Die zwei Seiten des Stadtcenters
Das Einkaufszentrum sollte einst Mittelpunkt Vöhringens werden. Ein Teil der Geschäfte wurde mittlerweile allerdings zu Wohnungen umgebaut. Warum Bürgermeister und Händler dennoch an dessen Zukunft glauben
Wer das Stadtcenter in Vöhringen von der Westseite betritt, glaubt sich in einem reinen Wohngebiet zu befinden. Der Platz mit begrüntem Rondell ist leer, zwei Fahrräder lehnen einsam an einem Radständer, Fenster und Balkone muten an den schlichten Fassaden nahezu einförmig an. Das alles wirkt ein bisschen wie ausgestorben. Doch dieser Eindruck täuscht.
Nur wenige Schritte entfernt parken Autos dicht an dicht, rangieren hinein und hinaus, die Geschäfte sind belebt. Das Stadtcenter, als Ganzes vor rund 35 Jahren entstanden, besteht mittlerweile aus zwei Teilen: Bürger können dort wohnen – und haben gleichzeitig kurze Wege zum Einzelhandel. Es gibt eine ganze Anzahl von Geschäften, vom Fotostudio über ein Einrichtungshaus mit Wohnaccessoires bis hin zum Reisebüro und zur Bank. Sie alle sind dem Center treu geblieben. Und das aus gutem Grund.
Das Stadtcenter sollte einst zum Mittelpunkt der Kommune werden – ausgestattet mit Geschäften, einladend zum Flanieren, ein idealer Platz für Festivitäten. Mit Supermärkten, die allerdings wechselten, gab es immer einen Nahversorger. Zum Schluss war der Handelskonzern Rewe dort vertreten. Doch als dieser neue Pläne entwickelte, sich an anderer Stelle niederzulassen – nur fünf Gehminuten vom alten Platz entfernt – da bröckelte die Phalanx der Geschäftsleute. Wenn Rewe geht, dann sei das Stadtcenter tot, hieß es. Mancher Ladenbesitzer zog deshalb die Reißleine, verlagerte sein Geschäft oder gab ganz auf. So langsam reduzierte sich die Zahl der Läden, die Apotheke machte dicht, eine elegante Parfümerie schloss, manche Lokalität wechselte häufig den Besitzer. Es schien so, als würde das Stadtcenter ausbluten.
Der Besitzer der Immobilien, Andreas Kast, nahm das jedoch gelassen. Schon vor Jahren hatte er die Idee, Wohnungen in den verlassenen Geschäften einzurichten. Er hatte das richtige Gespür, denn stadtnahes Wohnen ist gefragt wie nie, kurze Weg erwünscht. Wohnraum entstand, sogar ebenerdig. Wer aus der Haustüre tritt, steht mitten im Stadtcenter.
Dass sich das Einkaufszentrum gegen weitere Konkurrenz in der Region behaupten kann, glaubt auch Bürgermeister Karl Janson. Befürchtungen, dass etwa das derzeit im Umbau befindliche Iller- Center in Senden, das es seit gut 40 Jahren gibt, Konkurrenz darstellt, teilt der Bürgermeister nicht. „Das Iller-Center in Senden dürfte auch nach der Umgestaltung nach meiner Einschätzung keine erheblichen Auswirkungen auf die Einzelhandelssituation in der Stadt Vöhringen haben, auch nicht im Hinblick auf das Stadtcenter.“
Eine weitaus größere Herausforderung sieht Janson für den Einzelhandel im großen Online-Boom. Der Kauf im Internet sei für viele Verbraucher schon eine Selbstverständlichkeit. „Das setzt die Innenstädte als traditionelle Handelsstandorte unter Druck.“Seit Jahren nage der Online-Handel am Umsatz vieler Einzelhandelsgeschäfte. „Aber ohne den Einzelhandel gibt es keine attraktive Innenstadt.“
Die Kommune, so Janson, verfolge seit mehr als 15 Jahren das Ziel, die Attraktivität der Innenstadt als Lebens-, Wirtschafts-, Kultur- und Wohnstandort zu verbessern. Denn eine lebendige Innenstadt sei ein wichtiger Standortfaktor. Deshalb wurden Vöhlinstraße, Memminger Straße, Ulmer Straße und Bahnhofstraße umgestaltet. „Oberstes Ziel war und ist, den Stadtkern als Versorgungszentrum zu sichern und weiter zu entwickeln.“Vöhringen sei eine Stadt der kurzen Wege, diesen Vorteil gelte es zu nutzen.
Das Vöhringer Stadtcenter habe noch eine Reihe von Einzelhandelsgeschäften, die sich gut zu behaupten wissen. Das bestätigt auch Brigitte Danger, Besitzerin eines Geschäftes für Wohnzubehör und selten zu findende Details, um antike Möbel stilgerecht wieder ansehnlich zu machen. Ihre Kundschaft kommt nicht nur aus Vöhringen, sondern vielfach auch von auswärts. „Die Kunden schätzen die Parkplätze in der Nähe unserer Geschäfte.“Es gebe Ladeneigentümer, die dem Stadtcenter die Treue hielten. „Das Stadtcenter ist nicht tot, sondern sehr lebendig“, betont Danger und verweist dabei auf Reisebüro, Fotostudio, City-Papeterie, kleinen Friseurladen, Bäckerei, Blumenwerkstatt, Banken, Versicherungsbüros, Arztpraxen mit Brillenshop und andere. „Gerade die Arztpraxen bringen Wechselkundschaft“, sagt Danger.
Was allerdings manchen Kunden, der sein Auto im Stadtcenter parkt, verwirrt, seien die verschieden Parkzeiten. „Die Bewohner dürfen kostenfrei parken, die VR-Bank hat ein Ein-Stunden-Limit und sonst gilt die Regelung von zwei Stunden, gekennzeichnet mit Parkscheibe.“
Bürgermeister Janson sieht zuversichtlich in die Zukunft. Im kommenden Jahr stehe die Neugestaltung der Verkehrsflächen an und werde in Abstimmung mit den dortigen Grundstückseigentümern durchgeführt. „Das wird zur Steigerung der Attraktivität des Stadtcenters beitragen“, ist sich Janson sicher.