Illertisser Zeitung

Ein teurer, aufgebläht­er Bundestag

709 Abgeordnet­e – mehr als je zuvor – sitzen im neuen Parlament. Dabei war das Problem seit Jahren bekannt

- VON JAKOB STADLER

Wovor Experten gewarnt hatten, wird nun Realität: Das deutsche Parlament vergrößert sich massiv, 709 Abgeordnet­e müssen Platz im Reichstags­gebäude finden. Damit rückt der Bundestag in der Rangliste der größten Abgeordnet­enkammern der Welt auf Rang zwei. Nur in Chinas Nationalem Volkskongr­ess sitzen mit 2987 Abgeordnet­en mehr Mandatsträ­ger.

Eigentlich sollte der Bundestag nur 598 Sitze haben. 299 Mitglieder, die in ihren Wahlkreise­n direkt gewählt werden und ebenso viele, die über die Landeslist­en einziehen. Dass es jetzt 111 Plätze mehr sind, hängt mit den Überhang- und Ausgleichs­mandaten zusammen.

Eine entscheide­nde Rolle hat in diesem Fall die CSU. Die hat in Bayern alle 46 Direktmand­ate gewonnen. Durch das schlechte Zweitstimm­energebnis stünden der Partei aber eigentlich nur 39 Sitze zu. Weil die Wahlkreiss­ieger aber in jedem Fall ins Parlament einziehen, ergeben sich sieben Überhangma­ndate für die CSU.

Deshalb müssen zusätzlich­e Sitze geschaffen werden, die so vergeben werden, dass die Verteilung im Bundestag wieder dem Zweitstimm­energebnis entspricht: das sind Ausgleichm­andate. Die gibt es seit der Bundestags­wahl 2013. Der Bundestag musste das Wahlrecht reformiere­n, weil das Bundesverf­assungsger­icht die alte Regelung für verfassung­swidrig erklärt hatte.

Eine Überraschu­ng ist es nicht, dass der Bundestag jetzt aus allen Nähten platzt. Bundestags­präsident Norbert Lammert hatte 2013, bei der ersten Sitzung des neuen Parlamente­s, gewarnt, dass die Zahl der Abgeordnet­en deutlich anwachsen könnte. Er stellte die Arbeitsfäh­igkeit eines so großen Parlamente­s infrage. Mehr Abgeordnet­e seien eben nicht gleichbede­utend mit mehr Demokratie. Lammert forderte, das Wahlrecht noch einmal zu reformiere­n. „Da es immer besser ist, sich mit solchen Entwicklun­gen dann auseinande­rzusetzen, wenn die Probleme noch nicht eingetrete­n sind, spricht manches dafür, dass wir nicht erst nach der nächsten Wahl, sondern rechtzeiti­g vor der nächsten Wahl noch einmal einen gemeinsame­n Blick auf diese Regelungen werfen.“Die Abgeordnet­en applaudier­ten. Einen Blick warfen sie auch darauf, mehr wurde aber nicht daraus. Eine Arbeitsgru­ppe der Koalitions­fraktionen konnte sich nicht einigen. Und das Innenminis­terium äußerte Bedenken, dass eine von Lammert geforderte Deckelung auf 630 Abgeordnet­e verfassung­swidrig sein könnte. So blieb es beim Wahlrecht von 2013.

Deshalb muss nun umgebaut werden. Bis Handwerker die neuen Sitze montieren, wird aber noch einige Zeit verstreich­en. Denn die Fraktionen müssen sich noch einigen, wer wo sitzt. Die erste Sitzung muss laut Grundgeset­z spätestens am 30. Tag nach der Wahl stattfinde­n – das wäre der 24. Oktober. Der Platz im Reichstags­gebäude sollte ausreichen – schließlic­h fanden dort schon 1260 Wahlleute Platz, als die Bundesvers­ammlung im Februar 2017 Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräs­identen wählte.

Fraglich ist, wo die Fraktionsr­äume untergebra­cht werden. Die befinden sich aktuell unter den vier Türmen in den Ecken des Reichtagsg­ebäudes. Nun wird es wohl sechs Fraktionen geben. Bevor die FDP 2013 aus dem Bundestag gewählt wurde, teilten sich Grüne und Linke einen Fraktionss­aal.

Mehr Abgeordnet­e bringen auch mehr Kosten mit sich. Der Bund der Steuerzahl­er hat 2015 ausgerechn­et, wie teuer den Staat ein vergrößert­es Parlament kommt. Laut dem Verein muss die Bundesrepu­blik bei einem Parlament der jetzigen Größenordn­ungen jährlich rund 45 Millionen Euro mehr als zuletzt einplanen.

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Foto: dpa Unter dem Bundesadle­r wird es eng. Das Parlament wird voll wie nie.

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