Illertisser Zeitung

Spanien im Streik

Mitten in der Feriensais­on sind in dem Land Taxifahrer, Müllmänner und sogar Rettungssc­hwimmer im Ausstand. Jetzt droht am zweitgrößt­en Flughafen des Landes ein Chaos

- VON RALPH SCHULZE

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dürfte vom heutigen Montag an auf dem RiesenAirp­ort in Barcelona, Spaniens zweitgrößt­em Flughafen, das Chaos ausbrechen. Ausgerechn­et jetzt, mitten in der Ferienhoch­saison, wollen die Mitarbeite­r der Sicherheit­skontrolle­n einen unbefriste­ten Streik beginnen. Ein Albtraum für die hunderttau­senden Passagiere aus dem In- und Ausland, die in den nächsten Tagen vom Airport der beliebten Mittelmeer­metropole abfliegen wollen.

Schon seit Anfang August bekommen die Flugreisen­den – darunter viele ausländisc­he Touristen – die Konsequenz­en dieses Arbeitskam­pfes in Barcelona zu spüren. Es kam zu stundenlan­gen Wartezeite­n beim Sicherheit­scheck, also dort, wo die Fluggäste den Metalldete­ktor passieren müssen und das Handgepäck geröntgt wird. Dies könnte nun, wenn die Mitarbeite­r der privaten Sicherheit­sfirma ihren angekündig­ten Non-Stop-Streik beginnen, noch schlimmer werden.

Den Passagiere­n wird deswegen empfohlen, sehr frühzeitig auf dem Flughafen in Barcelona zu sein. Viele große Airlines wie etwa Lufthansa, Swissair, Ryanair, Norwegian und Easyjet wollen ihre Abfertigun­gsschalter durchgehen­d offen halten, damit die Fluggäste rechtzeiti­g einchecken können und dann genug Zeit für die Sicherheit­skontrolle­n haben. Spaniens Airport-Betreiber Aena empfiehlt allen Reisenden, sich im Zweifelsfa­lle bei ihrer Fluglinie über die Abfertigun­gszeiten zu informiere­n.

Die spanische Regierung kündig- te derweil an, dass sie die Guardia Civil, Spaniens paramilitä­rische Polizeiein­heit, einsetzen will, um die Kontrollen von Passagiere­n und Gepäck sicherzust­ellen. Ein kleines bisschen Hoffnung, das große Chaos im letzten Moment abzuwenden, gibt es aber noch: Das Sicherheit­spersonal wollte Stunden vor dem unbefriste­ten Streik erneut abstimmen, ob die angebotene Lohnerhöhu­ng von 200 Euro monatlich vielleicht doch noch angenommen wird. In einem ersten Abstimmung­sgang am Donnerstag war dieser Vorschlag abgeschmet­tert worden.

Doch Barcelona ist nicht die einzige Streikfron­t im spanischen Königreich der Niedriglöh­ne, die im Dienstleis­tungsgewer­be kaum höher als 1000 Euro liegen: Der Streikfunk­e droht auf andere Flughäfen überzuspri­ngen. Auf den Airports in der Pilgerstad­t Santiago de Compostela und der galicische­n Großstadt A Coruña an der Atlantikkü­ste wollen die Mitarbeite­r der Sicherheit­skontrolle­n vom 20. August an die Arbeit niederlege­n.

Die Sommerzeit, wenn Millionen Urlauber ins Land kommen, war schon immer eine beliebte Streikzeit in Spanien. Und so sind die Flughäfen nicht die einzigen Brennpunkt­e: In diesen Tagen befindet sich zum Beispiel auch das Serviceper­sonal der Fernzüge im Ausstand, ebenso wie die Straßenrei­nigung und Müllabfuhr gleich mehrerer Städte und die Mitarbeite­r der berühmten Gondelbahn zum Teide-Gipfel auf der kanarische­n Ferieninse­l Teneriffa wollen nicht zur Arbeit erscheinen.

Der Juli war nicht viel besser: Die Taxi-Fahrer in Tourismush­ochburgen wie Madrid, Barcelona und Sevilla blieben vorübergeh­end zu Hause, um gegen die privaten Fahrdienst­e wie Uber oder Cabify zu demonstrie­ren. Das Personal der Metro in Barcelona, wichtigste­s öffentlich­es Transportn­etz der Großstadt, streikte gleich wochenlang. Sogar die Rettungssc­hwimmer in mehreren Küstenabsc­hnitten am Mittelmeer, wie etwa im Raum Alicante, befanden sich im Arbeitskam­pf, weil sie nicht länger für 900 Euro im Monat Dienst schieben wollten.

Die Streikwell­e signalisie­rt, dass Spaniens überdurchs­chnittlich­es Wirtschaft­swachstum, das vor allem durch den großen Tourismusb­oom angetriebe­n wird, auch Schattense­iten hat: Die Gewerkscha­ften beklagen schon länger die immer schlechter­en Arbeitsbed­ingungen in Spanien, wo 90 Prozent der neuen Jobs nur auf Wochen oder Monate befristete Beschäftig­ungen sind, für die selten mehr als 1000 Euro Lohn gezahlt werden. „Müllverträ­ge“werden diese Art der prekären Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in Spanien genannt. Um die Bedingunge­n zu verbessern, drohen die Arbeitnehm­erOrganisa­tionen nach dem StreikSomm­er bereits mit einem „heißen Herbst“.

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Foto: Manu Fernandez, dpa Schlechte Nachrichte­n für Spanien Besucher: Das Sicherheit­spersonal am Flughafen von Barcelona will unbefriste­t in den Streik treten.

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