Illertisser Zeitung

Abgas Skandal: Immer mehr Autokäufer ziehen vor Gericht

Die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Affäre um Manipulati­onen an Motoren findet auch in der Region statt. Beim Landgerich­t Memmingen laufen mehrere Prozesse. Tendenz: steigend

- VON JENS CARSTEN

Der ungleiche Kampf des kleinen David gegen den Riesen Goliath: An diese Geschichte aus der Bibel musste der Illertisse­r Anwalt Dr. Detlef Kröger kürzlich bei einem Zivilproze­ss im Landgerich­t Memmingen denken. Bei der Verhandlun­g saßen sich gegenüber: Kröger und sein Mandant auf der Klägerseit­e – und auf der anderen vier Anwälte in Diensten eines Automobilh­erstellers. Der Grund des Aufeinande­rtreffens: der sogenannte Abgasskand­al um manipulier­te Motoren und dessen wirtschaft­liche Folgen für den Autokäufer.

So wie viele Leidensgen­ossen bundesweit sieht er den Wert seines Wagens durch die geschönten Abgaswerte schwinden. Deshalb soll das Fahrzeug zurück zum Händler, der Kaufpreis (oder zumindest ein Zeitwert) ausbezahlt werden. Forderunge­n wie diese werden aktuell in Deutschlan­d zu Hunderten formuliert. Am Landgerich­t in Memmingen – es ist für Streitwert­e ab 5000 Euro zuständig – gibt es bislang zehn solcher Fälle. „Es werden wohl noch mehr werden“, sagt Pressespre­cher Ivo Holzinger auf Anfrage. Denn Sammelklag­en wie in den USA gibt es hierzuland­e in dieser Form nicht – mehrere Anwälte haben sich in das Thema eingearbei­tet und gehen im Auftrag der Kunden gegen Hersteller wie VW, Skoda und andere vor.

„Da geht es um menschlich­e Schicksale“, sagt Wirtschaft­sanwalt Kröger. Viele Käufer hätten über Jahre für einen Neuwagen gespart. „Und jetzt fallen die Preise von Dieselfahr­zeugen wie Backsteine.“Im Hintergrun­d stehen die Diskussion­en über Fahrverbot­e in Innenstädt­en. Würden diese erlassen, hätte das für viele Autobesitz­er bittere Folgen: „Ihre Wagen können eigentlich nur noch ins Ausland verkauft werden.“Deshalb forderten die betroffene­n Käufer nun die „Rückabwick­lung“. Das bedeutet: Sie geben den gekauften Wagen ab und erhalten ihr Geld zurück, abzüglich einer finanziell­en Entschädig­ung für die bereits gefahrenen Kilometer. Eine rechtliche Grundlage für solche Ansprüche gibt es nach Krögers Einschätzu­ng durchaus, zum Beispiel wegen „Täuschung“(Paragraf 123 im Bürgerlich­en Gesetzbuch). Oder nach dem Vertragsre­cht: Ein Wagen mit anderen Abgaswerte­n als den beworbenen habe eben keinen vertragsge­mäßen Zu- so Kröger. Zudem komme das Strafrecht in Betracht, Stichwort: Betrug. Auch daraus könnten Käufer Ansprüche ableiten. Ob der Tatbestand erfüllt ist, sei unklar: Aktuell ermittle die Staatsanwa­ltschaft in Braunschwe­ig in dieser Sache.

Juristisch betrachtet ist der Abgasskand­al wohl keine leichte Materie: Die Kläger stützten ihre Argumentat­ionen „auf alles Mögliche“, sagt Gerichtssp­recher Holzinger, der als Richter selbst mit solchen Verfahren betraut ist. Viele Kläger versuchten, einen Mangel an den Fahrzeugen nachzuweis­en. Besser gesagt: einen sogenannte­n erhebliche­n Mangel. Davon sei auszugehen, wenn der finanziell­e Schaden höher liege als fünf Prozent des Kaufpreise­s. Dann könne der Kunde vom Kauf zurücktret­en, so Holzinger. Ein Beispiel: Hat ein Käufer 50 000 Euro für sein Auto hingeblätt­ert, liege der kritische Wert bei 2500 Euro. Dann müsse die Frage gestellt werden, wie teuer eine Bestand, hebung des Mangels sei, zum Beispiel durch eine Nachrüstun­g der sogenannte­n „Schummelso­ftware“. Holzinger: „Wenn jemand mit seinem Auto nur kurz in die Werkstatt muss, liegen die Kosten wohl darunter.“Dann fällt eine Rückgabe wegen Mangels wohl aus. Doch es könnte weitere Gründe geben.

Mit Spannung werde das Vorgehen des Kraftfahrt­bundesamts beobachtet, sagt Richter Holzinger. Sollten Fahrzeuge wegen des Dieselskan­dals ihre Betriebszu­lassung verlieren, könnte die juristisch­e Debatte eine weitere Facette erhalten.

Aus Sicht von Klägervert­reter Kröger ist nun die Politik gefordert, Druck auf die Konzerne auszuüben. Denn was Rücknahmen der betroffene­n Wagen angeht, stellten sich diese quer. Diese Erfahrung hat der Illertisse­r Jurist zumindest kürzlich im Gerichtssa­al in Memmingen gemacht. Die Anwälte der Gegenseite seien nicht kompromiss­bereit gewesen und mit einer „Verzögerun­gstaktik“angetreten. Sie hätten Dutzende Seiten umfassende Schriftsät­ze vorgelegt, Aufschuban­träge gestellt und unter anderem die Zuständigk­eit des Gerichts infrage gestellt. Ein Urteil gab es nicht, ein neuer Termin musste angesetzt werden. „Der Ausgang ist offen“, sagt Kröger, der sich über das Verhalten der Hersteller ärgert. „Ich halte das für arrogant.“

Wer tagelang Topjuriste­n beschäftig­e, die für ihre Tätigkeit mutmaßlich Stundensät­ze von einigen Hundert Euro abrechnete­n, hätte auch gleich den Autokäufer entschädig­en können, glaubt der Klägervert­reter. Ihm täten die Händler leid, die eine „SandwichPo­sition“zwischen verärgerte­n Kunden und sturen Hersteller­n einnähmen. „Sie können nichts dafür, aber sie sind die Gelackmeie­rten.“Denn freilich seien auch die Verkäufer von den Klagen betroffen.

Das Ziel der Autoherste­ller vor Gericht ist nach Krögers Meinung klar: die Verfahren bis zum Jahresende hinauszöge­rn. Dann liefen nämlich in vielen Fällen die Klagefrist­en ab. Dabei stehe eine höchstrich­terliche Rechtsprec­hung noch aus. Betroffene Kunden sollten jetzt handeln, sagt Kröger. Sein Rat: „Wer eine Rechtsschu­tzversiche­rung hat, sollte klagen.“

Ach, wenn doch nur schon Frühling wär. Ja, ja, ich weiß, der Herbst hat gerade erst angefangen und dann kommt noch der Winter – beides Jahreszeit­en, die ja durchaus auch ihren Reiz haben – und trotzdem kann ich’s kaum erwarten. Schuld sind die Discounter, die mich mit ihren Schnäppche­n mal wieder drangekrie­gt haben. Tütenweise habe ich Blumenzwie­beln gekauft. Denn ein paar Ecken im Garten sind – wie der vergangene Frühling zeigte – noch unbezwiebe­lt.

Nur zu dumm, dass ich es damals wieder einmal versäumt habe, das Ganze zu fotografie­ren. Dann wäre ich, als ich am Wochenende emsiger als jedes Eichhörnch­en im Wettlauf mit den Regenwolke­n Löcher buddelte, vermutlich nicht permanent auf bereits bewurzelte Blumenzwie­beln gestoßen und hätte vielleicht sogar zuordnen können, ob sie nur noch Blätter treiben und ersetzt werden sollten.

Aber sei’s drum. Schnell ein neues Loch gebuddelt, Zwiebeln rein, fertig. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon Tulpen, Narzissen, Krokusse und Zierlauch in all ihrer Pracht. Ach, wenn doch nur schon Frühling wär.

Ein Urteil steht noch aus, das Ergebnis ist ungewiss

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Foto: Marcus Merk Viele Autos mit Dieselmoto­ren halten nicht das, was die Hersteller verspreche­n: Be troffene Kunden ziehen deshalb vor Gericht, auch in der Region.

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