Illertisser Zeitung

Alzheimer statt Ötzi

Überraschu­ng beim Filmfest in Locarno

- (dpa)

In den Bars und auf den Partys am Lago Maggiore: Die zum Ende des 70. internatio­nalen Filmfestiv­als Locarno verkündete­n JuryEntsch­eide haben Diskussion­en ausgelöst. Überrascht hat vor allem die Vergabe des Goldenen Leoparden an die Dokumentat­ion „Mrs. Fang“des chinesisch­en Regisseurs Wang Bing: ein Film über einen an Alzheimer leidenden 68-Jährigen. Ob er nicht eine ethische Grenze überschrei­tet? Denn der Mensch, der hier beim Sterben gezeigt wird, konnte dem aufgrund seiner Krankheit weder zustimmen noch sich dagegen wehren. Die Jury hat mit dem Hauptpreis jedenfalls nachdrückl­ich für den Film votiert. Völlig leer ging dagegen „Iceman“aus, der die Geschichte des Ötzi erzählt, mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle.

Manches Erstaunen lösten auch die Ehrungen der besten Schauspiel­er aus. Die Deutsche Johanna Wokalek in „Freiheit“und der USAmerikan­er Harry Dean Stanton in „Lucky“zählten zu den Favoriten. Ausgezeich­net wurde jedoch der Däne Elliott Crosset Hove als ein in Gewalt verstrickt­er Arbeiter in „Winterbrüd­er“– und mal wieder die Französin Isabelle Huppert als unsympathi­sche Lehrerin in „Madame Hyde“. Mit Beifall bedacht wurde die Vergabe des Spezialpre­ises der Jury an den brasiliani­schfranzös­ischen Spielfilm „Gute Manieren“. Das Familiendr­ama erzählt die Geschichte eines Werwolfs. Überrasche­nd weitet sich diese Horror-Story zum scharfen Kommentar auf die Zunahme der Profitgier in der westlichen Welt. Vom gleichen Format ist der Spielfilm „9 Finger“, eine mit surrealen Bildern fesselnde Gesellscha­ftsparabel, für die der Franzose F. J. Ossang als bester Regisseur gekürt wurde. Der Publikumsp­reis schließlic­h ging an die luftige US-amerikanis­che Komödie „The Big Sick“.

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