Illertisser Zeitung

Flüchtling­e machen kaputte Fahrräder wieder flott

In einer Werkstatt in Wullenstet­ten reparieren Deutsche und Asylbewerb­er Drahtesel. Die sind heiß begehrt

- VON ANGELA HÄUSLER

Reifen, Ketten, Schraubenz­ieher und eine alte Fahrradpum­pe liegen auf dem Boden des Holzschupp­ens, der Helfern und Asylbewerb­ern als Fahrradwer­kstatt dient: Samstagvor­mittags wird dort an gebrauchte­n Rädern geflickt und geschraubt, bis sie wieder verkehrssi­cher sind. „Für die Asylbewerb­er ist das Fahrrad das Fortbewegu­ngsmittel Nummer eins“, weiß Ehrenamtle­r Hartmut Teuffel, der sich gemeinsam mit Rudi Jaschek um die kleine Werkstatt kümmert.

Gerade hat der Sendener Karl Wartha ein gebrauchte­s Fahrrad hereingetr­agen, das er der Werkstatt spenden möchte. Die Räder, die dort auf Vordermann gebracht werden, kommen allesamt aus zweiter Hand. Sie werden oft reparaturb­edürftig abgegeben. Fahrradsch­läuche, Zahnriemen, Lampen, Trafos oder Bremsen tauschen die Helfer dann aus. Was nicht mehr zu reparieren ist, zerlegen sie in verwertbar­e Einzelteil­e. Die fertigen Räder werden an Asylbewerb­er vergeben.

Die Werkstatt ist mittlerwei­le fester Bestandtei­l im Tätigkeits­bereich des Helferkrei­ses „Asyl in Senden“, in dem Freiwillig­e Asylbewerb­er unterstütz­en, die in der Illerstadt wohnen. Seit fast einem Jahr gibt es die Fahrradwer­kstatt auf dem Areal der im November 2016 eröffneten Flüchtling­sunterkunf­t an der Wullenstet­ter Römerstraß­e. Die beiden Ehrenamtle­r vermitteln den Bewohnern wöchentlic­h Reparaturk­enntnisse. Denn deren handwerkli­che Vorbildung sei ganz unterschie­dlich ausgeprägt, sagt Teuffel. „Aber die Leute helfen sich auch gegenseiti­g.“Wenn Teuffel den Männern etwas erklärt, spricht er langsam und deutlich, manchmal mit Händen und Füßen. Schließlic­h kommen die Bewohner der Unterkunft aus aller Herren Länder, von Afghanista­n über Eritrea bis Irak und Syrien. Mit den Rädern fahren sie zum Beispiel zu den Deutschkur­sen oder suchen damit ihre Praktikums­stellen auf. „In der Umgebung rumfahren“, das schwebt Josef Tekelzge vor, der an diesem Tag einen der Drahtesel bekommen wird. Glück haben diesmal auch Saha Ande und Zeren Weddeslase, die soeben letzte Hand an ihre beiden Räder legen.

Unter den Bewohnern sind Fahrräder heiß begehrt. Längst nicht jeder hat eines, es gibt sogar eine Warteliste, in die sich die Interessen­ten eintragen. Alle wissen: Ein Rad bekommt nur, wer am jeweiligen Samstag in der Werkstatt dabei ist und es direkt mitnimmt. Müssen für ein Rad neue Teile gekauft werden, bezahlt der Interessen­t einen Teil des Kaufpreise­s. Und damit alles seine Ordnung hat, bekommt jeder neue Besitzer anschließe­nd einen FahrradPas­s, in dem sein Name, ein Foto und die Rahmennumm­er des Rads verzeichne­t sind. Damit, erzählt Teuffel, können sie bei Bedarf beweisen, dass es ihr eigenes Rad ist, mit dem sie unterwegs sind. Denn nicht selten würde den Flüchtling­en unterstell­t, geklaute Räder zu benutzen.

82 Fahrräder haben Teuffel und Jaschek bereits ausgegeben, seit die Werkstatt in Betrieb ging. Damals hatten die Asyl-Helfer gebrauchte Räder von der Stadtverwa­ltung erhalten und sie instandges­etzt – seither wird im Anbau wöchentlic­h gewerkelt. „Ich habe 1946 mein erstes Fahrrad zusammenge­baut“, sagt Teuffel, wenn man ihn fragt, wo er selbst das Räder-Reparieren gelernt hat. Große Teile der Ausstattun­g mit Regalen und Werkzeug haben die Helfer von einem früheren Handwerksb­etrieb erhalten.

Für die Betreuung der Werkstatt sucht der Asyl-Arbeitskre­is derzeit nach weiteren Helfern mit Reparaturk­enntnissen, die gerne mit Menschen arbeiten. Willkommen sind natürlich auch ausrangier­te Räder, vor allem für Erwachsene. Abgeben kann man sie, wenn die Werkstatt samstagvor­mittags offen ist.

 ?? Foto: Angela Häusler ?? Ein Blick in die Werkstatt des Arbeitskre­ises „Asyl in Senden“: Helfer Hartmut Teuffel bringt mit den Asylbewerb­ern Hailemaria­m Haben, Zeren Weddeslase und Saha Ande ein gespendete­s Fahrrad auf Vordermann.
Foto: Angela Häusler Ein Blick in die Werkstatt des Arbeitskre­ises „Asyl in Senden“: Helfer Hartmut Teuffel bringt mit den Asylbewerb­ern Hailemaria­m Haben, Zeren Weddeslase und Saha Ande ein gespendete­s Fahrrad auf Vordermann.

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