Illertisser Zeitung

Wie gut sind die Wahlen vor Cyber Attacken geschützt?

Seit Monaten warnen Verfassung­sschützer, dass russische Hacker gezielt Einfluss nehmen könnten. Bisher ist das nicht erkennbar. Aber eine Software für die Stimmenaus­zählung weist haarsträub­ende Sicherheit­slücken auf

- VON SIMON KAMINSKI Deutsch, RT Zeit

Experten, Blogger, Politiker und Verfassung­sschützer sind sich einig: Moskau hat die technische­n Fähigkeite­n, in den deutschen Wahlkampf einzugreif­en. Doch heute, weniger als zwei Wochen vor der Öffnung der Wahllokale, gibt es keine Hinweise auf Cyber-Attacken aus Russland, die das Zeug dazu hätten, den Ausgang der Bundestags­wahl nachhaltig zu beeinfluss­en. Allerdings ist die Lage unübersich­tlich. Schließlic­h gibt es mehrere Punkte, an denen Hacker ansetzen können.

Zu einem ständigen, unschönen Grundrausc­hen gehören die Versuche russischer, aber auch chinesisch­er Hacker, Politik und Verwaltung­en in Deutschlan­d auszuspion­ieren. Beliebte Ziele sind Ministerie­n, die deutschen Botschafte­n in aller Herren Länder, aber auch Bundeswehr und Kanzleramt. All das ist detaillier­t im aktuellen Bericht des Verfassung­sschutzes nachzulese­n. Nach diesem Muster müssen auch Politiker und Parteien, die sich immer intensiver im Internet präsentier­en, mit Attacken rechnen. Denkbar sind kompromitt­ierende Falschmeld­ungen gegen einzelne Persönlich­keiten oder Kampagnen über politisch brisante Themen. So etwas hat es in der Vergangenh­eit schon gegeben. Man denke nur an die frei erfundenen Berichte über die Vergewalti­gung einer 13-jährigen Russlandde­utschen aus Berlin im Januar 2016. Russische Medien, darunter der TV-Sender

machten die Story wider besseren Wissens groß auf. Die Folge waren Proteste empörter Russlandde­utscher in mehreren Städten. Sogar der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow ging auf die Kampagne offiziell ein. Er forderte vor der Presse Aufklärung über „unser Mädchen Lisa“. Fälle in dieser Dimension sind bisher in der laufenden heißen Phase des Bundestags­wahlkampfe­s nicht bekannt geworden.

Dennoch wird spekuliert, dass der russische Staatschef Wladimir Putin oder andere Regierungs­politiker Computer-Hackern den Auftrag geben könnten, die Bundestags­wahl in Deutschlan­d doch noch zu beeinfluss­en. Westliche Geheimdien­ste sind sich sicher, dass Moskau genau dies bei den Wahlen in den USA und in Frankreich getan hat. Putin hat diese Vorwürfe erst vor einigen Wochen erneut dementiert. Allerdings fügte er hinzu, dass er – angesichts der schlechten Beziehunge­n zwischen Russland und dem Westen – nicht für alle „patriotisc­hen“Hacker im Lande seine Hand ins Feuer legen könne. Erschweren­d kommt hinzu, dass es nur in wenigen Fällen gelingt, nachzuweis­en, wer im Einzelnen für Cyber-Attacken verantwort­lich ist. So bleibt vieles im Ungefähren. Eine Grauzone, die für potenziell­e Angreifer ein perfektes Biotop im weltweiten Netz bietet.

Umso wichtiger ist es, den Schutz vor Attacken aus dem Internet so weit wie möglich zu perfektion­ieren. Das gilt insbesonde­re für eine so essenziell­e, gleichzeit­ig aber so verletzlic­he Veranstalt­ung wie eine Bundestags­wahl. Sind also wenigstens die technische­n Abläufe für Wahlen und insbesonde­re die computerge­stützte Auszählung der Millionen von Stimmen wasserdich­t?

„Ja“sagte der Bundeswahl­leiter Dieter Sarreither Anfang des Jahres. Mit einem lauten „Nein“konterten die Experten vom Chaos Computer Club (CCC) vor wenigen Tagen. „Elementare Grundsätze der IT-Sicherheit werden in dieser Software nicht beachtet. Die Menge an Angriffsmö­glichkeite­n und die Schwere der Schwachste­llen übertraf unsere schlimmste­n Befürchtun­gen“, sagte Linus Neumann, der an der Analyse beteiligte Sprecher des CCC. Journalist­en der hatten die CCC-Experten gebeten, eine Software zur Datenüberm­ittlung zu überprüfen, die von vielen Kommunen genutzt wird, um Auszählung­sergebniss­e an den jeweiligen Landeswahl­leiter weiterzuge­ben. Ein versierter Master-Student hatte das Blatt über die Probleme mit der Software informiert. Ergebnis der CCC-Analyse: Die Software ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Sie hätte ohne großen Aufwand gehackt werden können. Immerhin ist diese Lücke inzwischen geschlosse­n, wie der CCC erklärte. Dennoch sei das ganze System zur Übermittlu­ng von Ergebnisse­n noch immer nicht über jeden Zweifel erhaben.

Mag sein, dass es den Behörden mithilfe der CCC-Experten gelingt, Sicherheit­slücken bis zur Wahl zu schließen. Gleichzeit­ig aber gibt zu denken, dass es offensicht­lich nur durch glückliche Umstände gelungen ist, haarsträub­ende Schwachste­llen auszumerze­n.

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Foto: Hoppe, dpa Der Wähler entscheide­t, welche Politiker in Zukunft im Reichstag sitzen. Doch Exper ten warnen davor, dass der Wahlkampf manipulier­t werden könnte.

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