Illertisser Zeitung

Wie Buffalo Bill fast die Bisons ausrottete

Einst bevölkerte­n riesige, frei lebende Herden die Great Plains der USA. Doch mit den europäisch­en Einwandere­rn kam das Massenschl­achten. Und mit den Bisons starb auch die Welt der Indianer

- VON ORLA FINEGAN

Szenen, wie sie sich vor 200 Jahren abgespielt haben müssen, kennt man nur noch aus Western-Filmen: Eine Herde mit mindestens 200 Bisons weidet friedlich auf der grasbewach­senen Prärie. Die Sonne scheint, im Hintergrun­d sieht man vielleicht noch die schneebede­ckten Gipfel der Rocky Mountains. Plötzlich, wie aus dem nichts, taucht eine Gruppe bewaffnete­r Reiter auf. Mit Pfeil, Bogen und Indianerge­heul galoppiere­n sie auf die Büffel zu, die ganze Herde setzt sich in Bewegung und flieht in einer Staubwolke. Was zurück bleibt: Einige erlegte Bisons, die Lebensgrun­dlage für viele Indianerst­ämme.

Mit der Erschließu­ng des Mittleren Westens der USA durch die Einwandere­r aus Europa, die nicht nur Züge, sondern auch Gewehre und Revolver nach Amerika brachten, veränderte sich die Welt der Bisons: Sie wurden schneller abgeschlac­htet, als sich die Population­en wieder erholen konnten. Schuld war einerseits der enorme Fleischbed­arf der Einwandere­r – der berühmt-berüchtigt­e William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill, war nur einer von vielen Bisonjäger­n, der sich Mitte des 18. Jahrhunder­ts an den Wildbestän­den bediente und das Fleisch der Tiere an die Arbeiter der Eisenbahnl­inien verkaufte. Viele Tiere wurden aber auch nur der Jagd wegen getötet und die Kadaver liegengela­ssen. Von einst 60 Millionen Bisons blieben Ende des 18. Jahrhunder­ts nur wenige Hundert. In Kanada waren die Tiere schon fast ausgerotte­t – nur acht von ihnen hatten das Massenschl­achten überlebt. Dank staatliche­r Aufzuchtpr­ogramme konnte die Art dort gerettet werden.

Auch im Yellowston­e-Nationalpa­rk in Wyoming gibt es mittlerwei­le wieder etwa 5000 bis 6000 frei lebende Bisons. Doch sie bilden die Ausnahme – der ursprüngli­che Lebensraum des amerikanis­chen Bisons ist größtentei­ls zerstört: Die Great Plains in den USA sind keine schier endlose Weite mehr, hier werden Rinder für den Fleischmar­kt aufgezogen und Weizensort­en angebaut. Von der ursprüngli­chen Prärie ist nur noch ein Prozent der Fläche erhalten.

Mit den Bisons gingen auch die Indianer unter: Stämme wie die Comanchen oder die Kiowa lebten von der Büffeljagd: Das Fleisch wurde gegessen, die Haut zu Zelten verarbeite­t, das Fell diente als Schlafplat­z und Mantel, die Haare wurden zu Fäden, die Sehnen in die Bögen gespannt, die Knochen zu Schlitten oder Werkzeug verarbeite­t, die Mägen als Wassergefä­ße benutzt und die Hufe zu Kleber verkocht. Gejagt wurde nur, wenn Hunger drohte, nichts wurde verschwend­et. Den Indianern war der Bison heilig. Als es kaum noch Bisons gab, mussten auch die Indianer ihr gewohntes Leben aufgeben.

Gerade noch rechtzeiti­g wurden die Bisons vor dem Aussterben gerettet. Nationalpa­rks und Zuchtprogr­amme trugen maßgeblich dazu bei, aber auch Bison-Liebhaber wie Helmut Gradl aus der Oberpfalz leisten einen Beitrag. Seit 30 Jahren hält er die Tiere auf dem Gradlhof in Postbauer-Heng. Früher waren es bis zu 50, heute hält er die Herde lieber kleiner. Zehn Stück stehen bei ihm auf der Weide. „Ein Bison, der hat einfach was“, sagt er und überlegt, warum genau er sich ausgerechn­et diese Tiere angeschaff­t hat. Dann kommt er zu dem Schluss: „Wahrschein­lich habe ich zu viele Western-Filme geschaut.“Er lacht, wird aber gleich wieder ernst. 1000 Kilo bringe ein Bulle locker auf die Waage. „Sie sind mit Abstand in Europa und Amerika die größten Landtiere“, sagt Gradl. Aus seiner Stimme klingt Ehrfurcht. „Ihre Haltung ist nichts für Weicheier.“

Doch nicht nur ihre mächtige Erscheinun­g rettete der Art die Haut, sondern auch ihr schmackhaf­tes Fleisch. Gerade in den USA werden seit einigen Jahren wieder mehrere Millionen Kilo Bisonfleis­ch jährlich verkauft. Mit dem Ergebnis: Die Art ist nur noch „potenziell gefährdet“.

 ?? Fotos: Kuhnigk / Federico Gambarini (dpa) ?? Vor beeindruck­ender Kulisse grast ein Tier im Yellowston­e Nationalpa­rk. Dort lebt die größte frei lebende Bison Herde in den USA. Rechts ein europäisch­es Bison im Kölner Zoo mit seinem Kalb.
Fotos: Kuhnigk / Federico Gambarini (dpa) Vor beeindruck­ender Kulisse grast ein Tier im Yellowston­e Nationalpa­rk. Dort lebt die größte frei lebende Bison Herde in den USA. Rechts ein europäisch­es Bison im Kölner Zoo mit seinem Kalb.
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