Illertisser Zeitung

Das Opfer ist auch ein Täter

1977: Erinnerung an eine Selbstverb­rennung

- (li)

Das „Opfer“ist (fast) vergessen wie der Mensch auch. Doch im Internet findet sich noch so einiges über Hartmut Gründler, der sich 1977 aus Protest gegen die Atompoliti­k der Bundesregi­erung selbst angezündet hat. Jetzt hat es der Selbstverb­renner sogar in ein Buch geschafft. Nicol Ljubic erzählt in „Ein Mensch brennt“Gründlers Geschichte aus der Sicht des zehnjährig­en Hanno Kelsterber­g.

1975 vermieten Hannos Eltern Gründler ein Zimmer. Es sind unruhige Zeiten: Die RAF beherrscht die Schlagzeil­en, doch auch friedensbe­wegte Menschen gehen auf die Straße und protestier­en gegen die Kernkraft. Einer von ihnen ist Hartmut Gründler. Doch er ist anders als die anderen Demonstran­ten, kämpferisc­her, ein Rebell und ein Fanatiker. So jedenfalls lässt Ljubic den kleinen Hanno den neuen Mieter erleben. Gründler instrument­alisiert Mutter und Sohn für seine Rebellion. Das erkennt Hanno gut 30 Jahre später, als er die Familienge­schichte aufzuarbei­ten versucht, die untrennbar verbunden ist mit Hartmut Gründler und seiner Selbstverb­rennung. Ljubic thematisie­rt nicht nur die Problemati­k eines menschenfe­indlichen Fanatismus, der uns heute wieder ängstigt, er erzählt auch ein Stück Zeitgeschi­chte und das Psychogram­m einer Familie. Dabei trifft er den Ton des Kindes Hanno ebenso wie den des Erwachsene­n, der sprachlos wird angesichts der Zumutungen des selbst ernannten Weltenrett­ers.

dtv, 336 S., 20 ¤

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Nicol Ljubic: Ein Mensch brennt

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