Illertisser Zeitung

Die große Angst vor dem Vulkan

Auf Bali brodelt der Agung seit Tagen vor sich hin. Auf der Pazifikins­el Vanuato sind die Menschen vor einem Feuerberg geflohen. Ein Wissenscha­ftler erklärt, wie groß die Gefahr ist

- Wie kommt ein Ausbruch zustande? Was sind die Signale? Interview: Sonja Krell

Herr Schmincke, auf Bali fürchtet man, dass der 3030 Meter hohe Vulkan Agung ausbricht. 100 Busse wurden angemietet, um Urlauber von der Insel zu bringen. Kommt das überrasche­nd?

Nein. Der Agung gehört zu den Vulkanen, die alle paar Jahrzehnte ausbrechen. Das letzte Mal war das 1963 der Fall. Damals sind die Gase des Vulkans so hoch gestiegen, dass man eine Klimaauswi­rkung nachweisen konnte.

Ist der Klimawande­l schuld, dass dieser Vulkan wieder ausbricht?

Nein, ob ein Vulkan ausbricht oder nicht, wird von den Vorgängen im Inneren eines Vulkans gesteuert, also dem Aufstieg von Magma aus der Tiefe und der einhergehe­nden Freisetzun­g von Gasen. Man glaubte lange, dass die Aschen eines Vulkans das Sonnenlich­t verdunkeln und daher den Klimawande­l bewirken. Doch das ist falsch.

Erst kürzlich ist auf einer der Inseln des Pazifiksta­ates Vanuatu der Manaro ausgebroch­en. Ist das Zufall?

Bei großen Erdbeben weiß man heute, dass sie auch in hunderten Kilometern Entfernung in einem Vulkan eine Eruption aus- können. Auch das große Erdbeben von Fukushima hat sich auf Vulkane ausgewirkt. Vulkane sind wie Schwämme, vollgesaug­t mit Wasser. Wird das aufgeheizt, kann es zu Ausbrüchen kommen. Aber ich glaube nicht, dass es zwischen beiden Vulkanen einen Zusammenha­ng gibt. Auf Vanuatu sind die Ausbrüche nicht so stark. Beide Inseln liegen weit voneinande­r entfernt.

Das Magma entsteht aus festem Gestein im Erdmantel. In hundert Kilometern Tiefe ist der Erdmantel fest. Schmilzt das Mantelgest­ein etwas, steigt das Magma in Rinnsalen auf und sammelt sich unter der relativ leichten Erdkruste. Steigt viel Magma nach oben, nutzt es alte Aufstiegsw­ege oder bricht sich neue Bahnen. Ist die Magmaprodu­ktion im Erdmantel sehr groß, kommt es häufig zu Ausbrüchen. So scheint es beim Agung zu sein.

1963 kamen auf Bali mehr als 1100 Menschen ums Leben. Wie groß ist die Gefahr jetzt?

Man kann Vulkanausb­rüche heute sehr gut vorhersage­n. Jedes Jahr werden tausende bis hunderttau­sende von Menschen vor ei- nem Vulkanausb­ruch in Sicherheit gebracht – etwa am Merapi in Java. Es ist ein gutes Zeichen, dass man jetzt auch auf Bali rechtzeiti­g warnt und bereits 80000 Menschen in Sicherheit gebracht hat. Vor 50 Jahren hätte man das noch nicht tun können. Damals hat man die Signale vor einem Ausbruch noch nicht so genau messen können.

Vulkan-Eruptionen haben den großen Vorteil, dass sie Punktquell­en darstellen. Man kann sie über Jahrzehnte überwachen und nachvollzi­ehen, ob und wann ein Vulkan ausbricht. Wichtige Änderungen sind Aufwölbung­en der Erdkruste, bestimmte Arten von Erdbeben, verstärkte­s Austreten von Schwefelga­sen oder wenn es im Umkreis eines Vulkans wärmer wird. Das ist der große Unterschie­d zu Erdbeben, die man in absehbarer Zeit nicht vorhersage­n kann.

Wie viele aktive Vulkane gibt es?

Das ist schwer zu sagen. An sich wird jeder Vulkan, der in den letzten 12000 Jahren ausgebroch­en ist, als aktiv bezeichnet. Im 20. Jahrhunder­t sind vermutlich über 1000 Vulkane weltweit ausgebrolö­sen chen. Ich möchte aber eine Lanze brechen für eine Ansicht von Vulkanen, die bei den häufigen Katastroph­enmeldunge­n über Vulkane oft in den Hintergrun­d treten.

Wie meinen Sie das? Viele Menschen haben schließlic­h Angst vor den Feuer speienden Bergen ...

Bricht ein Vulkan aus, zerstört er Felder, Menschen können sterben. Anderersei­ts sind Vulkane ein ganz normaler, wunderbare­r Teil der Natur. Und sie sind für die Menschen immer extrem nützlich gewesen. Auf Bali etwa wird intensive Landwirtsc­haft betrieben, ermöglicht durch die lockeren, vulkanisch­en und sehr fruchtbare­n Böden. Zudem wird aus Vulkangest­ein Baumateria­l gewonnen und Erdwärme ist eine wichtige Energieque­lle. Kurz: Die Menschen müssen mit Vulkanen leben und sie nicht als Angst einflößend­e bedrohlich­e Gebilde ansehen.

 ?? Foto: Muhammad Fauzy Chaniago, dpa ?? Der Berg, der die Menschen auf Bali das Fürchten lehrt: Der Vulkan Mount Agung könnte jeden Moment ausbrechen.
Foto: Muhammad Fauzy Chaniago, dpa Der Berg, der die Menschen auf Bali das Fürchten lehrt: Der Vulkan Mount Agung könnte jeden Moment ausbrechen.

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