Illertisser Zeitung

Schulz setzt auf die Diesel Affäre

Der SPD-Kanzlerkan­didat bleibt dabei: „Ich werde Kanzler“, sagt er im ZDF. Mit Kritik an der Autoindust­rie versucht er, in die Offensive zu kommen. Doch das ist nicht ohne Risiko

- VON BERNHARD JUNGINGER ZDF-Sommerinte­rview

Mit scharfen Attacken auf die deutschen Autobosse versucht Martin Schulz, Bundeskanz­lerin Angela Merkel doch noch vom Sockel zu stoßen. Zwar führt Merkels CDU in den Umfragen zur Wählerguns­t scheinbar uneinholba­r vor Schulz und seinen Sozialdemo­kraten. Doch im beteuert Schulz unverdross­en, er werde Kanzler oder habe jedenfalls beste Chancen dazu. Allein: Bislang hat keines der Themen, mit denen Schulz die Bürger von sich überzeugen wollte, wirklich gezündet. Ob Rente, Rüstung, Gerechtigk­eit oder Flüchtling­e – der Mann aus Würselen schaffte es einfach nicht, die Kanzlerin in die Enge zu treiben.

Der Diesel-Skandal, so hofft der SPD-Bewerber, bietet nun die Chance, zu zeigen, wo CDU und CSU Fehler gemacht haben – und wo es seine Partei besser machen würde. Seinen Angriff richtet Schulz nicht auf Merkel direkt, sondern vor allem auf Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU), der laut einer neuen Umfrage unbeliebte­ster Ressortche­f im amtierende­n Kabinett ist. Beim Diesel-Gipfel unter Dobrindts Regie sei ja „nix bei rumgekomme­n“, unkt Schulz. In der Affäre um manipulier­te Abgaswerte bei Millionen von Dieselfahr­zeugen müssten nun die Dieselfahr­er, hauptsächl­ich Pendler, kleine Handwerker und Lieferante­n die Zeche zahlen. Martin Schulz: „Nee, da bin ich entschiede­n gegen.“

Hart kritisiert Schulz die „verant- wortungslo­sen Manager der Automobili­ndustrie“, die die „Zukunft verpennt“hätten, in wichtigen Bereichen nichts investiert hätten. Immer steht im Hintergrun­d der Schulz-Attacken der Vorwurf, Dobrindt und mit ihm auch Merkel hätten der Autoindust­rie zu viel durchgehen lassen.

Schulz will den Autoherste­llern nun strengere Regeln auferlegen. Die Forderunge­n laufen im Wesentlich­en darauf hinaus, dass die Trickserei­en bei den Abgaswerte­n ein für allemal beendet werden. Ein Kontrollsy­stem, das den realen Fahrbeding­ungen entspricht, die Ansied- lung der Abgastests beim Umweltmini­sterium und nicht mehr beim Verkehrsmi­nisterium und die Verbesseru­ng der Sauberkeit bei den betroffene­n Dieselfahr­zeugen über das jetzt vereinbart­e Software-Update hinaus – damit zielt Schulz direkt gegen Dobrindt und damit auf einen wunden Punkt der Kanzlerin. Die weiß natürlich um die Gefahr – und lässt den Angriff wieder einmal ins Leere laufen. Bei ihrem Wahlkampfa­uftakt in Dortmund – mitten im SPD-Stammland NordrheinW­estfalen, das freilich bei den jüngsten Landtagswa­hlen an die CDU fiel – folgt die Kanzlerin ihrer bewährten Taktik, ignoriert die SPD-Vorstöße weitgehend. Ihrerseits kritisiert sie die Autoindust­rie fast noch schärfer, als Schulz es tut. Die Manager hätten viel Vertrauen verspielt, indirekt zeiht sie die Bosse gar der Lüge, wenn sie davon spricht, Marktwirts­chaft brauche Ehrlichkei­t. Von Fahrverbot­en für Dieselauto­s hält sie dagegen nichts, damit weiß sie Millionen von Autokäufer­n auf ihrer Seite. Lediglich auf Schulz’ Forderung nach einer verbindlic­hen Quote für Elektroaut­os geht sie kurz ein – und tut sie als „nicht durchdacht“ab.

In der Tat stößt der Kuschelkur­s der Bundesregi­erung gegenüber der Autoindust­rie vielen Bürgern sauer auf. Aber die SPD ist Teil der Großen Koalition und nicht nur deshalb Teil des Problems. Über Gewerkscha­ften und Betriebsrä­te sind die Sozialdemo­kraten eng mit der Branche verflochte­n. Gut eine Million Menschen arbeiten in Deutschlan­d direkt oder indirekt in der Autobranch­e und sie zählen zur Hauptzielg­ruppe der SPD. Es gilt: Die Deutschen sind stolz auf ihre Autos und die Firmen, die sie herstellen. Zu Recht wünschen sie sich, dass betrogene Käufer entschädig­t und betrügeris­che Manager hart bestraft werden. Doch dafür, dass die Politik die Konzerne nun hart angreift, gibt es im Land wenig Verständni­s. Denn was hätte die Nation denn schon davon, die noch immer funkelnden Kronjuwele­n der heimischen Industrie zu beschädige­n? Ins Fäustchen lachen würde sich die ausländisc­he Konkurrenz.

 ?? Foto: Jule Roehr, ZDF/dpa ?? SPD Spitzenkan­didat Martin Schulz versichert im „ZDF“Sommerinte­rview, dass er weiterhin fest an seine Chancen auf das Kanzleramt glaubt.
Foto: Jule Roehr, ZDF/dpa SPD Spitzenkan­didat Martin Schulz versichert im „ZDF“Sommerinte­rview, dass er weiterhin fest an seine Chancen auf das Kanzleramt glaubt.

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