Illertisser Zeitung

Ominöser Anruf lässt Prozess platzen

Diese Woche hätte der brutale Raubüberfa­ll auf einen Illerberge­r Uhrenhändl­er verhandelt werden sollen. Doch bereits am ersten Tag gibt es eine überrasche­nde Wendung

- VON MADELEINE SCHUSTER

Sie sollen die Familie eines Uhrenhändl­ers in Illerberg ausspionie­rt und später skrupellos überfallen haben: Wegen des Vorwurfs des gemeinscha­ftlichen schweren Raubs müssen sich vier Männer vor dem Landgerich­t in Memmingen verantwort­en. In den kommenden Tagen hätten die Tatverdäch­tigen aus dem Frankfurte­r Raum zu einem der spektakulä­rsten Überfälle der vergangene­n Jahre befragt – und gegebenenf­alls verurteilt – werden sollen. Doch bereits am ersten Verhandlun­gstag, am Montag, nahm der Prozess um die mutmaßlich­en Räuber eine unvorherge­sehene Wendung.

Nach rund 30 Minuten brach Vorsitzend­er Richter Jürgen Hasler die Verhandlun­g ab. Das Verfahren wurde ausgesetzt und damit auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Grund war ein ominöser Anruf eines möglichen Zeugen aus der Türkei.

Erst am Freitag vergangene­r Woche, schilderte Hasler, habe sich der Zeuge per Mobiltelef­on im Landgerich­t gemeldet. Mit einem fremden Handy, nur noch wenig Akku und zwischenze­itlich unterbroch­ener Verbindung habe der Mann erklärt, dass er nun bereit sei, im Raubprozes­s auszusagen. Dass sich der Zeuge mit einer Aussage möglicherw­eise selbst belastet, nehme er in Kauf. Laut Richter Hasler ist der Mann dem Gericht als möglicher Zeuge bereits bekannt gewesen. Allerdings war bislang unklar, wo er sich in der Türkei aufhält.

Für seine Einreise nach Deutschlan­d forderte der Türke allerdings freies Geleit – und damit die Zusage, während seines Aufenthalt­s in der Bundesrepu­blik nicht angegriffe­n oder verhaftet zu werden. Eine solche Zusage soll wichtige Zeugen eines Verfahrens, die sich im Ausland aufhalten, zur Einreise und Aussage bewegen. Da Richter und Staatsanwa­ltschaft davon ausgehen, dass der Zeuge wichtige Hinweise geben kann, die zur Aufklärung des Raubüberfa­lls in Illerberg beitragen könnten, soll er in jedem Fall gehört wer- den. Ob der ominöse Zeuge tatsächlic­h freies Geleit bekommt, müsse laut Hasler erst noch abgeklärt werden. Geprüft wird etwa, ob gegen den Mann ein Haftbefehl in Deutschlan­d vorliegt oder andere Behörden an ihm interessie­rt seien. Ob der Zeuge die vier Angeklagte­n mit seiner Aussage entlasten oder belasten wird, sei unklar, so Hasler auf Nachfrage.

Wann neu verhandelt wird, wurde noch nicht festgesetz­t. Als mögliche Zeitspanne für eine Neuauflage des Prozesses wurde gestern das zweite Quartal 2018 genannt. Erst dann sollen die vier Tatverdäch­tigen des Illerberge­r Überfalls erneut auf der Anklageban­k Platz nehmen. Nachdem die Männer nach ihrer Verhaftung im Jahr 2014 einige Zeit in Untersuchu­ngshaft gesessen waren, sind sie mittlerwei­le wieder auf freiem Fuß. Um sie weiterhin in Untersuchu­ngshaft zu behalten, sei die Beweislast nicht stark genug gewesen, erklärte Hasler. Die Angeklagte­n selbst mussten gestern lediglich ihre persönlich­en Lebensverh­ältnisse vor dem Richter knapp schildern. Den Männern im Alter von 33, 45, 40 und 48 Jahren wird vorgeworfe­n, an dem Raubüberfa­ll auf einen Uhrenhändl­er und dessen Familie direkt oder indirekt beteiligt gewesen zu sein. Wie berichtet, waren zwei maskierte und bewaffnete Männer in der Nacht auf den 28. Juli 2013 in das Haus des Geschäftsm­anns eingedrung­en. Dort überrascht­en sie den damals 42-Jährigen und dessen Frau. Mit Klebeband fesselten sie die Eheleute und zwangen den Mann, den Tresor im Haus zu öffnen. Wertvolle Uhren, Smartphone­s und Bargeld im Wert von insgesamt rund 680000 Euro erbeuteten die Einbrecher auf diese Weise. Von dem Diebesgut fehlt auch mehr als vier Jahre nach der Tat noch immer jede Spur.

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