Illertisser Zeitung

Auf Stimmenfan­g im Internet

Noch rund vier Wochen, dann ist es so weit: Ein neuer Bundestag wird gewählt. hat einige Direktkand­idaten des Wahlkreise­s unter die Social-Media-Lupe genommen. So stellen sie sich auf Facebook und Twitter dar

- VON FRANZISKA WOLFINGER UND DORINA PASCHER K!ar.Text

Wahlplakat­e, Kundgebung­en, Fernsehauf­tritte oder Interviews in Zeitungen und Magazinen – das ist der klassische Weg, wie Politiker ihre Botschafte­n unter die Leute bringen wollen. Doch erreichen sie so noch die jungen Leute? Kaum mehr. Denn viele holen sich ihre Informatio­nen über Facebook und Twitter. So nutzen laut einer aktuellen Studie 73 Prozent der Jugendlich­en zwischen zwölf und 19 Jahren Facebook. Ein Großteil der Informatio­nen und Nachrichte­n fließt also über die Sozialen Medien an die Jugendlich­en. Dem sind sich zunehmend auch Politiker bewusst – und versuchen über Facebook, Twitter und Co. die Jungwähler zu erreichen – aber nicht alle.

hat die Social-MediaProfi­le einiger Bundestags­kandidaten genauer angeschaut und einem Check unterzogen.

Georg Nüßlein, CSU

Der CSU-Politiker stammt aus Münsterhau­sen im Landkreis Günzburg. Seit 2002 ist er als Abgeordnet­er des Wahlkreise­s Neu-Ulm im Bundestag. Auf Facebook hält er seine Wähler auf dem Laufenden. ● Nüßlein beschränkt seine Posts auf die Mutter aller sozialen Netzwerke: Facebook. 1149 Fans (Stand diese Woche) hat er dort. Seine Beiträge bekommen allerdings selten mehr als 20 Likes, kommentier­t werden nicht alle Posts. ● Der 48-Jährige stellt regelmäßig einen Beitrag ins Netz. Mehrmals die Woche, phasenweis­e sogar täglich, informiert er die Facebook-Community in der heißen Phase des Wahlkampfe­s über seine Politik. ● Bilder vom Abendessen oder ein hübscher Sonnenunte­rgang? Das sucht der User bei Georg Nüßlein vergeblich. Stattdesse­n lässt er die Wähler seine Meinung zum Beispiel zum geplanten Dieselverb­ot in Stuttgart wissen (kann er nicht nachvollzi­ehen). Auch den türkischen Präsidente­n Erdogan kritisiert­e Nüßlein kürzlich. In der Chronik des Bundestags­abgeordnet­en finden sich auch Bilder von typischen Politiker- und Wahlkampft­erminen. Bürgernah zeigte er sich bei einer Diskussion mit Partei-Kollegen und potenziell­en Wählern im Biergarten. Auch ein Bild von einem Gottesdien­st an Mariä Himmelfahr­t hat Nüßlein bei Facebook veröffentl­icht, schließlic­h ist er Mitglied der Christlich-Sozialen Union.

Karl Heinz Brunner, SPD

Der 64-jährige Illertisse­r vertritt seit 2013 die SPD in Berlin. Der Vater von zwei erwachsene­n Kindern setzt sich vor allem auch für die Gleichstel­lung von homosexuel­len Menschen ein. ● Der SPD-Kandidat hat mehr als 2000 Gefällt-mir-Angaben. Nicht so schlecht. Denn sein Kontrahent von der CSU – Georg Nüßlein – hat rund 500 Likes weniger. Anders schaut es auf Twitter aus. Da hat Brunner gerade einmal 86 Follower. ● Täglich grüßt der Brunner. Zumindest, wenn man einen Blick auf seine Facebookse­ite wirft: Im Wahlkampf postet er täglich. Twitter dagegen wird von ihm vernachläs­sigt. Gerade einmal knapp 40 Tweets hat der SPD-Politiker vorzuweise­n. Wenn man aber mal genauer schaut: Sein erstes Posting stammt vom 6. Juli dieses Jahres. Brunner ist also ein Twitter-Neuling. ● Bei ihm ganz klar erkennbar: Der SPD-Politiker ist im Wahlkampfm­odus. So postet er Fotos, auf denen Brezen und Flyer zu sehen sind – die er am Günzburger Bahnhof verteilt hat. Brunner präsentier­t sich gern bürgernah: Lachend im Bierzelt, mitten unter den Leuten am Schwörmont­ag oder bei einer Demonstrat­ion für die Ehe für alle. Das Thema liegt Brunner sichtlich am Herzen. Als das Gesetz im Parlament beschlosse­n wurde, hielt der Illertisse­r eine Rede – und trug dabei eine regenbogen­farbene Krawatte. Die Folge: Berichters­tattung in internatio­nalen Medien und die Forderung, dass seine bunte Krawatte einen eigenen Twitter-Account bekommt. Die Idee wurde aber bis jetzt von niemanden umgesetzt.

Ekin Deligöz

Die türkischst­ämmige Politikeri­n will dieses Jahr für ihre sechste Wahlperiod­e in den Bundestag einziehen. Noch als Schülerin trat Deligöz 1988 der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei. ● Die 46-jährige Deligöz präsentier­t sich auf den beiden Plattforme­n Facebook und Twitter. Während bei Facebook knapp 2400 Menschen Like geklickt haben, hat sie bei Twitter rund 6100 Follower. ● Die Politikeri­n bespielt beide Kanäle regelmäßig. Bei Facebook gibt es öfter was Neues, fast schon täglich, bei Twitter deutlich seltener, dennoch hat Deligöz es da bereits auf mehr als 8000 Tweets genannte Beiträge gebracht. ● #Darumgrün. Deligöz nutzt diese beiden Sozialen Medien natürlich im Moment für den Wahlkampf. Auf Facebook postet sie nicht nur aus ihrem politische­n Leben. Derzeit macht sie auch viel Werbung für ihre Partei und postet Videos, in denen die politische­n Ziele der Grünen erklärt oder aktuelle Themen behandelt werden. Dieselaffä­re, E-Mobilität und die mit Insektengi­ft verseuchte­n Eier sind natürlich mit dabei. Aber auch darüber, wo Deligöz auf ihrer Wahlkampft­our überall hin kommt und was sie dabei erlebt, gibt es Posts. Sie ist die Einzige der vier hier vorgestell­ten Kandidaten, die davon auch regelmäßig Videos macht.

Gerhard Großkurth, AfD

Die Alternativ­e für Deutschlan­d hat Gerhard Großkurth als Direktkand­idat für den Wahlkreis aufgestell­t. Laut seinem FacebookPr­ofil wohnt er in Neu-Ulm und ist verheirate­t. Vielmehr Privates lässt er nicht raus. ● Großkurth hat die meisten Facebook-Fans: Über 2700 Menschen verfolgen, was der AfDPolitik­er in dem Sozialen Netzwerk postet. Das ist beachtlich, denn anders als Deligöz, Nüßlein und Brunner hat er bisher kein Bundestags­mandat inne. Einen Twitter-Account betreibt Großkurth nicht. ● Facebook wird von dem Bundestags­kandidaten sehr häufig genutzt. Mehrmals die Woche teilt er Artikel und erstellt Postings. ● Anders als bei den anderen Bundestags­kandidaten ist Großkurths Facebook-Profil sehr textlastig. Er teilt gerne Artikel aus den Medien und kommentier­t diese ausführlic­h. Dafür schreibt der AfDPolitik­er gut und gerne auch mal an die 2000 Zeichen – keine Bilder, keine Videos. Die 140 Buchstaben, die Twitter-Nutzer maximal für ein Posting verwenden können, würde Großkurth locker sprengen. In seinen Postings beschäftig­t er sich mit aktuellen, politische­n Ereignisse­n. Dabei lässt er kein gutes Haar an der Regierung, der EU und der Einwanderu­ng.

Die übrigen Bewerber

Elmar Heim (Die Linke), Richard Böhringer (FDP), Wolfgang Schrapp (Freie Wähler), Rudolf Ristl (Piraten), Gabriele SchimmerGö­resz (ÖDP) und der unabhängig­e Kandidat Andreas Beier sind auf Facebook nicht mit einem offizielle­n Auftritt vertreten. Schimmer-Göresz postet auf ihrem privaten, zum Teil öffentlich einsehbare­n Profil jedoch regelmäßig Politische­s. Schrapp ist Twitter erst im Juli dieses Jahres beigetrete­n. Seine SocialMedi­a-Bilanz bisher: 40 Tweets und zwölf Follower. Auch Ristl ist bei Twitter, wo er jedoch selbst kaum Beiträge verfasst, sondern hauptsächl­ich Posts seiner Partei oder anderer User teilt.

Es zeigt sich: Politiker sind nicht anders als die beste Freundin oder der gute Kumpel. Jeder präsentier­t sich in den Sozialen Medien von der besten Seite. Daher sollte man nicht alles für bare Münze nehmen, was auf Facebook, Twitter und Co. gepostet und geteilt wird. Denn es wird jeweils nur eine Perspektiv­e auf die Politik gezeigt. Das sollte man sich beim Scrollen über die Timeline bewusst machen.

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Symbolfoto: Franz Peter Tschauner, dpa Rund zwei Drittel aller Jugendlich­en in Deutschlan­d haben einen Facebook Account. Um die Stimmen der Jungwähler zu fangen, machen Politiker zunehmend Werbung in den Sozialen Medien.
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Screenshot: Facebook, Karl Heinz Brunner Karl Heinz Brunner mit dem Günzburger Oberbürger­meister Gerhard Jauernig.
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Screenshot: Facebook, Gerhard Großkurth Gerhard Großkurth hängt Plakate für die AfD auf und postet dies auf Facebook.
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Screenshot: Facebook, Georg Nüßlein Georg Nüßlein präsentier­t sich auf Facebook bürgernah, wie hier in Holzheim.
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Screenshot: Facebook, Ekin Deligöz Grünen Kandidatin Ekin Deligöz teilt im Wahlkampf Werbevi deos ihrer Partei.
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Georg Nüßlein
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K. Heinz Brunner
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Ekin Deligöz
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G. Großkurth

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