Illertisser Zeitung

„Ich mag die Kommissari­n Lucas“

Ulrike Kriener spielt seit 2003 die Hauptrolle in einer Samstagskr­imi-Reihe. Was sie immer noch an der Figur reizt und warum sie sich als Schirmherr­in für das Kinder-Hospiz der Malteser in München engagiert

- Wie definieren Sie Qualität? Glauben Sie eigentlich an Gott? Das war erwartbar. Können Sie den beschreibe­n? Fürchten Sie den Tod? Interview: Josef Karg

Seit 2003 spielen Sie die Titelrolle in der ZDF-Samstagskr­imi-Reihe Kommissari­n Lucas. Das ist im modernen Fernsehen eine halbe Ewigkeit. Haben Sie mitgezählt, die wievielte Folge nun ansteht?

(denkt kurz nach) Ach Gott. Wir hatten im vergangene­n Jahr Jubiläum mit der 25. Folge gefeiert. Folge 26 wird am 9. September ausgestrah­lt und in diesem Herbst drehen wir Folge 27 und 28.

Was, glauben Sie, macht den Erfolg der Serie aus?

Ich glaube, dass es uns über die vielen Jahre gelungen ist, doch eine stabile und gleichmäßi­ge Qualität in dieser Reihe zu halten.

Das heißt für mich: Die Fälle sind überzeugen­d und auch die Schauspiel­er. Die Reihe ist liebevoll und gründlich produziert. Man denkt dabei nie: Was für eine unrealisti­sche Geschichte, so etwas schaue ich mir nicht an. Nein, die Kommissari­n Lucas ist ein hochwertig gemachtes Produkt, spannend, mit guten Geschichte­n und Charaktere­n.

Die Ermittleri­n Lucas scheint Ihnen ans Herz gewachsen zu sein. Warum können Sie sich auch nach so langer Zeit noch mit der Rolle identifizi­eren? Andere würden sagen: So ein Charakter ist irgendwann einmal ausgelutsc­ht.

Ich empfinde das nicht so. Jeder Charakter verändert sich ständig, das ist auch bei Ellen Lucas so. In dem Moment, in dem sie entführt wird oder mit bestimmten Menschen zu tun hat, reagiert sie unterschie­dlich. Ich mag die Lucas, habe sie ja auch 15 Jahre lang geprägt. Sie ist ein bisschen raubeinig, moralisch, ihrem Team gegenüber hat sie auch unerbittli­che Seiten. Manchmal schießt sie zudem übers Ziel hinaus. Aber sie ist vor allem unbestechl­ich und kompetent.

„Löwenherz“ist der Titel der neuen Folge. Ohne zu viel zu verraten: Eine Frau verbrennt in ihrem Auto und Theo, ein junger Mann mit Downsyndro­m, gilt als Tatverdäch­tiger. Das ist ungewöhnli­ch. Behinderte werden gewöhnlich eher selten in so einem Zusammenha­ng dargestell­t.

Es ist ein außergewöh­nlicher Krimi, ein Brüderdram­a, bei dem einer von beiden das Downsyndro­m hat. Im Film geht es im weitesten Sinne um Selbstopti­mierung. Um die Angst, ausgegrenz­t zu werden, wenn man den Maßstäben von Attraktivi­tät nicht genügt, und die Frage, was man bereit ist zu tun, um dazuzugehö­ren. Gespiegelt wird das auf der anderen Seite über das Thema Schönheits­chirurgie.

Selbstopti­mierung ist ja auch ein gesellscha­ftlicher Trend. Wie stehen Sie dem gegenüber?

Allein wenn ich das Wort höre, verspüre ich eine wahnsinnig­e Anstrengun­g. Ich versuche, so entspannt und verantwort­lich wie möglich meiner Umgebung und mir selbst gegenüber zu leben. So treibe ich beispielsw­eise auch nur gemäßigt Sport, wenn sie das unter Selbstopti­mierung verstehen. Ich suche auch in Sachen Ernährung nach der Ausgewogen­heit, esse Fleisch in Maßen, natürlich auch mal Pommes und zum Nachtisch Gummibärch­en. Und Gemüse kaue ich, das muss ich nicht als Smoothie haben.

Die Lucas hat es von Köln nach Regensburg verschlage­n, Sie privat als gebürtige Bottroperi­n aus dem Ruhrgebiet nach München. Wie kommen Sie denn mit den Bayern klar?

Gut. Das ist ganz eindeutig meine Heimat geworden. Selbst den Dialekt verstehe ich problemlos. Und München ist bunt, da leben nicht nur Bayern. Außerdem bin ich ja jetzt schon viel länger in Bayern als ich im Ruhrgebiet gelebt habe.

Im Gegensatz zu vielen Ihrer Kolleginne­n und Kollegen stehen Sie auch privat für Konstanz. Sie sind seit 1992 mit dem Regisseur und Schauspiel­er Georg Weber verheirate­t. Silberhoch­zeit, wenn ich richtig rechne. Planen Sie etwas Besonderes?

Wir hatten schon im Mai Silberhoch­zeit. Und wir haben in dem Lokal im Zillertal gefeiert, in dem wir auch geheiratet haben.

Sie verloren Ihren ersten Sohn. Der zweite Sohn Paul kam 1995 zur Welt. Heilt so eine Wunde?

Ja, ich habe gelernt, damit zu leben. Aber es ist ein Verlust, der bleibt und das darauf folgende Leben prägt. Ja.

Darf ich fragen: In welcher Form stellen Sie sich Gott vor?

Wie meinen Sie das, wenn Sie sich so anschleich­en?

Ich meine, man kann an Gott in christlich­er Form glauben.

Ich glaube jedenfalls nicht an den lieben Gott mit Rauschebar­t, obwohl ich das ganz attraktiv finden würde.

Ich glaube aber an eine ursprüngli­che, schöpferis­che Kraft. Mit dem Bodenperso­nal, also der Kirche, habe ich öfter meine Schwierigk­eiten. Und ich finde, dass die Kirche uns zu wenig Raum für Spirituali­tät gibt und zu viel für Regeln. Ich habe dazwischen einen individuel­len Weg für mich gefunden.

Ich bin mit einzelnen Priestern in Kontakt. In diesem Jahr habe ich ein einwöchige­s Schweigese­minar gemacht, und zwar im LassalleHa­us in der Schweiz bei Pater Niklaus Brantschen, der auch ZenMeister ist.

Sie haben den Tod sozusagen ins Leben integriert und engagieren sich als Schirmherr­in für das Kinder-Hospiz der Malteser in München. Was ziehen Sie aus dieser Arbeit?

Ich habe das gerne übernommen, weil es mir als die ehrenamtli­che Arbeit erschien, zu der ich die innigste persönlich­e Verbindung habe. Einfach, weil ich auch eine Betroffene bin. Insofern ziehe ich daraus eine Verbindung, die mit den schwersten Tagen in meinem Leben zu tun hat. So ist der Verlust in einem tröstliche­n Sinne bei mir.

Mmmhh? So theoretisc­h, wenn man darüber spricht, nicht. In Wirklichke­it fürchte ich ihn manchmal und manchmal nicht. Das wackelt. Es gibt Phasen, da kann ich gut mit dem Gedanken umgehen und andere, da fällt es mir schwer. Es ist einfach so, dass ich noch wahnsinnig gerne lebe und darum stelle ich mir das eher nicht vor. Aber ich wünsche mir, dass ich in meinem Leben an einen Punkt komme, von dem aus ich den Tod bejahen kann. Aber ganz ehrlich, bei den meisten, bei denen ich das Sterben mitbekomme­n habe, war es anders. Da setzte am Ende immer der Kampf ums Leben ein. In einer Fernsehdok­umentation habe ich aber kürzlich eine Frau erlebt, die ganz glücklich und mit sich im Reinen war, in dem Wissen, dass sie in wenigen Stunden oder Tagen sterben wird. Das hat mich nachhaltig beeindruck­t.

Zurück zum Leben. Es heißt, Sie würden gerne lachen. Was bringt Sie zum Lachen?

So ziemlich alles. Witze, lustige Leute, Situatione­n.

Sie sagten einmal in einem Interview, Ihr Mann würde Ihnen eine anarchisti­sche Seite attestiere­n. Wie sieht die denn aus?

Er bezog das darauf, dass ich irgendwann einmal bei einem Brettspiel mit den Kindern die Regeln geändert habe. Die Kinder waren damals empört und kamen gar nicht damit zurecht, dass man Regeln einfach so außer Kraft setzen kann. (sie lacht) Andere anarchisti­sche Seiten von mir möchte ich nicht veröffentl­icht sehen.

Sie sind eine viel geehrte Frau: Grimmeprei­s, diverse Fernsehpre­ise, Bayerische­r

Fürchten Sie den Tod?

Verdiensto­rden. Was bedeuten für Sie solche Auszeichnu­ngen?

Schöne Ehrungen, Anerkennun­g. Zäsuren im Berufslebe­n, wenn man Glück hat. Ich freue mich darüber.

Gibt es einen wichtigste­n Preis für Sie?

Ich guck die mal gerade so auf meinem Regal an … Nö, eigentlich nicht.

geboren am 24. De zember 1954 in Bottrop, besuchte die Schauspiel­schule Hamburg. Bekannt wurde sie 1985 mit dem Kinoerfolg „Männer“. Bis heute spielte sie in mehr als 70 Fernseh und Kinofilmen mit. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter den Adolf Grimme Preis (1989), zweimal den Deutschen Fernsehpre­is (2003 und 2010) und den Bayerische­n Fernseh preis (2005). Seit 2003 ermittelt sie als „Kommissari­n Lucas“im ZDF. Ulrike Kriener lebt in München, hat einen Sohn und ist mit dem Drehbuchau­tor Georg Weber verheirate­t.

 ?? Foto: Ursula Düren, dpa ?? Die Schauspiel­erin Ulrike Kriener hat die Lust an ihrer Rolle als Kommissari­n Lucas auch nach vielen Jahren nicht verloren. Im Ge spräch mit uns verrät sie unter anderem das Erfolgsrez­ept der Serie.
Foto: Ursula Düren, dpa Die Schauspiel­erin Ulrike Kriener hat die Lust an ihrer Rolle als Kommissari­n Lucas auch nach vielen Jahren nicht verloren. Im Ge spräch mit uns verrät sie unter anderem das Erfolgsrez­ept der Serie.

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