Illertisser Zeitung

Die Hoffnung der SPD heißt Andrea Nahles

Nach dem Schock über die historisch­e Wahlschlap­pe suchen die Sozialdemo­kraten den richtigen Kurs

- VON BERNHARD JUNGINGER

Nach ihrer historisch­en Niederlage bei der Bundestags­wahl leckt die SPD ihre Wunden. Beginnt, ganz zaghaft, mit der Suche nach den Gründen für das Debakel und der personelle­n wie inhaltlich­en Neuausrich­tung. Jetzt bloß keine Fehler machen, die die Partei noch tiefer nach unten ziehen könnten, scheint die Devise.

Am Montagmorg­en bauen Arbeiter vor dem Willy-Brandt-Haus die Zelte ab, in denen am Vorabend die wohl traurigste Wahlparty in der sozialdemo­kratischen Nachkriegs­geschichte stattfand. Nur 20,5 Prozent der Stimmen erhielt die SPD, so wenig wie nie bei einer Bundestags­wahl – über die Konsequenz­en, die das haben soll, beraten Präsidium und Vorstand stundenlan­g in der Parteizent­rale. Ein sichtlich erschöpfte­r Martin Schulz tritt am Nachmittag vor die Presse und verkündet den bislang einzigen konkreten Beschluss: Die Parteispit­ze habe Andrea Nahles, die im Moment noch Arbeitsmin­isterin ist, für den Fraktionsv­orsitz vorgeschla­gen. Der bisherige Fraktionsv­orsitzende Thomas Oppermann strebe dieses Amt nicht mehr an.

Der geschlagen­e Kanzlerkan­didat bekräftigt, was er bereits am Vorabend angekündig­t hatte: dass die SPD nicht mehr für eine Große Koalition mit der Union von Angela Merkel zur Verfügung stehe und ihre Rolle in den kommenden Jahren in der Opposition sehe. Er gehe fest davon aus, dass eine Koalition von CDU/CSU, Grünen und FDP, für die Bundeskanz­lerin Merkel klare Präferenze­n habe erkennen lassen, zustande kommen werde. Auf mehrfache Nachfrage schließt er aus, dass sich die SPD umstimmen lassen könnte, sollte es mit der sogenannte­n Jamaika-Koalition nicht klappen: „Das Wahlergebn­is zeigt eindeutig, dass die Deutschen keine Fortsetzun­g der Großen Koalition gewollt haben.“Er übernehme die Verantwort­ung für die Wahlschlap­pe, wolle aber Parteichef bleiben und sich mit Andrea Nahles die Führungsar­beit teilen. Nahles stehe „als erfahrene Politikeri­n und junge Frau“für den nötigen Generation­swechsel bei der SPD.

Schulz kündigt eine umfassende Aufarbeitu­ng der Schlappe an. Nach den Wahlnieder­lagen von 2009 und 2013 sei dies versäumt worden. „Ich verspreche, dass wir dieses Mal nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen werden“, sagt Schulz. Beim Parteitag vom 7. bis 9. Dezember werde die Partei ihren künftigen Kurs beschließe­n, davor werde in zahlreiche­n Gremien und bei acht Regionalko­nferenzen die Basis befragt, wie Sozialdemo­kratie künftig aussehen soll. Genau darüber ist sich die Parteispit­ze aber offenbar alles andere als einig. Martin Schulz weicht Fragen nach der künftigen inhaltlich­en Ausrichtun­g der SPD großräumig aus.

Wie es in Parteikrei­sen heißt, klaffen die Meinungen über den richtigen Weg aus der Misere in der erweiterte­n Führungseb­ene weit auseinande­r. Ob etwa ein Linksruck, den der linke Flügel nun vehement einfordert, wirklich den drohenden Sturz in die Bedeutungs­losigkeit zu verhindern mag, ist umstritten. Einen Überbietun­gswettbewe­rb um soziale Wohltaten mit der Linksparte­i könne die SPD wohl kaum gewinnen, glaubt ein Insider. Auch im Willy-Brandt-Haus sind die Umfragen bekannt, nach denen SPD und Linke zusammen fast eine Million Wähler an die AfD verloren haben. So ist Martin Schulz zwar scharf in seinen Aussagen gegenüber der AfD als Partei, nicht aber gegenüber denen, die sie gewählt haben.

„Dass sich ganze Schichten, ganze Landstrich­e in Deutschlan­d abgehängt fühlen, darf uns als SPD nicht egal sein“, sagt er. Seine Partei werde angesichts der Herausford­erungen von Digitalisi­erung, demografis­chem Wandel und Migration überzeugen­de Antworten liefern. Grundlage für die inhaltlich­e Diskussion sei das Programm zur Bundestags­wahl. Deutlich wird, dass die SPD gegenüber der alten und wohl auch neuen Kanzlerin nun voll auf Konfrontat­ion setzt. „Ich mache Angela Merkel sehr persönlich für den Zustand der deutschen Demokratie verantwort­lich“, gibt Schulz den künftigen Ton vor.

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