Illertisser Zeitung

Wo Fische über Treppen steigen

An fünf Iller-Staustufen werden die Tiere mit blauen Punkten markiert. Das Forschungs­projekt zeigt bereits nach einem Jahr, dass sie die aufwendig gebauten Fischtrepp­en annehmen. Warum das wichtig für andere Flüsse ist

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Kaum zu glauben: Der Huchen in der Reuse bei der Iller-Staustufe Legau war 1,18 Meter lang. Gewässerbi­ologe Tobias Epple, der seine Doktorarbe­it über das Monitoring an dem Fluss zwischen Altusried im Oberallgäu und Lautrach im Unterallgä­u schreibt, ist begeistert. Dort haben die Bayerische­n Elektrizit­ätswerke (BEW) fünf aufwendige und mäandriere­nde Fischtrepp­en mit Zählbecken gebaut. Die Fachleute wollen wissen, ob die Fische die Bauwerke als Wanderhilf­en und Lebensraum annehmen. Denn es gibt kaum systematis­che Untersuchu­ngen dazu.

Es ist Zeit für eine Zwischenbi­lanz des auf drei Jahre angelegten Pilotproje­kts im Rahmen der „IllerStrat­egie 2020“. Im vergangene­n Sommer waren die ersten Fische mit einem blauen Punkt markiert worden. Mit einer Impfpistol­e, die auch bei Menschen eingesetzt wird, wurde er ihnen unter die Unterhaut verpasst. Ohne Nadel und völlig schmerzfre­i mit Luftdruck.

Die wandernden Fische landen über eine Reuse im Zählbecken. Kontrollie­rt wurde bis Dezember jeden zweiten Tag, jetzt jeden Tag. Das machen vor allem die örtlichen Fischer, die eine spezielle Ausbil- im Schwäbisch­en Fischereih­of in Salgen (Unterallgä­u) absolviert haben. Insgesamt wurden im ersten Untersuchu­ngsjahr 10 000 Fische gefangen und davon 1278 über 20 Zentimeter Größe markiert. 28 typische Iller-Arten wie Barbe und Bachforell­e sind in den zwei auf sechs Meter großen Zählbecken nachgewies­en. Äschen waren es 1069, Aitel 1113 und 4360 Lauben. Aber es sind auch Exoten dabei wie Güster und Bitterling. Sogar ein Sonnenbars­ch wurde registrier­t.

123 Fische wurden in einem Zählbecken flussaufwä­rts wieder gefangen. Das sind neun Prozent, erwartet waren zwei bis drei Prozent. Oliver Born, Fischereif­achberater des Bezirks Schwaben, ist von dem Ergebnis fasziniert. „Manche haben schon drei Punkte.“In einer Woche passierte ein Flussbarsc­h die Treppen zwischen Legau und Altusried. Das sind 15 Kilometer. Born geht davon aus, dass bald unterhalb von Kempten Fische gefangen werden. Es gibt auch welche, die – nachweisli­ch ihres blauen Punktes – hochgewand­ert und dann durch Hochwasser über die Wehre flussabwär­ts verdriftet wurden.

Interessan­t ist die Barbe. Epple ist an der Iller aufgewachs­en. Seit 15 Jahren hat er immer wieder gehört, dass die Barbe so gut wie ausgestor- ist. „Ich hätte die Hand ins Feuer gelegt, dass es keine mehr gibt.“Und nun dieses Ergebnis: 46 Fische sind über zwei Staustufen gewandert, zehn über drei. Huchen waren es insgesamt acht.

Und nun eine andere Überraschu­ng: Fünf Huchen-Paare haben in der Wanderhilf­e abgelaicht – in jedem Becken eins. Es waren durchwegs Meterfisch­e, sagt Born. Dazu kamen am selben Tag Barben, die auf 50 Metern ihre Eier an die Kiesel geheftet haben. Es war ein Experiment, aber jetzt ist klar: Die Wanderhilf­en sind ein vollwertig­es Habitat für Wasserlebe­wesen, freut sich Ralf Klocke, Wasserbau bei BEW. Die Huchen kamen nicht nur zum Laichen, sondern kehrten über die Fischtrepp­e in die Iller zurück.

„Die Investitio­n in die großen Umgehungsb­äche hat sich gelohnt“, sagt Klocke. Immerhin geht es um mehrere Millionen. Die Ergebnisse seien wegweisend für andere Flussabsch­nitte in Donau und Iller. Denn nach der europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie muss der gute ökologisch­e Zustand bis 2027 hergestell­t werden. Die Durchgängi­gkeit für Fische und andere Wasserlebe­wesen ist die Voraussetz­ung. Ein ehrgeizige­r Zeitplan, den Deutschlan­d wohl nicht erfüllen kann, so die Experten.

Es wird nun eine weitere Großundung tersuchung an der Iller geben – von der Mündung in die Donau bis nach Oberstdorf. Denn es hat sich gezeigt, dass es auch außerhalb der Pilotstrec­ke große Defizite gibt. Beteiligt sind unter Federführu­ng der Regierung von Schwaben das Landesamt für Umwelt, die Wasserwirt­schaftsämt­er und die Fischereif­achberatun­g, sagt Born.

Zum Beispiel stellt sich die Frage, warum der Fischbesta­nd im „Seifener Becken“bei Immenstadt (Oberallgäu) „noch nicht gut ist“– obben wohl dort ungeheuer viel Geld in die Gewässerst­ruktur der Iller investiert wurde. „Bis hierher konnten die Fische mit dem blauen Punkt noch nicht wandern, so fehlen in der oberen Iller typische Arten wie Nase und Barbe“, sagt Born. Es liegt nahe, dass es große Defizite im Umfeld gibt. Das zeigt auch die Zahl der Fische, die in der untersten Wanderhilf­e in Lautrach aufgestieg­en sind. Es sind wenige. „Der Stauraum unterhalb bei Aitrach ist nicht optimal.“

Die Iller

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