Vom Dorfladen zum Feinkost Tempel
Günther Erben führt das Obenhausener Landjägerlädele in der sechsten Generation und hat das Sortiment zunehmend spezialisiert. Warum der Unternehmer dennoch vor großen Herausforderungen steht
Die Tür des Landjägerlädeles in Obenhausen steht offen, innen duftet es nach Brezeln, Landjägern und Kaffee. Hinter der Theke steht ein Mann mit freundlichem Lächeln, die Hände in die Hüften gestemmt und gekleidet in einem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift: „Landjägerlädele“. Günther Erben ist der Inhaber des Geschäfts. Etwa 30 Jahre lang hat der 55-Jährige den Laden zusammen mit seiner Mutter geführt, damals war das Geschäft an der Nordholzerstraße noch täglich von 7 bis 18 Uhr geöffnet. Inzwischen hat sich das Landjägerlädele aber verändert, Erbens Mutter arbeitet nicht mehr mit, die Öffnungszeiten wurden verkürzt, das Sortiment spezieller – und die Herausforderungen nehmen zu.
Seit 2016 hat Erben seine Produkte aus der Lebensmittelschiene reduziert. Er habe sich spezialisieren und aus den Räumen einen „Genusstempel“kreieren wollen. „Mein Konzept ist die Feinkost zusammen mit Spirituosen und Wurstwaren“, sagt der Unternehmer. Die klassischen Landjäger wolle er in seinem Laden weiterhin anbieten: „Die haben wir schon 30 Jahre im Sortiment.“Und diese deftigen Würste verkaufe er mittlerweile sogar übers Internet. Seit Neuestem gibt es auch einen Automaten, an dem sich Kunden 24 Stunden am Tag außerhalb des Ladens selbst Ländjäger „to go“kaufen können.
Neben Walnusslikören, chinesischem schwarzen Knoblauch, Senf mit Honig und Chilisalami bietet Erben auch Verkostungen an. „Ich mache das, um den Menschen die Produkte vorzustellen“, erklärt er. Er lege Wert darauf, etwas Besonderes anzubieten und die Kunden probieren zu lassen. Etwa zwei Stunden dauert so eine Verkostung. Veranstaltet wird diese im Ladeninneren, ein großer Holztisch füllt bereits den halben Raum. Und dieser wird nun von den ersten Kunden besucht.
Anni Breig aus Buch ist eine von ihnen. Sie tritt über die Türschwelle und läuft zielstrebig an die Wurstund Backwarentheke. Sie kauft Brötchen. „Ja, ich würde mich schon als Stammkundin bezeichnen“, sagt die Frau. Mehrmals im Monat kommt sie in Erbens Geschäft. Mal kauft sie Landjäger, mal Brötchen und wenn sie ein Geschenk benötigt, greift sie auch ab und zu ins Spirituosenregal. „Am meisten kaufe ich hier aber Landjäger“, sagt Breig. Wenig später steht schon die zweite Kundin in der Tür. Sie sieht sich um und schlendert dann zum Kaffeevollautomaten, der auf einem kleinen Tischchen steht. Gabriele Storz arbeitet in der Nähe und genieße regelmäßig das Ambiente im Landjägerlädele, sagt sie. Erben fügt hinzu: „Sie ist ein Umsatzbringer“. Beide lachen. Und dann wird Erben ernst.
Stammkunden gebe es nämlich gar nicht mehr so viele, wie früher. Auch deshalb habe er sich immer mehr auf Feinkost und Spirituosen spezialisiert. „Damit kommt dann aber wieder ein anderes Klientel.“Laut Erben gebe es Geschäfte, in denen beraten wird, nur noch sehr selten. „Das ist eine sterbende Kultur. Es gibt nur noch Discounter und keine individuellen Produkte mehr“, bemängelt der Einzelhandelskaufmann. Sein Credo sei das Genießen. „Es macht mir Freude, den Genuss zu vermitteln.“
Vor etwa 100 Jahren haben Erbens Vorfahren nach und nach das Geschäft, das damals noch an eine Landwirtschaft gebunden war, aufgebaut. Es sei der Dorfmittelpunkt gewesen, sagt der 55-Jährige. Er führt den Laden inzwischen in der sechsten Generation und bietet statt Kuhmilch nun Whiskey, Wein oder Rum an. Der Kundenstamm: Oft männlich und älter als 50 Jahre. „Es kommen aber auch viele Paare.“
In Erbens Landjägerlädele treibt es Menschen sogar aus den Nachbarlandkreisen. Erwin Schuster betritt das Geschäft, er ist extra aus Krumbach nach Obenhausen gefahren, um sich einen Marillenlikör zu besorgen. „Eine gute Schwarzwurst haben wir auch“, sagt Erben und bietet seinem 72-jährigen Kunden ein Scheibchen an. Schuster kauft letztendlich die Wurst zum Likör.
Die Menschen, die nur kurz zum Brotzeitmachen in den Laden kommen, werden weniger, mutmaßt Erben. Als Ursache dafür nennt er die neue Ortsumfahrung, die von Illertissen nach Krumbach an Obenhausen vorbeiführt. „Man hat nicht mehr die Kundenstruktur wie früher, als es noch den Durchgangsverkehr an der Nordholzerstraße gab.“Er merke deutlich, dass die neue Route da ist. Denn jetzt fahren die meisten, die nach oder von Krumbach kommen, die neue Strecke – und somit nicht zwangsläufig an Erbens Geschäft vorbei. Einer, der nach wie vor regelmäßig ins Landjägerlädele nach Obenhausen kommt, ist Lothar Wöhr aus Buch. Er frühstückt mehrmals die Woche im Feinkostladen. Für ihn gibt es Brezeln, Wurst und Kaffee. Auch bei einer Verkostung war Wöhr schon dabei. Die Feinkost-Spezialitäten bezieht Erben vor allem aus Deutschland, aber auch aus Italien, der Schweiz und den schwarzen Knoblauch beispielsweise aus China. „Ich bin neugierig und das A und O ist, selbst zu verkosten.“Er sei einfach ein Genussmensch. „Für so etwas musst du geboren sein“, sagt der Ladenbesitzer fast schon etwas wehmütig. „Das Geschäft wird sterben, wenn ich aufhöre.“Er habe zwar zwei Töchter, das Ländjägerlädele sei allerdings nicht ihre Welt.