche Gestaltung eine ganz große Rolle.“Wenn ein Raum beispielsw­eise komplett in glänzendem Weiß gehalten ist, sei das schwierig – Musterbeis­piel Badezimmer: weiße Fliesen, weiße Badewanne, weißes Waschbecke­n. „Dann ist der Wasserhahn womöglich auch noch weiß“, sagt Dippold und fügt hinzu: „Und den findet der Demenzkran­ke dann nicht mehr.“Doch er warnt davor, gewaltsam al- im Zuhause eines Demenzkran­ken zu verändern: „Wenn man ständig über die gleiche Schwelle geht, wird der Demenzkran­ke das auch tun, wenn die Schwelle weg ist.“

Wenn Dippold die Stolperste­lle mit den Betroffene­n bespreche, fühlten diese sich oft in ihrer Einschätzu­ng bestätigt. „Dann ist die Beratung meist soweit erledigt.“Oft haben die meist älteren Menschen aber Bedenken, fürchten beispielsw­eise den vielen Dreck, der durch Umbauarbei­ten kurzzeitig in ihrem Zuhause entsteht. „Da muss man manchmal Überzeugun­gsarbeit leisten“, sagt Dippold.

Sein Alter von 78 Jahren sieht er als Vorteil für seine Arbeit als Wohnberate­r an: „So kann ich meiles ne eigene Erfahrung weitergebe­n – das war mit ein Grund, warum ich diesen Job angenommen habe.“Um Wohnberate­r zu werden, muss man mehrere Seminare absolviere­n, Dippold hat sein Zertifikat im Oktober vergangene­n Jahres gemacht. Seitdem sei er drei oder viel Mal im Einsatz gewesen.

Wer eine Wohnberatu­ng möchte, wendet sich zunächst an die Freiwillig­enagentur, die ihren Sitz im Landratsam­t in Neu-Ulm hat. Laut Dippold melden sich oft die Kinder von Betroffene­n, aber auch die Senioren selbst. Von dort aus werden die Anfragen zu den jeweiligen Beratern weiterverm­ittelt. Vorab wird schon gefragt, wo die Probleme liegen. Danach machen sich Dippold und seine ehrenamtli­chen Kollegen an die Arbeit und vereinbare­n einen persönlich­en Termin. Auslöser dafür, in Wohnung oder Haus Umbaumaßna­hmen durchzufüh­ren, sind oft Erkrankung­en oder das zunehmende Alter. „Dann stellt man fest, man sollte zu Hause irgendetwa­s tun.

Neben Fragen, welche Maßnahmen möglich sind, können auch finanziell­e Aspekte angesproch­en werden. „Wenn ich dazu genaue Angaben machen soll, muss ich aber auch vorsichtig fragen, wie die finanziell­e Lage ist – damit ich weiß, ob Zuschüsse überhaupt möglich sind“, erklärt Dippold. Falls das der Fall ist, kommen diese hauptsächl­ich von der Pflegekass­e. Sie gewähre im Allgemeine­n einen einmaligen Zuschuss von 4000 Euro pro Maßnahme. Und diese Summe koste eigentlich fast jede Umbauaktio­n, sagt der Wohnberate­r. Bei Bedarf hilft er auch dabei, entspreche­nde Anträge an die Kasse auszufülle­n. Auch wenn der Ablauf grundsätzl­ich gleich ist, betont Dippold: „Jede Beratung sieht anders aus. Jeder Betroffene hat verschiede­ne Vorstellun­gen und Anforderun­gen.“

Damit man das Zuhause für sich passend umbauen kann, muss man übrigens nicht zwingend der Eigentümer sein, erklärt Dippold – auch in Mietwohnun­gen sei das möglich. „Es hat sicherlich seine Grenzen, aber der Vermieter kann nicht jede Änderung oder Beseitigun­g einer Stolperste­lle verbieten oder verhindern.“Eventuell müsse die Veränderun­g nach Ende des Mietverhäl­tnisses aber rückgängig gemacht werden.

Wer eine Beratung möchte oder selbst Wohnberate­r werden woll, kann sich bei der Freiwillig­enagentur „Hand in Hand“melden unter der Tele fonnummer 0731/70402675.

Kinder nehmen in der Regel kein Blatt vor den Mund. Sie sprechen einfach aus, was Sache ist. Im Gegensatz zu Erwachsene­n wird nicht lange herumgedru­ckst und etwas schöngered­et, was in Wahrheit nicht der Fall ist.

Die vierjährig­e Tochter ist da nicht anders. Sie ist meistens herrlich ehrlich. Als die Mama neben der Vierjährig­en auf dem Boden kniet, schaut die Kleine erst ihre Beine an und anschließe­nd die der Mama. Und stellt dann erstaunt fest: „Du hast aber dicke Beine.“Das sitzt mal wieder. Knallhart, wie immer. Ein bisschen mag sie ja recht haben, trotzdem wagt die Mama einen Verteidigu­ngsversuch und schlägt zurück: „Ist ja klar, ich bin ja auch viel größer als du, da sind meine Beine auch dicker. Und deine sind auch nicht gerade dünn.“Das lässt die Vierjährig­e nicht gelten: „Meine sind nicht dick, aber deine.“

Kurze Zeit später lässt die Kleine noch so eine Bemerkung vom Stapel – diesmal aber ein Kompliment höchster Kategorie. „Mama, du hast einen tollen Körper.“Hat Mama sich da jetzt verhört? Sie fragt nach: „Hast du nicht vorhin gesagt, dass ich dicke Beine habe?“Antwort der Tochter: „Die hast du auch. Aber der Rest ist toll!“Wie charmant!

Auch in Mietwohnun­gen sind Änderungen möglich

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Rudolf Dippold arbeitet ehrenamtli­ch als Wohnberate­r im Landkreis Neu Ulm. Hier zeigt er zwei der häufigsten Stolperste­llen im Haushalt: Türschwell­en und Teppiche, die sich aufrollen.
Foto: Andreas Brücken Rudolf Dippold arbeitet ehrenamtli­ch als Wohnberate­r im Landkreis Neu Ulm. Hier zeigt er zwei der häufigsten Stolperste­llen im Haushalt: Türschwell­en und Teppiche, die sich aufrollen.

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