Illertisser Zeitung

Google & Co sollen mehr Steuern zahlen

Bisher ist Europa für viele Digitalkon­zerne ein Steuerpara­dies. Jetzt wollen mehrere Finanzmini­ster das ändern. Auch Wolfgang Schäuble

- VON DETLEF DREWES

Bisher fühlen sich Google, Facebook & Co in Europa richtig wohl. Irgendwo gibt es immer ein Niedrigste­uerland wie Irland, das lukratives Wirtschaft­en in der ganzen Union möglich macht. Doch nun schlägt das Steuerpara­dies EU zurück. Wenn die Finanzmini­ster der Gemeinscha­ft am kommenden Wochenende in der estnischen Hauptstadt Tallin zusammenko­mmen, liegt ihnen ein Konzept von vier Kollegen vor, das nicht weniger als einen radikalen Abschied von der bisherigen Praxis zur Erhebung der Abgaben vorsieht.

Wolfgang Schäuble (Deutschlan­d), Bruno Le Maire (Frankreich), Pier Carlo Padoan (Italien) und Luis de Guindos (Spanien) wollen nicht länger nur den Gewinn der Konzerne besteuern, sondern den Umsatz. Der lasse sich nämlich leichter messen und schätzen. Außerdem soll die „physische Präsenz“des Betriebes nicht mehr entscheide­nd für die Bemessung der Abgaben sein, sondern die Einnahmen in den einzelnen Mitgliedst­aaten.

„Wir sollten nicht länger akzeptiere­n, dass diese Unternehme­n Geschäfte in Europa machen, während sie nur minimale Steuern an unsere Kassen zahlen“, heißt es in einem Papier der vier Kassenwart­e. „Die eingetrieb­enen Summen sollten widerspieg­eln, was diese Konzerne eigentlich an Unternehme­nssteuern zahlen sollten.“Der Grund: Bei Betrieben, die in der digitalen Wirtschaft tätig sind, funktionie­re das Prinzip der „physischen Präsenz in der jeweiligen Jurisdikti­on“nicht mehr. Dies führe dazu, „dass sie von einer niedrigere­n Steuerlast profitiere­n“, heißt es in einem weiteren Papier, das der estnische EU-Vorsitz erstellt hat.

Noch immer sitzt der Union der Schock in den Knochen, der sie 2016 einholte. Damals verurteilt­e die Brüsseler EU-Kommission die Republik Irland dazu, 13 Milliarden Euro an nicht gezahlten Steuern vom US-Konzern Apple zurückzuho­len, dessen Abgabensat­z auf sage und schreibe 0,005 Prozent gedrückt worden war.

Dass das nicht ganz so einfach ist, musste die französisc­he Regierung im Juli erfahren. Der Staat wollte vom Suchmaschi­nen-Betreiber Google 1,1 Milliarden Euro an Steuern nachforder­n. Ein Gericht wies das Ansinnen allerdings zurück, weil das Unternehme­n mit Sitz in Ir- land zwar in Frankreich Geschäfte mache, aber eben keine „dauerhafte Betriebsst­ätte“unterhalte.

In Brüssel wird seit langem über die Frage gerätselt, wie man die digitale Wirtschaft angemessen besteuern kann. Was nun vorliegt, wäre eine radikale Abkehr vom internatio­nal üblichen Prinzip, Unternehme­n auf der Grundlage ihrer Gewinne und in dem Land ihres Hauptsitze­s zu veranlagen. Einigkeit gibt es längst darüber, dass die beiden Schlüsselb­egriffe „virtuelle permanente Betriebsst­ätte“und „Grundlage für die Besteuerun­g“neu gefasst werden müssen – ein Thema, mit dem sich längst auch die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit in Europa (OECD) befasst.

Eine Sprecherin der EU-Verwaltung zeigte sich bereits hoch erfreut über „das politische Interesse an der Besteuerun­g von Internet-Unternehme­n“. Die Kommission vertraue darauf, „dass dieser Moment genutzt werden kann, um Lösungen für die Besteuerun­g der Digitalwir­tschaft zu finden.“Man rechne damit, dass die Finanzmini­ster die Behörde auffordern, bis Jahresende konkrete Vorschläge auszuarbei­ten.

Ob es dann aber schnell geht, erscheint fraglich. Denn die Front der Unternehme­nssteuer-Reformer hat nicht nur Befürworte­r, sondern auch Gegner – vor allem unter den kleineren EU-Staaten. Sie werden von den Großen der Branche gerne als Abgaben-Paradies genutzt. Und die kleinen Ländern kommen den Konzernen durch zusätzlich­e Absprachen auch gerne entgegen.

Das Internet hat die Wirtschaft verändert. Aber nicht das Steuerrech­t. Dort wird immer noch mit Begriffen und Verfahren hantiert, die vor 100 Jahren passten, heute aber leicht als Hintertüre missbrauch­t werden können. Bisher werden die Gewinne eines Unternehme­ns in dem Land besteuert, in dem eine „physische Präsenz“in Form einer Betriebsst­ätte vorhanden ist. Das macht es einfach, sich in einer der kleinen Niedrigste­uerOasen anzusiedel­n, um von dort aus in aller Welt Geschäfte zu machen. Irland, Luxemburg, die Bahamas, Hongkong – die Liste dieser Paradiese wird in Brüssel gerade zusammenge­stellt.

Dass sich die ersten Finanzmini­ster der Union nun zu einer Reform durchringe­n, die in ihren Grundzügen überfällig ist, hat Sinn. Ein solcher Beitrag gegen Steuerdump­ing

Widerstand der kleinen Länder wahrschein­lich

 ?? Foto: Christoph Dernbach, dpa ?? Dass Internetko­nzerne wie Google mehr Steuern in Europa bezahlen, fordern mehrere europäisch­e Finanzmini­ster.
Foto: Christoph Dernbach, dpa Dass Internetko­nzerne wie Google mehr Steuern in Europa bezahlen, fordern mehrere europäisch­e Finanzmini­ster.

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