Er ist weder Hardliner noch Hallodri Porträt
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ist der Mann der Stunde im Vatikan. Er gilt als Vertrauter des Papstes – und vermittelt in dessen Namen derzeit in Russland
Es gibt keine konkreten Anzeichen dafür, dass Papst Franziskus bereits nach viereinhalb Jahren auf dem Stuhl Petri amtsmüde geworden ist. Spekulationen um seine Nachfolge sind dennoch in Umlauf. Auf der Liste möglicher Nachfolger rangiert ein Kardinal ganz vorne, der Petrus mit Vornamen heißt. Pietro Parolin wurde von Franziskus 2013 zum Kardinalstaatssekretär berufen und fiel die ersten Jahre vor allem durch Zurückhaltung auf. Inzwischen hat sich der besonnene und sanftmütige Norditaliener ins Rampenlicht gearbeitet – im Windschatten des Chefs.
Parolin, vatikanischer Chefdiplomat und zweiter Mann im Vatikan nach Papst Franziskus, ist der Prälat für die schwierigen Missionen und seit Montag auf Russland-Besuch. Russland ist seit dem Morgenländischen Schisma im Jahr 1054, in dem sich die russisch-orthodoxe Kirche von Rom abspaltete, ein schwieriges Terrain für die römisch-katholische Kirche. Noch nie war ein Papst in Moskau zu Besuch, nach der offiziellen Lesart geht es auch Parolin nicht um die Vorbereitung einer solchen Visite. Der 62-Jährige möchte auf seiner viertägigen Reise einerseits das angespannte Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche weiter verbessern. Das historische Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill im vergangenen Jahr auf Kuba war ein wichtiger Schritt in Richtung Versöhnung. Zum anderen ist die Fahrt nach Moskau und nach Sotschi, wo es am Mittwoch zur Begegnung mit Präsident Wladimir Putin kommen soll, ein weiteres Zeichen dafür, dass der Heilige Stuhl als Vermittler aktiv sein will. Angela Merkel war bereits viermal bei Papst Franziskus zu Besuch, dessen Mitarbeiter vermitteln unter Parolins Ägide oft fern aller medialen Aufmerksamkeit bei Krisen in Afrika, im Nahen Osten, bei der Aussöhnung zwischen Kuba und den USA oder in Kolumbien. Zuletzt soll es im Vatikan zu Diskussionen über den richtigen Umgang mit dem venezolanischen Machthaber Nicolás Maduro gekommen sein, der sein Land mehr und mehr in eine Diktatur verwandelt. Der kapitalismuskritische Papst aus Argentinien hielt sich mit öffentlichen Mahnungen zurück. Eine kritische Erklärung des Vatikan soll erst im letzten Moment auf Druck des Kardinalstaatssekretärs zustande gekommen sein. Parolin war zwischen 2009 und 2013 päpstlicher Botschafter in Venezuela und kennt die Verhältnisse vor Ort wie kein anderer.
Die Machtprobe zeigt, wie stark der Einfluss Parolins im Vatikan gewachsen ist. Während seine potenziellen Konkurrenten um die Führung in der Kurie ins Abseits gerieten, hat sich Parolins Position über die Jahre gefestigt. Der Italiener hat das Kunststück fertiggebracht, das Vertrauen von Franziskus und die Sympathien der Kurie zu haben. Theologisch ist Parolin weder Hardliner noch Hallodri. Damit gilt er als ein Kandidat, der auch die verfeindeten innerkirchlichen Lager eines Tages wieder versöhnen könnte. Als Nachfolger von Papst Franziskus.