Post will seltener zustellen
Das Unternehmen beliefert manche Kunden nur noch an ausgewählten Tagen. Das sorgt für Proteste
Die Deutsche Post experimentiert mit neuen Formen der Briefzustellung: Einige Kunden erhalten seit ein paar Wochen nicht mehr an jedem Werktag ihre Post. Anfang Juli startete das Unternehmen unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Pilotprojekt: Ausgewählte Kunden können entscheiden, ob sie Briefe als Sammelzustellung an einem Wochentag, an drei Wochentagen oder an fünf Tagen, dann aber an den Arbeitsplatz, geliefert bekommen.
Schon vor einem Jahr war das Unternehmen wegen angeblicher Pläne, die Montagszustellung zu streichen, in die Schlagzeilen geraten. Das hatte der Bonner Konzern damals dementiert. Die Post möchte mit ihrem Pilotprojekt herausfinden, ob die drei neuen Varianten der Zustellung bei den Postkunden auf fruchtbaren Boden fallen. Dazu hätten zunächst 18 geschulte Briefträger in den vergangenen Wochen Kunden unter anderem in Nordrhein-Westfalen und Hessen angeworben, die bereit seien, in einer Testphase auf eine tägliche Zustellung zu verzichten und eine andere Form zu wählen, sagte ein Postsprecher. Ausgeschlossen sind Einschreiben, der Versand von Dokumenten oder auch Eilbriefe, die sofort ausgetragen werden.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi reagierte empört. Sie befürchtet, dass sich die Deutsche Post aus dem gesetzlichen Auftrag der flächendeckenden Grundversorgung Schritt für Schritt verabschieden wolle. „Bei uns brennt die Hütte“, zitierte die Zeitung
die Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis. Sollte die Briefzustellung künftig seltener werden, könnten auch zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen. Der Briefmarkt in Deutschland sei ausgesprochen stabil.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass eine geringere Zustellfrequenz und damit längere Laufzeiten postalische Dienstleistungen unattraktiv machten. Kritik hagelte es am Sonntag vom Branchenverband Paket & Expresslogistik (BIEK): „Die Strategie der Deutschen Post, immer weniger Leistung für immer mehr Geld zu erbringen, geht zu Lasten der Verbraucher“, sagte Verbandschef Florian Gerster auf Anfrage. Es könne nicht sein, dass die Post aus Vorteilen ihres Universaldienstauftrags mit der Mehrwertsteuerbefreiung profitiere, gleichzeitig aber die verbundene Verpflichtung zur Zustellung an sechs Werktagen nicht erfülle.
Hintergrund des Post-Tests ist das seit Jahren schrumpfende Briefgeschäft. Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft, E-Mail und Facebook verdrängen den traditionellen Brief. Im Geschäftsjahr 2006 wurden noch im Schnitt 70 Millionen Briefe pro Werktag zugestellt, zehn Jahre später waren es noch 59 Millionen.
Noch keine zwei Jahre ist es her, da erhöhte die Post zuletzt das Porto für den Standardbrief – zum vierten Mal in Folge. Und erst vor kurzem forderte Post-Chef Frank Appel in einem Interview eine weitere Preissteigerung.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Post über ihr Geschäftsmodell nachdenkt. Denn immer weniger Menschen verschicken Briefe. Sogar viele Rechnungen kommen inzwischen per E-Mail. Das Porto zu erhöhen, ist da eine Möglichkeit, um Mitarbeiter zu bezahlen und Geld zu verdienen. Zumal es in Deutschland sogar weniger kostet, Briefe zu versenden als im europäischen Durchschnitt. Nicht mehr sechs Tage in der Woche alle Haushalte zu beliefern, ist eine zweite Option. Und zumindest für die Kunden wäre das auch nicht weiter schlimm. Wer bekommt privat schon täglich Post? Beides zusammen, also die Preise anziehen und gleichzeitig seltener liefern, geht aber nicht. Wenn der Service abnimmt, dürfen die Preise nicht steigen.