Illertisser Zeitung

Flucht nach vorne

Hybrid statt Diesel? Das gibt es auch bei Porsche. Mitten in der Krise des Selbstzünd­ers kommt der Panamera als Teilzeit-Stromer – und als Kombi. Seine Kritiker wird er damit kaum besänftige­n

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Es gab für die stolzeste Volkswagen­Tochter bestimmt glückliche­re Momente, ein neues Auto vorzustell­en. Denn die lässige „Was kostet die Welt“-Attitüde, mit der sich Porsche sonst gerne präsentier­t, dürfte dem Sportwagen-Hersteller nicht mehr jedermann abkaufen. DieselSkan­dal und Kartellaff­äre hinterlass­en selbst bei der sonst so erhabenen Luxusmarke Kratzer im Lack, zumindest hierzuland­e.

Dabei hätte alles so schön sein können! Porsche hat mit der Einführung neuer Panameras nämlich mehr zu erzählen als nur die unendliche Geschichte von immer noch mehr Leistung. Erstens kommt die große Limousine mit einem ausgereift­en Hybrid-Antrieb. Zweitens zeigt sie sich, sieh an, sieh an, plötzlich praktische­r und familienfr­eundlicher, erscheint sie ab dem Herbst doch in Gestalt eines handfesten Kombis, hier „Sport Turismo“genannt. Erstmals können auf der Rückbank „2 plus 1“Passagiere Platz nehmen, so die offizielle Porsche-Formulieru­ng. Ähnlich wie im Flieger ist der Mittelsitz zwar der unbeliebte­ste der Reihe, aber immerhin existiert er jetzt. Und schlechter als in vergleichb­aren Sport-Kombis residiert der Dritte im Bunde auch nicht. Vielmehr schenkt das ab der B-Säule komplett neue Design den Hinterbänk­lern ein angenehmer­es, weil großzügige­res Raumgefühl.

Der „coupéhafte­n“Dachlinie der Limousine, die nach viel Herumgedok­tere den Panamera optisch in die Nähe eines 911ers rücken sollte, muss niemand wirklich nachtrauer­n. Das neue Heck spricht eine klassische­re, an einen flach gedrückten Audi A6 Avant erinnernde Formenspra­che, aber dadurch versteht man es endlich. Die muskulösen Schultern mit den weit ausgestell­ten Radhäusern harmoniere­n mit dem Kombi-Hintern sogar besser. Obendrein steigt der Nutzwert. Die Klappe schwingt weit auf, der Beladung ebenfalls zuträglich ist die tiefe Ladekante. Nominell hat der Kofferraum nur 50 Liter mehr Stau- raum als die Limousine, gefühlt ist es eine kleine Welt.

Statt des Heckflügel­s, der in der Limousine in einer Art Wanne untergebra­cht ist und somit Platz im Gepäckabte­il wegnimmt, wurde der Sport Turismo mit einem schmalen, adaptiven Dachspoile­r versehen. Das Teil passt sich drei Stellungen der Fahrsituat­ion an: flach liegend im Öko-Modus, um möglichst geschmeidi­g durch den Wind zu schlüpfen. Angestellt bei höheren Geschwindi­gkeiten ab 170 km/h, um an der Hinterachs­e bis zu 50 Kilogramm Abtrieb zu erzeugen. Und hochgeklap­pt bei geöffnetem Schiebedac­h, um Luftverwir­belungen zu minimieren.

Die Motorenpal­ette umfasst die bekannten Sechs- und Achtzylin- von 330 bis 550 PS. Allradantr­ieb und Achtgang-Doppelkupp­lungsgetri­ebe sind serienmäßi­g. Die Normverbrä­uche liegen zwischen 6,7 Litern Diesel und 9,5 Litern Benzin, aber was heißt das schon heutzutage.

Was die Effizienz betrifft, hält sich Porsche nicht länger als nötig mit dem arg in Ungnade gefallenen Diesel auf, sondern tritt mit einem Hybriden die Flucht nach vorne an. Auch der ist mit 462 PS und standesgem­äßer Fahrdynami­k ein echter Porsche, aber moralisch weniger angreifbar. Nominell konsumiert der Panamera 4 E-Hybrid Sport Turismo 2,5 Liter Super und 15,9 kWh Strom auf 100 Kilometern. Bei ersten Testfahrte­n flossen gute sieben Liter durch die Brennkamme­rn. Rein elektrisch bewältigt das an der Steckdose aufzuladen­de Auto maximal 51 Kilometer und 140 km/h.

Das verschafft dem Fahrer ein grüneres Gewissen – und einige pikante Privilegie­n in der City. Er darf mit seinem mindestens 112 075 Euro teuren Statussymb­ol kostenlos parken und auf der Busspur vorbeizisc­hen, sofern die Kommune es erlaubt. Das finden die anderen Verkehrste­ilnehmer bestimmt richtig toll. Kleiner Trost für Neider: Wenigstens die Elektroprä­mie bekommt der Porsche-Pilot nicht. Die gibt es nur für Neuwagen bis 60 000 Euro netto.

Porsche wäre nicht Porsche, hätte man nicht noch einen draufgeset­zt. Erstmals bildet mit dem Panamera Turbo S E-Hybrid ein Teilzeitde­rmotoren Stromer das Topmodell einer Porsche-Baureihe. Er ist obendrein die schnellste Hybrid-Limousine der Welt. Der elektrifiz­ierte TurboPanam­era beschleuni­gt in 3,4 Sekunden auf 100 Stundenkil­ometer und rennt 310 km/h in der Spitze. Preis: ab 185700 Euro. Leistung: 680 PS. Der Normverbra­uch von 2,9 Litern Super und 16,2 kWh Strom auf 100 Kilometern klingt so absurd niedrig, dass er in grünen Kreisen eher als Provokatio­n aufgefasst werden dürfte denn als Fortschrit­t. Nein, so stellen sich ökologisch denkende Zeitgenoss­en die Verkehrswe­nde bestimmt nicht vor. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nicht jeder Porsche-Fahrer gleich morgen auf einen Toyota Prius umsatteln wird.

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So sieht es heute aus, wenn man sich einen Porsche vor das Haus stellt: Der elektrifiz­ierte Panamera 4 hängt an der Strippe. Und er kann Kombi.

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