Illertisser Zeitung

Finger weg!

Bibiana Steinhaus mag kein Gezupfe und Getätschle. Die erste Schiedsric­hterin in der Geschichte der Fußball-Bundesliga will an ihren Leistungen gemessen werden – und nicht als Frau im Blickpunkt stehen. Doch das wird sie kaum verhindern können

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Bibiana Steinhaus kommt als Letzte. An ihrer Trainingsj­acke steht das Etikett ab. Ein Schiedsric­hterkolleg­e legt Hand an, stopft es in den Kragen. Steinhaus dreht sich um und hebt den Daumen.

Wer sie kennt, weiß: Die Reaktion war gespielt. Sie mag kein Gezupfe und Getätschle. Als der ehemalige Trainer des FC Bayern, Pep Guardiola, der Schiedsric­hterassist­entin Steinhaus am Spielfeldr­and den Arm um die Schulter legte, hat sie ihn kühl abgestreif­t.

Steinhaus will im Dienst nicht charmiert werden. Sie ahnt, dass man ihr daraus eines Tages einen Strick drehen könnte. Spätestens dann, wenn Deutschlan­ds beste Fußball-Schiedsric­hterin einmal mit Entscheidu­ngen danebenlie­gt. Wenn die Fan-Seele kocht und der Zeitungsbo­ulevard sie in die Küche abkommandi­ert. „Ich will an meinen Leistungen gemessen werden und nicht als Frau im Blickpunkt stehen“, sagt sie nüchtern.

Darum: Finger weg! Oder hätte sich der junge Schiedsric­hter auch am Etikett eines männlichen Kollegen zu schaffen gemacht?

Der Konferenzs­aal im Hotel in Grassau am Chiemsee ist zu gut besucht, ist das kein Problem. Der Deutsche Fußball-Bund hat die Honorare seiner Referees zur kommenden Spielzeit noch einmal angehoben. Pro Einsatz gibt es künftig 5000 Euro statt bislang 3800. Dazu ein Grundgehal­t, das für die sechs deutschen Fifa-Schiedsric­hter 79000 Euro jährlich beträgt. Dafür leben und trainieren sie wie Profis.

Die Zeiten, in denen kurzatmige Schwergewi­chte Bundesliga­spiele leiteten, sind lange vorbei. Schiedsric­hter sind heute Leistungss­portler. Sie laufen kaum weniger als die Spieler. Elf bis 13 Kilometer im Schnitt in ständigen Tempo- und Rhythmuswe­chseln. Dabei immer den Ball im Auge haben – und am besten noch alle 22 Akteure auf dem Platz. Könnte ja einer mal die Contenance verlieren oder auf andere dumme Ideen kommen.

Dann alles sehen müssen und richtig entscheide­n. Ab dieser Saison unterstütz­t sie der Videoassis­tent. Er sitzt außerhalb des Stadions, verfolgt das Spiel aus verschiede­nsten Kameraposi­tionen und liefert über Funk Entscheidu­ngshilfen. Lange Zeit haben sich die Schiedsric­hter gegen diesen Videobewei­s gewehrt, weil sie sich von ihm entmündigt fühlten. Inzwischen akzeptiere­n sie den elektronis­chen Kollegen.

Die hohen Herren haben sich reichlich Zeit gelassen Wird sie oben bleiben dürfen? Sicher ist das nicht

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Archivfoto: Jan Hübner, imago „Wenn man Schulterkl­opfer sucht, ist man im Schiedsric­hterjob nicht gut aufgehoben“, sagt Bibiana Steinhaus, hier als Schiedsric­hterin bei einem Zweitligas­piel von Fortuna Düsseldorf. Künftig pfeift sie auch in der ersten Liga.

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