Illertisser Zeitung

Die Angst der CSU vor dem Abstieg aus der Bundesliga Leitartike­l

Es rumort nach der schweren Niederlage. Noch hat Seehofer die Lage im Griff. In der Union bricht der alte strategisc­he Kernkonfli­kt wieder aus

- Ro@augsburger allgemeine.de

Nach dem dramatisch­en Absturz der Union ist Feuer unter dem Dach der CSU. Im Gegensatz zur CDU, die den bitteren Sieg ihrer Kanzlerin und die Flucht von Millionen Wählern seltsam gefasst zu Protokoll nimmt, schrillen bei der bayerische­n Schwester die Alarmglock­en. Für die CSU nämlich ist diese Niederlage ein Menetekel, ein Zeichen an der Wand. Nun holt sie wieder jener Albtraum ein, der schon einmal, 2008 nach dem Sturz Stoibers, wahr geworden ist: der Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern.

Allein regieren zu können, keine Kompromiss­e machen zu müssen – das ist seit eh und je die Maxime dieser Regionalpa­rtei, der ohne dieses Alleinstel­lungsmerkm­al der Abstieg aus der Bundesliga droht. Landtagswa­hlen haben ihre eigenen Gesetze. Doch wenn es der CSU nicht gelingt, 2018 einen großen Teil der zur AfD (und zur FDP) abgewander­ten Wähler zurückzuho­len, ist es wohl für alle Zeit aus mit der Alleinherr­schaft. Die große Schwester CDU kann mit einem Unionsresu­ltat von 30 Prozent plus x leben, weil auch dies in einem zersplitte­rten Parteiensy­stem für das Kanzleramt reicht – zumal unter Merkel, die ihre Partei in zwölf Jahren programmat­isch so weit entkernt hat, dass sie nach fast allen Seiten koalitions­fähig ist. Die CSU hingegen ist eine Mitte-Rechts-Partei mit dem in ihrer DNA verankerte­n Ziel absoluter Mehrheiten. Darin besteht der strategisc­he Kernkonfli­kt in der Union, der bei Wahlerfolg­en ausgeblend­et wird, nun jedoch – nach den hohen gemeinsame­n Verlusten und der Etablierun­g einer rechten Konkurrenz­partei im Bundestag – offen zutage tritt. Der CSU graut vor dem Gedanken an eine bunte Jamaika-Koalition, in deren Programm ihre Handschrif­t und ihre restriktiv­e Zuwanderun­gspolitik nicht genügend zur Geltung kommen. Also dringt Seehofer, noch ehe die Sondierung­en beginnen, auf eine gemeinsame, im Lichte der Niederlage nachjustie­rte Linie der Union. Der AfD soll vor allem mit einer gesetzlich­en „Obergrenze“das Wasser abgegraben werden. Man sieht nicht, wie das gegen Merkel und gegen die Grünen durchzuset­zen ist. Kehrt der Verhandlun­gsführer Seehofer jedoch mit leeren Händen heim aus Berlin, dann könnte das Rumoren in der CSU in eine Palastrevo­lte münden.

Noch steht Seehofer nicht mit dem Rücken zur Wand, noch scheut der auf den Hof des Altbauern erpichte Finanzmini­ster Söder den Angriff und die offene Feldschlac­ht. Der Sturz Stoibers ist der CSU einst schlecht bekommen, und wie sinnvoll ist es, die Position der eben noch unumstritt­enen Nummer eins im Koalitions­poker zu schwächen? Seehofer hat Fehler gemacht, die Kanzlerin erst brutal attackiert, dann in den Himmel gehoben. Mal war die Obergrenze Bedingung für einen Regierungs­eintritt, dann wieder nicht. Falsch war auch das Ignorieren der AfD. Auf einem anderen Blatt steht, ob die CSU mit dem polarisier­enden Söder wirklich bessere Chancen bei der Landtagswa­hl hat und mehr durchsetze­n kann in Berlin. Solange die CSU hiervon nicht überzeugt ist, wird sie Seehofer, den Retter von 2013, nicht fallen lassen.

Im Übrigen trägt ja Angela Merkel die Hauptveran­twortung für den Niedergang der Union. Es war die unkontroll­iert zugelassen­e Masseneinw­anderung, die das Vertrauen vieler Stammwähle­r nachhaltig erschütter­t hat. Deshalb stand die rechte Flanke sperrangel­weit offen. Verluste – allerdings geringere – hätte die mitregiere­nde CSU auch dann erlitten, wenn der Kurs Seehofers gradlinige­r gewesen wäre. Wenn Merkel Wähler zurückgewi­nnen und die Gefahr einer weiteren Erosion der Union bannen will, dann wird sie sich endlich auch um die konservati­ve Kundschaft kümmern müssen.

Warum die rechte Flanke weit offen stand

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Zeichnung: Haitzinger
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