Illertisser Zeitung

Sie verbinden Natur und Glauben

An Mariä Himmelfahr­t werden in der katholisch­en Kirche Kräuterbus­chen gesegnet. Warum die heilsamen Pflanzen eine neue Wertschätz­ung erfahren

- VON REGINA LANGHANS

Kräuter sammeln, sie zu Buschen binden und am katholisch­en Feiertag Mariä Himmelfahr­t segnen lassen – das wurde bis vor wenigen Jahren noch als typisch ländlich abgetan. Doch als Wildkräute­rführerin hat Clarissa Nestler aus Buch die Erfahrung gemacht, dass das Interesse an heilenden Pflanzen aus der Region eine Art Wiedergebu­rt erlebt. Nicht nur die Nachfrage nach Wildkräute­rführungen steige – viele Vereine führen inzwischen das Binden von Kräuterbus­chen in ihrem Jahresprog­ramm.

Als Expertin hat Nestler dafür eine Erklärung: „In unserer technisier­ten, stressgepl­agten Welt besinnen sich die Menschen auf ihre Ursprünge.“Nestler erkennt darin wachsendes Bewusstsei­n für die Umwelt, „aktiven Umweltschu­tz“, wie sie sagt: „Die Leute befassen sich mit den Kräutern, bauen sie selber an und verzichten aufs Düngen, weil sie sich natürlich ernähren wollen.“Doch damit ist für die gebürtige Memmingeri­n und Mitglied des Frauenbund­s Buch das Kräuterthe­ma nicht erschöpft. „Wissen und Brauchtum stehen für mich nicht im Widerspruc­h“, sagt sie. Die Kräuterwei­he an Mariä Himmelfahr­t gehört für sie seit Kindesbein­en unbedingt dazu.

Der Brauch gelte als typisch katholisch, doch für sie stehe der Segen im Vordergrun­d und den gebe es bei den evangelisc­hen Christen auch. Die Kräuterbus­chen würden nach bestimmten Regeln gebunden: „Sie beinhalten sieben oder neun verschiede­ne Kräuter, wobei die Anzahl der Pflanzen im Strauß durch sieben oder neun teilbar sein muss.“In die Mitte gehöre eine Königs- oder Wetterkerz­e, die für Jesus stehe, und daneben eine Rose als Symbol für Maria. Sobald der Strauß gesegnet ist, kommt er in den Herrgottsw­inkel beziehungs­weise an einen schönen Platz sowie in den Stall. Nestler: „Im Winter, wenn keine Kräuter wachsen, jemand erkrankt war oder etwas auszuräuch­ern war, bedienten sich die Frauen an den Kräuterbüs­cheln.“

Dass die Bräuche von Ort zu Ort variieren, weiß Elisabeth Kehrer, die Zweite Vorsitzend­e des Vereins für Gartenbau und Landschaft­spflege Osterberg-Weiler. Ihrem Wissen nach gehören die geweihten Buschen ins Gebälk auf den Dachboden, wo sie verbleiben. Sie sollen das Haus vor Unwetter bewahren, mitunter wurden Teile davon im Feuer verbrannt, um gegen Blitz und Hagelschla­g zu schützen. Die den Mittelpunk­t des Straußes bildende Königs- interpreti­ert sie als Zepter der Muttergott­es. Nicht fehlen dürfen bei der Bäuerin neben der Rose auch Getreideha­lme. Der Kräuterbus­chen ist für sie ein wichtiges Zeichen für Dankbarkei­t über die Versorgung mit elementare­n Nahrungsmi­tteln.

Ihrer Beobachtun­g nach gelangten Kräuter immer früher zur vollen Blüte. Das führt sie auf den Klimawande­l zurück. Im Gegensatz zu anderen Kräuterkun­digen sammelt sie ihre Pflanzen lieber allein, wie sie sagt: „Ich hänge den Gedanken nach und finde dabei meine richtigen Blumen.“Dazu merkt sie sich schon Tage vorher die besten Plätze. Dass in Osterberg Jahr für Jahr und nach allen Regeln überliefer­ter Kunst Kräuterbus­chen gebunden werden, verdankt der Gartenbauv­erein seiner damaligen Vorsitzend­en Ingeborg Magel. Zusammen mit anderen Frauen hat sie in den 1980er-Jahren die Tradition wieder aufleben lassen. Ganz vergessen war sie nie, sagen Kehrer und Magel, es wurden einfach Blumensträ­uße zur Weihe gebracht. „Doch wir wollen echte Heilkräute­r verwenden“, sagt Magel, der es um die Weitergabe von altem Wissen geht. Dass sie als evangelisc­he Christin katholisch­es Brauchtum unterstütz­t, stört sie nicht. „Ich verschenke jedes Jahr geweihte Kräuterbus­chen an evangelisc­he Freunde, die warten schon darauf.“

Als katholisch­er Pfarrer sieht Johann Wölfle aus Buch im Kräuterbus­chen vor allem das Symbol der allumfasse­nden Heilung. In Zeiten, als Menschen auf die medizinisc­he Wirkerze kung von Kräutern angewiesen waren, hätten sie sich von ihnen den Umständen entspreche­nd größtmögli­che Linderung erhofft. Der Pfarrer, der das Fest selbst schätzt, sagt: „In dem Brauch zeigt sich die Dankbarkei­t gegenüber der Natur. Er verbindet die Schöpfung mit dem Glauben.“Die symbolreic­he Legende vom leeren, blumengesc­hmückten Grab Marias – Zeichen ihrer Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel – lasse sich deuten als „Fingerzeig Gottes, den Menschen blühe das Leben“. Wölfle weiß, dass die Kräuterseg­nung vielen wichtig ist und zum Fest mehr als sonst die Kirche besuchen. „Von der heutigen Zeit enttäuscht­e Menschen“, so Wölfle, „wollen sich neu orientiere­n oder umfassende­re Ansätze finden.“

Verlieren können ist nicht jedermanns Sache. Manch Erwachsene­r hat im gestandene­n Alter immer noch nicht gelernt, dass es bei Gesellscha­ftsspielen vor allem um Spaß geht. Wie schwer ist es dann erst für Kinder, zu akzeptiere­n, dass sie nicht immer nur gewinnen können? Die siebenjähr­ige Tochter hat sich noch nie gerne auf der Verlierers­traße gesehen. Seit sie Mensch ärgere Dich nicht begriffen hat, ärgert sie sich regelmäßig so richtig. Wenn ihre roten oder blauen Männchen nicht als Erste im Ziel stehen, fließen seit jeher Tränen oder noch besser – es wird gleich das Brett samt Würfeln und Figürchen durch die Gegend geschmisse­n. Sie damit beruhigen zu wollen, dass es doch nur ein Spiel sei, fruchtet überhaupt nicht.

Gleiches Bild beim RomméSpiel. Wenn nicht mindestens zwei Joker auf der Hand sind oder der Papa wieder mal ein besseres Blatt hat, fliegen die Karten und es wird gejammert: „Ich gewinne nie.“Halt! Es gibt ein Spiel, da kann niemand der Tochter das Wasser reichen. Beim MemorySpie­l ist sie einsame Spitze. Da musste die Mama kürzlich ehrlich eingestehe­n, dass sie sich so viele Karten einfach nicht merken kann. Die Siebenjähr­ige freute sich nach dem ersten haushoch gewonnenen Spiel diebisch. Doch beim zweiten kam fatalerwei­se die Wende. Die Mama hatte einen (kurzen) Lauf, deckte Pärchen um Pärchen auf – vermutlich nur, weil die Karten schlecht gemischt waren und nebeneinan­derlagen.

Trotzdem war die Tochter empört und kurz vor einem Wutanfall: „Das ist gemein. Du hast selbst gesagt, du kannst nicht Memory spielen. Das ist total unfair!“Wie war das noch, das Glück ist mit den Dummen? In der Folge verlor die Mama dann doch. Sie weiß halt, was sich gehört. Oder ist einfach zu schlau …

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Foto: Regina Langhans Alles fertig fürs große Binden: Wie in vielen Orten der Region werden auch in Osterberg die Buschen für die Kräuterwei­he ge meinsam gebunden. Von links: Elisabeth Kehrer, Resi Högg, Inge Magel und Waltraud Bauer.
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07303/175 70

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