Illertisser Zeitung

Es rumort im deutschen Fußball

Mit Beleidigun­gen reagieren Fans auf das Dialogange­bot des DFB. Was hinter den Protesten steckt

- VON JOHANNES GRAF ZDF-Moderator

Draußen, im Rund der Münchner Arena, tobte ein Unwetter. Als Jochen Breyer in der Halbzeitpa­use der Bundesliga­begegnung zwischen dem FC Bayern und Leverkusen DFB-Präsident Reinhard Grindel im TV-Studio fragte, ob er nass geworden sei, wollte er nur das Gespräch einleiten. Grindel indes gab eine Antwort, die ihm dieser Tage negativ ausgelegt wird. „Das ist das Privileg, das man hat, wenn man auf den VIP-Plätzen sitzt. Ist schon okay“, sagte Grindel.

Der 55-Jährige verkörpert­e in diesem Moment jene aalglatte Obrigkeit, an der sich Ultras, also der harte Fankern, massiv stören. Grindel repräsenti­erte einen Funktionär­stypen, der sich im Trockenen in seinen bequemen Sessel drückt, während der Fan im Stehplatzb­lock bedingungs­los seine Mannschaft anfeuert, Wind und Wetter trotzt und den Fußball pflegt.

Seit Wochen und Monaten gehen Teile der Anhänger auf Konfrontat­ionskurs mit dem Deutschen Fußball-Bund und der Deutschen Fußball-Liga (DFL), martialisc­h festgehalt­en im Motto „Krieg dem DFB“. Ihr Vorwurf: Die Organisati­onen missachten die Fankultur, streben stattdesse­n ausschließ­lich nach größtmögli­chem Gewinn.

Die Halbzeitsh­ow mit Schlagersä­ngerin Helene Fischer während des DFB-Pokalfinal­es steht sinnbildli­ch für ausufernde Eventisier­ung; die Zerstückel­ung des Spieltags sorgt für Ärger, weil die Auslandsve­rmarktung wichtiger ist als fanfreundl­iche Anstoßzeit­en; Vereinsmod­elle wie RB Leipzig untergrabe­n die 50+1-Regel und verschaffe­n Investoren Einfluss. Ansätze für Kritik gibt es derer viele. Anstoß nehmen die Fans zudem an der Sportgeric­htsbarkeit, die bisher angewandte­n Kollektivs­trafen empfinden sie als unfair. Auf Krawalle, diffamiere­nde Banner und Pyrotechni­k-Exzesse reagierte der DFB in der Vergangenh­eit mit Geisterspi­elen oder Blocksperr­en. Grund dafür war, dass vermummte Täter in den Fanblocks kaum zu ermitteln waren. Umso überrasche­nder war, dass Grindel den Anhängern in der vergangene­n Woche die Hand reichte, indem er Kollektivs­trafen aussetzte und die Fans zum Dialog aufrief. Sogar auf die Ausschreit­ungen im DFB-Skandal-Spiel zwischen Rostock und Berlin reagierte er milde und hob einen Fan-Ausschluss auf. Klären will Grindel mit den Fanvertret­ern zwei zentrale Fragen: Was ist Fankultur? Was ist Fangewalt?

Bisher ließen sich die stimmgewal­tigen Kurven von den Zugeständn­issen nicht beeindruck­en, vielmehr beleidigte­n sie am Wochenende bundesweit mit dem einheitlic­hen Banner „Fick dich DFB!“. Zumindest verzichtet­en sie auf Pyrotechni­k – ein weiterer Streitpunk­t. Allein wegen der heterogene­n Zusammense­tzung innerhalb der Ultra-Gruppierun­gen werden Gespräche mit ihnen schwierig werden. Doch allmählich müssen sie sich bewegen. Füllen sie ihre Parolen nicht mit Inhalt, wird der Protest wenig bewirken.

Statistisc­h gesehen dürfte so etwas ja gar nicht passieren: Zwei Golfspiele­r erzielen auf der Finalrunde eines Turniers in nur zwei Stunden an der gleichen Bahn ein „Hole in One“. Zirkeln ihren Ball also mit nur einem einzigen Schlag ins Loch. Das legendäre Ass im Golf. So geschehen aller Statistik zum Trotz am Wochenende beim PGA-Turnier in Greensboro, North Carolina, USA.

Martin Flores und Ben Crane heißen die glückliche­n Profis, die sich jetzt über dutzende kostenfrei­e Übernachtu­ngen in den Hotels des Hauptspons­ors freuen können. Die anderersei­ts gemäß der Etikette und dem Ehrenkodex eines „Hole in One“aber auch sämtliche Mitspieler und Caddies auf einen Umtrunk einladen müssen. Ob Profis sich dieser geselligen Tradition wirklich genauso verpflicht­et fühlen wie der Amateurgol­fer, der – beseelt vom großen Coup – seinen Gewinn am Tresen im Klubhaus sofort wieder verjubelt, ist nicht überliefer­t. Dürfte aber so ähnlich vonstatten­gehen, denn Versicheru­ngen gegen zu hohe Bewirtungs­kosten – quasi der Golfschutz­brief für übermäßige­n Erfolg im Spiel – sind bei Amateuren wie Profis gleicherma­ßen beliebt.

Gefühlt scheint das Ass im Golf mittlerwei­le öfter aufzutrete­n, als es die Berechnung­en von Mathematik­er nachweisen. Durchschni­ttlich braucht es wohl 3500 Golfrunden, bis überhaupt ein „Hole in One“fällt. Bei einem Durchschni­ttsgolfer liegt die Chance auf ein Ass bei 1:12 500. Bei einem Profi immerhin schon bei 1:2500. Abgesehen von den Amerikaner­n Rob Allenby und Hal Sutton, die jegliche Statistik ins Wanken bringen, weil jeder allein schon zehn Asse auf der PGA-Tour gespielt hat.

Dass einem Berufsgolf­er aufgrund seiner Präzision öfter ein Ass gelingt als einem Amateurgol­fer, ist klar. Auch der deutsche Profi Marcel Siem kann das bestätigen. Er schaffte im Juni das siebte Ass seiner Karriere, sein drittes als Tourspiele­r. Wir wissen nicht, was ihn die Feierlichk­eiten gekostet haben, der Ertrag war bisher allerdings überschaub­ar.

Beim Turnier in China erhielt Siem für sein „Hole in One“einen nüchternen Handschlag, in Wentworth wurde es immerhin mit einer Flasche Champagner prämiert. Nun also Turnier-Ass Nummer drei in Winsen bei Hamburg. Hier stand für den erfolgreic­hen 157 Meter-Schlag an Loch 17 zumindest ein ordentlich­er Gewinn in Aussicht: ein Sportwagen einer Luxusmarke im Wert von 160 000 Euro. Doch auch da war Siems Glücksschl­ag wenig lukrativ: er darf den Flitzer gar nicht fahren, denn er hat einen Vertrag mit einem anderen Autobauer aus dem SchwabenLä­ndle. So muss er wohl auf sein viertes Turnier-Ass warten. Glaubt man der Statistik, dürfte es in etwa 96 Monaten wieder soweit sein.

 ?? Foto: dpa ?? Proteste wie in Dresden begleitete­n den Spieltag in den Fußball Ligen.
Foto: dpa Proteste wie in Dresden begleitete­n den Spieltag in den Fußball Ligen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany