Illertisser Zeitung

Rätselhaft­e Gefahr für Nager

Berliner Eichhörnch­en fallen einem neu entdeckten Virus zum Opfer. Breitet es sich aus?

- VON SARAH RITSCHEL (mit dpa)

Immer wieder wurden sie auf den Straßen Berlins aufgelesen, mal mit Wunden am ganzen Körper, manchmal sogar schon tot. Jetzt ist klar: Unter Berliner Eichhörnch­en hat sich ein Pockenviru­s ausgebreit­et, das nicht einmal Zoologen bisher gekannt hatten.

Die Infektion, die Pfötchen, Ohren oder Nase verklebt, bereite den Tieren große Schmerzen, sagt die Wildtierpa­thologin Gudrun Wibbelt, die das Virus am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierfo­rschung (IZW) untersucht hat. Oft könnten die Nager, die normalerwe­ise spielend jeden Baumstamm erklimmen, nicht mehr klettern, teilweise seien sogar die Zehen abgefallen. Ungewöhnli­ch ist demnach, dass das Virus dem Pocken-Stammbaum nach zu urteilen schon relativ alt ist. Woher es kommt und warum es sich gerade jetzt verbreitet, weiß man bisher nicht. „Es könnte sein, dass es irgendwo einen sogenannte­n Reservoir-Wirt gibt“, sagt Wibbelt – ein Tier also, das selbst resistent gegen das Virus ist, es aber auf die Eichhörnch­en überträgt. In Großbritan­nien etwa schleppten Grauhörnch­en aus Nordamerik­a im späten 19. Jahrhunder­t ebenfalls ein Pockenviru­s ein, an dem sie zwar selber nicht erkrankten, das aber in manchen Regionen die anfälligen Europäisch­en Eichhörnch­en komplett ausgerotte­t hat. Diese Gefahr sieht Wibbelt bei dem neuen Erreger bisher nicht. „Das ist keine Massenepid­emie, es trifft bisher nur ganz wenige Tiere.“Nur bei rund 20 Nagern sei das Virus in den letzten zwei Jahren eindeutig festgestel­lt worden. Die Forscher vermuten, dass die Eichhörnch­en im Lauf der Zeit eine Immunität gegen die Krankheit entwickeln. Manche jungen Tiere hätten nämlich keine Krankheits­symptome gezeigt.

Warum nur die Hauptstadt­Hörnchen betroffen sind, können Wibbelt und ihr Team auch nicht beantworte­n. „Eine der vielen Möglichkei­ten wäre, dass die Tiere in der Stadt zusätzlich­en Stress erleiden.“In anderen Metropolen aber sind die Nager bislang sicher. Heidi Gallenihne­n berger vom Verein Eichhörnch­en Schutz in München etwa hatte noch kein Tier mit Pocken in Pflege. Seit März haben sie und die anderen ehrenamtli­chen Helfer sich um rund 550 Tiere gekümmert. Doch Gallenberg­er würde sich nicht wundern, wenn die Pocken bald auch nach Bayern kämen. „Gerade bei Stadttiere­n geht das Immunsyste­m drastisch zurück.“Vor zwei Jahren etwa litten die Tiere reihenweis­e am Adenovirus, das Durchfall hervorruft. Für die Eichhörnch­en-Retter sind solche Infektione­n schwer einzudämme­n. „Wir müssen die Tiere in eigenen Volieren separieren, damit sich andere nicht anstecken.“Dafür brauche man Platz und Geld – das Vereinen oft fehle.

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Foto: Gudrun Wibbelt, Leibniz IZW, dpa Erschöpft und mit schmerzend­en Pfötchen wurde dieses Eichhörnch­en in Berlin aufgelesen. Nur mit Mühe können die Tiere gesund gepflegt werden. Für Menschen und Haus tiere gilt das neu entdeckte Virus bisher nicht als gefährlich.
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Foto: dpa Schon am Mittwoch wurden Wrackteile aus dem Bodensee geborgen.

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