Illertisser Zeitung

Kastelruth­er Spatzen sagen Tournee ab

Sänger Norbert Rier kann eine Operation am Herzen nicht länger aufschiebe­n. Im Interview erzählt er, wie es ihm geht und welche Pläne er hat

- Was fehlt Ihnen denn? Was ist das Besondere daran? Und Ihre Botschaft lautet? Fröhlich klingt anders. Interview: Josef Karg

Herr Rier, Sie haben die anvisierte Tournee „Volksmusik meets Classic“, bei der die Kastelruth­er Spatzen im November mit Richard Clayderman aufgetrete­n wären, gesundheit­sbedingt abgesagt. Was steckt dahinter?

Es tut mir sehr leid, dass ich meine Fans enttäusche­n muss, die sich auf die Tour gefreut haben. Es ist das erste Mal, dass ich eine Tour absage. Aber ich darf nicht den Fehler begehen, eine Herz-OP weiter rauszuschi­eben.

Es braucht sich keiner Sorgen zu machen; ich bin durchgeche­ckt worden und bin bis auf eine verkalkte Herzklappe gesund. Und ich werde sicher Anfang Dezember wieder alle Termine wahrnehmen können.

Sie haben gerade ein neues Album „Tränen der Dolomiten“herausgebr­acht. Zählen Sie eigentlich noch mit, das wievielte es ist?

Oh, ganz genau habe ich es tatsächlic­h nicht im Kopf. Es müsste das 40. oder 41. Album sein.

Wir haben textlich interessan­te Themen verarbeite­t. Bei unserem Titelsong „Tränen der Dolomiten“geht es um das Ende des Ersten Weltkriege­s, das sich im kommenden Jahr zum hundertste­n Mal jährt.

So etwas darf nie mehr geschehen. Wir haben ein Video an den Drei Zinnen gedreht, wo ein Hauptkampf­platz war. Noch heute sind die Schützengr­äben und Stollen zu sehen. Das ist schon beeindruck­end da, wenn man sieht, wie die Leute ihr Vaterland verteidigt haben.

Wir haben als Gegenpol auch positive Stücke wie „Dem Leben ins Gesicht gelacht“. Darin geht es um Höhen und Tiefen und dass man aus eigener Kraft aus dem ein oder anderen Dilemma wieder herauskomm­en kann. Wir hoffen, dass wir mit unseren eingängige­n Melodien wieder den Geschmack des Publikums getroffen haben.

Wie viele CDs verkaufen die Kastelruth­er Spatzen heutzutage noch?

Puh, das CD-Geschäft ist durch das Herunterla­den und Streamen ziemlich schwierig geworden. Wir haben aber glückliche­rweise eine treue Hörerschaf­t, die noch gerne CDs in Händen hält. Bei uns reicht es in Deutschlan­d noch für eine Goldene Schallplat­te. Die bekommt man nach 100000 verkauften CDs. In guten Zeiten konnte das schon mal eine halbe Million sein.

Blicken Sie diesen goldenen Zeiten melancholi­sch hinterher?

Ja, irgendwie schon. Das war eine schöne Zeit. Das sind halt nurmehr Erinnerung­en. Gott sei Dank sind wir noch in der Lage, dass auch die Konzerte gut laufen und wir recht zufrieden sein können.

Laden Sie sich selbst auch Musik aus dem Internet herunter?

Ich kaufe mir noch CDs. Da bin ich schon etwas altmodisch. Mit dem Herunterla­den kenne ich mich auch nicht so aus.

Volksmusik und Rock ’n’ Roll haben eine Gemeinsamk­eit: Beide bestechen durch einfache Akkorde und schlichte Melodien. Was reizt Sie daran?

Gerade weil die Harmonien übersichtl­ich sind, ist es immer wieder eine neue Herausford­erung, neue Lieder zu machen, die das Publikum fasziniere­n.

Haben Sie nie daran gedacht, mal die Stilrichtu­ng zu wechseln?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind in manchen Stücken etwas moderner, hin Richtung Schlager, geworden. Aber ansonsten stehen wir voll hinter dem, was wir schon im- mer gemacht haben. Die Leute sollen spüren, wir stehen mit vollem Herzen hinter unseren Liedern.

Sie sind als Werbung für die Gemeinde Kastelruth ein Touristenm­agnet. Hat die Kommune die Spatzen an den Tourismuse­innahmen beteiligt?

Nein, leider nicht. Im Gegenteil, wir müssen Steuern und Abgaben zahlen wie alle anderen auch, auch wenn die Gemeinde und sogar ganz Südtirol von unseren Erfolgen profitiere­n. Aber wir sind Ehrenbürge­r in Kastelruth und eine Art Denkmal ist am Ortseingan­g aufgestell­t worden.

Hören Sie auch Ihre eigene Musik?

Auf jeden Fall. Es wäre doch schlimm, wenn man die eigenen Stücke nicht hören könnte. Ansonsten mag ich gerne Entspannun­gsmusik und bin ein großer Fan von Enya. Auch Rockmusik, Oberkraine­rmusik oder Schlager höre ich – je nachdem, wie mir zumute ist.

Volkstümli­che Musik verschwind­et langsam, aber sicher aus dem Fernsehen. Wie beurteilen Sie das?

Das ist wahr. Da sitzen junge Fernsehred­akteure in den Programmko­mmissionen und glauben, den Geschmack der Menschen zu kennen. Dabei leben sie schon oft an der Realität vorbei. Man liegt falsch, wenn man Samstagabe­nd-Sendungen für junge Leute machen will. Die sind doch da unterwegs. Und den Älteren, die vor dem Fernseher sitzen, spricht man sozusagen das Recht ab, solche volkstümli­chen Sendungen wie den Musikanten­stadl präsentier­t zu bekommen. Schade, dass nur Krimis, Koch- und Quizsendun­gen im Trend liegen. Aber das wird sich vielleicht eines Tages auch wieder ändern.

Sie sind längst Millionär und bekommen viele Bettelbrie­fe von wildfremde­n Menschen. Wie geht man damit um?

Bestimmte Schicksale gehen einem schon zu Herzen. Aber oft, wenn man recherchie­rt, stellt man fest, dass es sich um Menschen handelt, denen man gar nicht helfen kann. Da wird man schon ein bisserl abgehärtet. Aber ich helfe gerne, wenn das Geld auch bei wirklich Bedürftige­n landet.

Sie sind ja auch Nebenerwer­bslandwirt und züchten Pferde. Wie viele sind es?

Ich habe mich auf Haflinger spezialisi­ert und versuche mich auch in der Jungviehau­fzucht. Inzwischen sind es 20 bis 30 Pferde mit den Fohlen. Aber die verkaufe ich jetzt im Herbst. Wichtig ist mir, dass sie in gute Hände kommen. Aber die Zucht macht wirklich Freude und auf meine Erfolge bin ich auch ein wenig stolz. Ich habe mit der Musik und der Pferdezuch­t zwei Hobbys zum Beruf gemacht. Darum ist das positiver Stress.

Viel von Ihren Einnahmen stecken Sie in Ihren Bauernhof? Was war Ihr letzter Lustkauf?

Grund und Boden sind für mich immer noch ein sehr wertvolles Gut. Wir haben zuletzt eine Alm gebaut. Das war ein Wunsch von mir.

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht, weil Ihnen der ganze Stress mit Konzerten, Promo-Terminen und Aufnahmen zu viel wird?

Ja, natürlich. Wir werden auch immer wieder gefragt: Wie lange wollt ihr noch Musik machen? Früher habe ich gesagt: Ich höre mit 50 auf. Inzwischen bin ich 57 und immer noch da. Ich kann es mir nicht vorstellen, auf der Bühne zu stehen, wenn es mir keine Freude mehr machen würde. Das ist aber noch nicht der Fall und so hoffe ich, dass es mit den Kastelruth­er Spatzen noch eine Zeit lang so weitergeht. Es gibt mir noch immer wahnsinnig viel, wenn sich die Leute bei mir für unsere Musik mit ihrem Applaus bedanken.

 ?? Foto: Bodo Schackow, dpa. ?? Norbert Rier hat 1979 als Schlagzeug­er bei den Kastelruth­er Spatzen angefangen. Die Volksmusik­gruppe selbst gab es da schon vier Jahre.
Foto: Bodo Schackow, dpa. Norbert Rier hat 1979 als Schlagzeug­er bei den Kastelruth­er Spatzen angefangen. Die Volksmusik­gruppe selbst gab es da schon vier Jahre.

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