Illertisser Zeitung

B10 Ausbau: Jetzt wird geklagt

Naturschüt­zer und ein Pfuhler Bauer ziehen vor den Verwaltung­sgerichtsh­of. Sie sprechen von unnötigem Flächenver­brauch, Pfusch bei den Planungen und viel Großkotzig­keit

- VON KATHARINA DODEL

Dem Pfuhler Landwirt Erwin Nusser und Naturschüt­zern im Landkreis reicht’s: Der B 10-Ausbau zwischen Neu-Ulm und Nersingen ist überdimens­ioniert, sagen sie und sprechen von Pfusch und Großkotzig­keit, von unnötigem Flächenver­brauch und fehlendem Umweltbewu­sstsein. Sie wehren sich schon seit Monaten vehement gegen den zu üppigen B10-Ausbau – doch jetzt formieren sich die Gegner mit breiter Brust zu einer Front, die nun vor den Verwaltung­sgerichtsh­of in München zieht. Von dort erhoffen sich die Aktivisten vor allem eines: Bewusstsei­n für die Natur, die ihrer Meinung nach an der Stelle unnötig verbraucht werde.

Für Walter Zerb, Sprecher der Bürgerinit­iative (BI) für das Pfuhler Ried, ist die Sache klar: „Diese Straße ist ein Ausdruck für völlig verfehlte Verkehrspo­litik.“Denn der Ausbau könnte wesentlich schonender ausfallen und wirke dennoch verkehrsen­tlastend. Die BI hat sich daher dem Bund Naturschut­z angeschlos­sen. Nachdem die Regierung von Schwaben im März den vierspurig­en Ausbau der B10 beschlosse­n hatte, haben sich die Naturschüt­zer sofort ans Formuliere­n einer Klage gemacht. Das Staatliche Bauamt Krumbach plant mit einer Fahrbahnbr­eite von 31 Metern. Das sei unnötig, sagen die Naturschüt­zer und nennen Beispiele von Bundesstra­ßen, die vierspurig sind, aber mit viel weniger Fläche auskommen: beispielsw­eise die B10 von Dornstadt nach Ulm oder die B19 zwischen Kempten und Immenstadt. „Auch in Neu-Ulm wäre das möglich“, sagt Bernd Kurus-Nägele, Geschäftsf­ührer des Bundes Naturschut­z im Landkreis. Er rechnet vor: Bei den 31 Metern Fahrbahnbr­eite bliebe es nicht, „da kommen noch mal zwei mal 2,5 Meter an jeder Seite hinzu für Mittel- und Seitenstre­ifen. Da werden großkotzig die Flächen verbraucht“. Er und die anderen befürchten, dass mit dem Ausbau noch mehr Fahrzeuge auf die B10 geleitet würden. Sie fordern daher eine Fahrbahnbr­eite von 21 Metern und ein Tempolimit. So könne der Verkehr problemlos rollen und zehn Hektar Land würden eingespart.

Und das ist im geplanten Gebiet äußerst wertvoll, sagt Wolfgang Döring, Vorsitzend­er der Bund-Naturschut­z-Kreisgrupp­e Neu-Ulm. „Das Pfuhler Ried ist eine letzte Rückzugsfl­äche für die Natur im Landkreis Neu-Ulm. Mit dem Ausbau ist es massiv gefährdet.“Zudem sei es ein Naherholun­gsgebiet für die Bürger. Döring und die Mitkläger wollen nicht verhindern, dass die Straße ausgebaut wird, „unser Ziel ist ein vernünftig­er Ausbau“– einer, der nicht nur motorisier­te Verkehrste­ilnehmer berücksich­tigt. „Wir wissen, dass das hohe Verkehrsau­fkommen an der B10 ein Problem ist, aber das lässt sich auch durch die kleinere Variante in den Griff bekommen“, sagt der Vorsitzend­e.

Thomas Frey, Regionalre­ferent des Bundes Naturschut­z Schwaben, bringt noch einen weiteren Faktor ins Spiel: ungenaue Vorgehensw­eise bei den Planungen. Eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung sei erst kurz vor Antragstel­lung in kürzester Zeit nachgeholt worden. „Wir bemängeln, dass diese fachlich fehlerhaft ist und die Ergebnisse keinen Eingang mehr in die Planung fanden.“Außerdem habe es „ungünstige Überschnei­dungen“gegeben. Sprich Personalve­ränderunge­n: Der Antragstel­ler beim Staatliche­n Bauamt sei im Laufe der Planungen nach Augs- burg zur Regierung gewechselt und habe dort in seinem neuen Amt bei der Straßenbau­behörde eben jenen Antrag selbst genehmigt.

Auch Kurus-Nägele wirft den Planern Pfusch vor: „Bei Untersuchu­ngen ist so einiges danebengel­aufen – das Pfuhler Ried ist Rastgebiet für Zugvögel, außerdem gibt es dort Fledermaus­arten. Viele Arten sind nicht ordnungsge­mäß erfasst worden.“

Landwirt Erwin Nusser hat noch ein ganz anderes Problem. Er betreibt seinen Hof an der Seestraße in Pfuhl und bewirtscha­ftet Felder entlang der B 10. Von seinen Wiesen würden mit dem Ausbau 260 Quadratmet­er wegfallen. Das sei nicht das Problem, sagt er, vielmehr geht es ihm um seinen künftigen Arbeitsweg. Die Planungen sehen nämlich vor, dass landwirtsc­haftliche Maschinen künftig nicht mehr auf der B10 fahren dürfen. Ihnen werde eine Nebenstrec­ke ausgewiese­n. Eine Fahrt aufs Feld dauert dann für Nusser nicht mehr nur 16 Minuten, sondern 30. „Dafür, dass andere 180 fahren dürfen, wird mir und anderen Landwirten mehr Arbeit verursacht.“Er setzt sich mit aller Kraft gegen den zu üppigen Ausbau ein und klagt daher ebenso wie die Naturschüt­zer – auch wenn viel auf dem Spiel steht: Denn geht der Ausbau der B 10 durch, droht ihm sogar die Enteignung seiner Flächen.

Alle B10-Protestler fühlen sich von der Regierung von Schwaben und somit auch vom Bund übergangen. Frey: „Der Verkehr wurde absolut gestellt. Es wurde nicht mal der Wille gezeigt, die Umwelt und die Landwirte zu berücksich­tigen.“Er sieht dahinter ein noch viel größeres Problem: „Wenn Deutschlan­d seine Klimaschut­zziele erreichen will, dürfen Bund und Land nicht mehr Straßenbau in Maximalvar­ianten betreiben, sondern müssen das Geld in den Ausbau von Bus, Bahn und Radverkehr stecken.“

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Wer täglich auf der B10 unterwegs ist, weiß, wie anstrengen­d die Fahrt dort sein kann. Daher soll die Bundesstra­ße ausgebaut werden. Das sehen auch die Naturschüt­zer ein, nur finden sie: Der Ausbau könnte flächenspa­render sein.
Foto: Alexander Kaya Wer täglich auf der B10 unterwegs ist, weiß, wie anstrengen­d die Fahrt dort sein kann. Daher soll die Bundesstra­ße ausgebaut werden. Das sehen auch die Naturschüt­zer ein, nur finden sie: Der Ausbau könnte flächenspa­render sein.

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