Illertisser Zeitung

Ankara glaubt nicht an Ende der EU Beitrittsg­espräche

Die türkische Regierung gibt sich nach dem deutschen TV-Duell gelassen und feiert ihr Land als „europäisch­e Demokratie“

- VON SUSANNE GÜSTEN

Die türkische Regierung zeigt sich unbeeindru­ckt von der Ankündigun­g Deutschlan­ds, sich für ein Ende der EU-Beitrittsg­espräche einsetzen zu wollen. Europamini­ster Ömer Celik erklärte am Montag, das Problem liege nicht bei der Türkei, sondern bei Deutschlan­d und der EU. Celik betonte, sein Land werde seinen Weg als „europäisch­e Demokratie“weitergehe­n. Eine unmittelba­re Gefahr eines Abbruchs der türkischen EU-Verhandlun­gen sieht Ankara offenbar nicht. Vielmehr stuft Ankara die Drohung mit einem Stopp des Beitrittsp­rozesses als Wahlkampfp­arole ein. Gleichzeit­ig entließen die türkischen Behörden in Antalya eine festgenomm­ene Bundesbürg­erin aus der Polizeihaf­t.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihr Herausford­erer Martin Schulz hatten bei ihrem einzigen TV-Duell vor der Bundestags­wahl übereinsti­mmend für einen Abbruch der Türkei-Gespräche mit der EU plädiert. Die türkischen Reaktionen darauf fielen zwar scharf aus, gingen jedoch nicht über das seit Monaten übliche Maß der Rhetorik hinaus. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu sagte, er hoffe auf eine Umkehr in der deutschen Politik. Auch der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, betonte mit Blick auf die Bundestags­wahl am 24. September, er hoffe auf ein baldiges Ende der „problemati­schen Atmosphäre“im bilaterale­n Verhältnis.

Die Kritik der deutschen Politiker an der Türkei und an Erdogan zeige, wie sehr sich Europas Horizont immer weiter verenge, erklärte Kalin auf Twitter. Celik schrieb in dem Kurznachri­chtendiens­t, Deutschlan­d sehe die EU-Institutio­nen als Instrument­e der eigenen Politik und wolle der EU „Befehle“erteilen.

Merkel will im Oktober in der EU über einen Abbruch der Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei sprechen, der von allen EU-Staaten einstimmig beschlosse­n werden muss. Derzeit ist offen, ob die Einstimmig­keit erreichbar wäre. Einige EU-Mitglieder, wie etwa Griechenla­nd, wollen die Türkei mithilfe des Beitrittsp­rozesses möglichst eng an Europa anbinden. Dennoch könnte Merkels Äußerung bedeuten, dass ein Rubikon im türkischeu­ropäischen Verhältnis überschrit­ten sei, kommentier­te der amerikanis­che Türkei-Experte Howard Eissenstat auf Twitter. „Es gibt kein Zurück.“

In der Türkei kritisiert­e die regierungs­nahe Presse die Warnung Merkels vor einem Stopp der Beitrittsv­erhandlung­en als „Frechheit“. Deutsche Politiker wollten sich gegenseiti­g in Sachen TürkeiFein­dlichkeit überbieten, hieß es in den Zeitungen. Die Türkei sieht sich als Opfer eines rechtspopu­listischen Trends in ganz Europa und weist die Kritik am Abbau rechtsstaa­tlicher Errungensc­haften im Zuge der Verfolgung mutmaßlich­er Staatsfein­de seit dem Putschvers­uch vom Juli 2016 zurück. Europamini­ster Celik betonte, wenn es den Europäern mit den Sorgen um den türkischen Rechtsstaa­t ernst sei, dann hätte Brüssel längst, wie von der Türkei gefordert, die Gespräche über diesen Teil der Beitrittsv­erhandlung­en eröffnen können. Doch das sei nicht geschehen.

Erdogan hatte in den vergangene­n Monaten mehrmals betont, die Europäer sollten klipp und klar sagen, wenn sie die Gespräche mit der Türkei stoppen wollten. Kritiker des Präsidente­n vermuten, dass Erdogan die EU dazu bringen will, den

Ende des Beitrittsp­rozesses könnte Erdogan eher helfen

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