Tanzplatz Flugplatz
Berlins Volksbühne startet in Tempelhof
Der Startschuss für die neue Ära ist gefallen. Nach Monaten des erbitterten „Kulturkampfes“um die alte Berliner Volksbühne und ihren neuen Intendanten Chris Dercon wurde am Sonntag tatsächlich der erste Schritt in die Zukunft gemacht. Zum Auftakt seiner ersten Spielzeit lud der Nachfolger von Frank Castorf zum kollektiven Tanzerlebnis ein. Die Volksbühne mischte sich unters Volk, für das sie spielen will. Schauplatz von „Fous de danse – Verrückt nach Tanz“war nämlich nicht das Stammhaus des Theaters am Rosa-LuxemburgPlatz, sondern der stillgelegte Flughafen Tempelhof. Dort traten rund 200 Tänzer auf, die bei zahlreichen Aufführungen auch das Publikum zum Mitmachen einluden.
Die zehnstündige Nonstop-Performance wurde von dem französischen Choreografen Boris Charmatz geleitet. Und Kinder und Senioren, Tanzprofis und Laien machten bei dem Open-Air-Spektakel bei freiem Eintritt begeistert mit. Rund 15 000 Besucher zog der Neustart nach Volksbühnen-Angaben über den Tag und den Abend verteilt an. Beim „Verrückt nach Tanz“-Programm ging es am Mittag erst mal mit einem „Public Warm-Up“los – Aufwärmübungen, die Choreograf Charmatz gemeinsam mit dem Publikum absolvierte. Es gab aber auch hochkarätigen Modern Dance, unter anderem von Tanzstar Anne Teresa De Keersmaeker, zu sehen. Die teils ohne Musik getanzten Performances verfolgten die Zuschauer auf dem Flugfeld mit viel Interesse.
Nun folgen erst einmal zwei weitere Tanz-Premieren von Boris Charmatz, bevor sich am 30. September im Hangar 5 in Tempelhof der Vorhang zur ersten Sprechtheater-Premiere hebt – die Syrer Mohammad al Attar und Omar Abusaada inszenieren „Iphigenie“nach Euripides mit Flüchtlingsfrauen. Erst im November zieht das neue Volksbühnen-Team dann zurück an den Rosa-Luxemburg-Platz ins eigentliche Theater. Und auch erst dann lässt sich wohl beurteilen, wohin Dercon und sein Team die neue Volksbühne steuern – und inwieweit ihr Weg auf Wohlwollen beim Publikum stößt.