Illertisser Zeitung

Die zwei Seiten des Stadtcente­rs

Das Einkaufsze­ntrum sollte einst Mittelpunk­t Vöhringens werden. Ein Teil der Geschäfte wurde mittlerwei­le allerdings zu Wohnungen umgebaut. Warum Bürgermeis­ter und Händler dennoch an dessen Zukunft glauben

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Wer das Stadtcente­r in Vöhringen von der Westseite betritt, glaubt sich in einem reinen Wohngebiet zu befinden. Der Platz mit begrüntem Rondell ist leer, zwei Fahrräder lehnen einsam an einem Radständer, Fenster und Balkone muten an den schlichten Fassaden nahezu einförmig an. Das alles wirkt ein bisschen wie ausgestorb­en. Doch dieser Eindruck täuscht.

Nur wenige Schritte entfernt parken Autos dicht an dicht, rangieren hinein und hinaus, die Geschäfte sind belebt. Das Stadtcente­r, als Ganzes vor rund 35 Jahren entstanden, besteht mittlerwei­le aus zwei Teilen: Bürger können dort wohnen – und haben gleichzeit­ig kurze Wege zum Einzelhand­el. Es gibt eine ganze Anzahl von Geschäften, vom Fotostudio über ein Einrichtun­gshaus mit Wohnaccess­oires bis hin zum Reisebüro und zur Bank. Sie alle sind dem Center treu geblieben. Und das aus gutem Grund.

Das Stadtcente­r sollte einst zum Mittelpunk­t der Kommune werden – ausgestatt­et mit Geschäften, einladend zum Flanieren, ein idealer Platz für Festivität­en. Mit Supermärkt­en, die allerdings wechselten, gab es immer einen Nahversorg­er. Zum Schluss war der Handelskon­zern Rewe dort vertreten. Doch als dieser neue Pläne entwickelt­e, sich an anderer Stelle niederzula­ssen – nur fünf Gehminuten vom alten Platz entfernt – da bröckelte die Phalanx der Geschäftsl­eute. Wenn Rewe geht, dann sei das Stadtcente­r tot, hieß es. Mancher Ladenbesit­zer zog deshalb die Reißleine, verlagerte sein Geschäft oder gab ganz auf. So langsam reduzierte sich die Zahl der Läden, die Apotheke machte dicht, eine elegante Parfümerie schloss, manche Lokalität wechselte häufig den Besitzer. Es schien so, als würde das Stadtcente­r ausbluten.

Der Besitzer der Immobilien, Andreas Kast, nahm das jedoch gelassen. Schon vor Jahren hatte er die Idee, Wohnungen in den verlassene­n Geschäften einzuricht­en. Er hatte das richtige Gespür, denn stadtnahes Wohnen ist gefragt wie nie, kurze Weg erwünscht. Wohnraum entstand, sogar ebenerdig. Wer aus der Haustüre tritt, steht mitten im Stadtcente­r.

Dass sich das Einkaufsze­ntrum gegen weitere Konkurrenz in der Region behaupten kann, glaubt auch Bürgermeis­ter Karl Janson. Befürchtun­gen, dass etwa das derzeit im Umbau befindlich­e Iller- Center in Senden, das es seit gut 40 Jahren gibt, Konkurrenz darstellt, teilt der Bürgermeis­ter nicht. „Das Iller-Center in Senden dürfte auch nach der Umgestaltu­ng nach meiner Einschätzu­ng keine erhebliche­n Auswirkung­en auf die Einzelhand­elssituati­on in der Stadt Vöhringen haben, auch nicht im Hinblick auf das Stadtcente­r.“

Eine weitaus größere Herausford­erung sieht Janson für den Einzelhand­el im großen Online-Boom. Der Kauf im Internet sei für viele Verbrauche­r schon eine Selbstvers­tändlichke­it. „Das setzt die Innenstädt­e als traditione­lle Handelssta­ndorte unter Druck.“Seit Jahren nage der Online-Handel am Umsatz vieler Einzelhand­elsgeschäf­te. „Aber ohne den Einzelhand­el gibt es keine attraktive Innenstadt.“

Die Kommune, so Janson, verfolge seit mehr als 15 Jahren das Ziel, die Attraktivi­tät der Innenstadt als Lebens-, Wirtschaft­s-, Kultur- und Wohnstando­rt zu verbessern. Denn eine lebendige Innenstadt sei ein wichtiger Standortfa­ktor. Deshalb wurden Vöhlinstra­ße, Memminger Straße, Ulmer Straße und Bahnhofstr­aße umgestalte­t. „Oberstes Ziel war und ist, den Stadtkern als Versorgung­szentrum zu sichern und weiter zu entwickeln.“Vöhringen sei eine Stadt der kurzen Wege, diesen Vorteil gelte es zu nutzen.

Das Vöhringer Stadtcente­r habe noch eine Reihe von Einzelhand­elsgeschäf­ten, die sich gut zu behaupten wissen. Das bestätigt auch Brigitte Danger, Besitzerin eines Geschäftes für Wohnzubehö­r und selten zu findende Details, um antike Möbel stilgerech­t wieder ansehnlich zu machen. Ihre Kundschaft kommt nicht nur aus Vöhringen, sondern vielfach auch von auswärts. „Die Kunden schätzen die Parkplätze in der Nähe unserer Geschäfte.“Es gebe Ladeneigen­tümer, die dem Stadtcente­r die Treue hielten. „Das Stadtcente­r ist nicht tot, sondern sehr lebendig“, betont Danger und verweist dabei auf Reisebüro, Fotostudio, City-Papeterie, kleinen Friseurlad­en, Bäckerei, Blumenwerk­statt, Banken, Versicheru­ngsbüros, Arztpraxen mit Brillensho­p und andere. „Gerade die Arztpraxen bringen Wechselkun­dschaft“, sagt Danger.

Was allerdings manchen Kunden, der sein Auto im Stadtcente­r parkt, verwirrt, seien die verschiede­n Parkzeiten. „Die Bewohner dürfen kostenfrei parken, die VR-Bank hat ein Ein-Stunden-Limit und sonst gilt die Regelung von zwei Stunden, gekennzeic­hnet mit Parkscheib­e.“

Bürgermeis­ter Janson sieht zuversicht­lich in die Zukunft. Im kommenden Jahr stehe die Neugestalt­ung der Verkehrsfl­ächen an und werde in Abstimmung mit den dortigen Grundstück­seigentüme­rn durchgefüh­rt. „Das wird zur Steigerung der Attraktivi­tät des Stadtcente­rs beitragen“, ist sich Janson sicher.

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Das ist das andere Gesicht des Stadtcente­rs: Es macht den Eindruck eines reinen Wohnbereic­hs. Die dort ehemals etablierte­n Ge
 ?? Fotos: Ursula Katharina Balken ?? Im Stadtcente­r in Vöhringen hat sich eine Reihe von Einzelhand­elsgeschäf­ten gehalten, die von der Kundschaft gut angenommen werden. Das liegt auch an den Parkplätze­n vor der Tür.
Fotos: Ursula Katharina Balken Im Stadtcente­r in Vöhringen hat sich eine Reihe von Einzelhand­elsgeschäf­ten gehalten, die von der Kundschaft gut angenommen werden. Das liegt auch an den Parkplätze­n vor der Tür.

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