An Sonntagen wird bei ihr englisch gekocht
Caroline Kaltenegger zog vor 35 Jahren von England nach Babenhausen. Was sie an beiden Orten schätzt
Mit einem Umzug über Staatsgrenzen hinweg beginnt oft ein völlig neues Leben: Die Gründe, die Heimat zu verlassen, sind vielfältig, der Schritt ist meist gut überlegt. Doch es fällt schwer, das Gewohnte hinter sich zu lassen und in eine ungewisse Zukunft zu gehen. In unserer neuen Serie „Angekommen“stellen wir Menschen vor, die es trotzdem gewagt haben – und die in der Region eine neue Heimat gefunden haben. Hier geht es um ihre Geschichten, ihre Schicksale und Leidenswege.
Kaltenegger manchmal ganz schön in Verlegenheit. Denn als sie im Alter von 18 Jahren aus ihrer westlich von London gelegenen Heimatstadt Reading nach Babenhausen gezogen war, hat sie mit ihren neu gewonnenen Freunden vorwiegend im heimischen Dialekt gesprochen. 35 Jahre später ist sie glücklich verheiratet, Mutter von vier Kindern und fest im Fuggermarkt verwurzelt.
„Obwohl ich meine britische Staatsbürgerschaft behalten habe, fühle ich mich hier ganz zu Hause“, sagt die 52-Jährige, die die Liebe einst nach Deutschland geführt hat. Da ihr Vater früher regelmäßig an einer Speedway-Bahn für Motorradrennen in der Nähe von Reading gearbeitet hat und außerdem gut Deutsch sprach, habe er manchmal Gäste aus der Bundesrepublik mitgebracht, die ihre Autos oder Wohnmobile im Garten der Familie parkten. „Darunter war auch Hans, der damals als Mechaniker für einen Speedway-Fahrer nach England gekommen ist“, blickt Kaltenegger zurück. „Ich habe mich in ihn verliebt und als er wieder heimfuhr, habe ich ihn mit Einverständnis meiner Eltern in seine Heimat nach Babenhausen begleitet.“Ihre Mutter habe dem jungen Mann aus Deutschland allerdings zuvor ein Versprechen abge- Falls die Liebe irgendwann zerbrechen sollte, müsse er ihre Tochter unverzüglich in ein Flugzeug nach England setzen.
Die Beziehung ging nach drei Jahren zwar tatsächlich in die Brüche – doch die Engländerin blieb in Babenhausen. Caroline Kaltenegger zog in eine eigene kleine Wohnung und fühlte sich im Fuggermarkt angekommen. Sie hatte Freunde gefunden und arbeitete in einem örtlichen Metallverarbeitungsbetrieb. Trotzdem erinnert sie sich: „Während der ersten Jahre habe ich mich in meinem neuen Zuhause aber noch fremd gefühlt und manchmal an Heimweh gelitten.“
Im Alter von 27 Jahren machte sie den Führerschein und fünf Jahre später lernte sie ihren aus Kempten stammenden Mann Michael kennen, der damals in Klosterbeuren wohnte. „Als unser Sohn Steven unterwegs war, haben wir geheiratet“, sagt sie. 2001 seien die Zwillinge Lee-Ann und Kira geboren. Da ihre Wohnung für drei Kinder zu klein war, ist die Familie in ein Haus mit Garten umgezogen, ehe sie sich mit dem Bau einommen: nes Eigenheims an der Kirchhaslacher Straße einige Jahre später einen Traum erfüllte. Als Sohn Jaden im Jahr 2007 zur Welt kam, konnte auch er in einem idyllisch gelegenen Haus mit Garten aufwachsen.
Gesprochen wird in der Familie Kaltenegger vorwiegend Deutsch. Aber die vier Kinder sind auch in der englischen Sprache routiniert und gewandt. Mit Chester und Phoebe tragen natürlich auch die beiden Hunde der Familie britische Namen. Obwohl Caroline Kaltenegger die deutsche Küche sehr schätzt und oft Gerichte wie Spätzle oder Knödel kocht, kommt sonntags meistens ein englisches Gericht auf den Tisch, zum Beispiel Roastbeef mit Kartoffeln. Aber auch „Shepherd’s Pie“, ein Hackfleischauflauf mit Kartoffeln, gehöre zu den Lieblingsgerichten der Familie. Als ehemaliges Mitglied der Church of England hat die Britin ihre Kinder in der evangelischen Kirche Babenhausen taufen lassen. Dort engagiert sie sich seit einigen Jahren ehrenamtlich.
Obwohl sich Caroline Kaltenegger mittlerweile ganz wie eine Deutsche fühlt und von ihren Schwestern in England auch so bezeichnet wird, zieht es sie ein- bis zweimal im Jahr in ihre alte Heimat zurück. Dann packe sie ihren Rucksack und fliegt von Memmingerberg aus in nur wenigen Stunden nach England. „Im Vergleich zu den Deutschen haben meine Landsleute einen ganz anderen Humor“, stellt Kaltenegger fest. Auch seien Engländer viel geduldiger als Deutsche. Dem Brexit sieht Kaltenegger mit gemischten Gefühlen entgegen: „Ich bin sehr gespannt.“