Sie will kein Star sein
Christina Hilsenbeck ist seit 25 Jahren Mitglied des Ensembles „Podium 70“in Vöhringen. Wie sie ihre Texte lernt – und warum sich ihr Lampenfieber in Grenzen hält
Laienbühnen haben im Allgemeinen personelle Probleme. Feste Ensembles sind dagegen selten, weil die Schauspieler aus beruflichen wie privaten Gründen öfter wechseln. Die Fluktuation macht den Theatermachern zu schaffen. So sind diese Bühnen immer auf Suche nach Zuwachs. Der Theaterspielkreis „Podium 70“in Vöhringen hat einen ziemlich festen Spielerstamm: Dazu zählt Christina Hilsenbeck, sie ist seit 25 Jahren dabei. Als Tochter Berta in August Strindbergs Drama „Der Vater“fing sie einst an und ist jetzt nur noch in großen Rollen zu sehen, zuletzt in „Blütenträume“von Lutz Hübner und Sarah Nemitz.
Christina Hilsenbeck ist Erzieherin, hat zwei Kinder – und ihren Mann Sven Hilsenbeck hat sie zum Theaterspielen gebracht. Über das Schultheater, das sie als Wahlfach an der Realschule belegt hatte, kam sie mit dem Spiel auf der Bühne in Berührung. „Aber ich bin schon früher mit meinen Eltern ins Ulmer Theater gegangen und habe Aufführungen in der ,Kleinen Komödie’ in München gesehen.“Als sie vor vielen Jahren im Podium im Evangelischen Gemeindehaus das ShawStück „Pygmalion“sah, stand ihr Entschluss fest. Eines Tages wollte sie die Rolle der Eliza spielen.
Irgendwann sah sie Peter Kelichhaus, den Prinzipal von Podium 70. „Da war ich 13 Jahre alt und er bot mir eine Rolle an.“Christina war damals begeistert und ist es jetzt nach 25 Jahren immer noch. Sie spielt leidenschaftlich gerne Theater. Motiviert geht sie an ihre Rollen heran. Sie besitzt die Fähigkeit, schnell Texte zu lernen und sie punktgenau präsent zu haben. Das gibt ihr Sicherheit, sodass sich ihr Lampenfieber in Grenzen hält. Sie verrät auch, wie und wo sie am besten lernt: „Beim Bügeln“, sagt sie und lacht. „Ich habe das Textbuch neben dem Bügelbrett liegen und kann dann laut meinen Text sprechen, das hilft ungemein.“
Ihr Rollenspektrum ist weit ge- spannt. Sie überlegt kurz, „ich habe 35 Rollen in diesen Jahren gespielt“. Dazu gehörte ihre Traumrolle Eliza in „Pygmalion“. Zudem spielet sie in „Anne Frank“, einem Stück nach dem Tagebuch des jüdischen Mädchens, in „Jeanne oder Die Lerche“von Jean Anouilh und sie spielte in „Andorra“von Max Frisch sowie in „Bernardas Albas Haus“von Garcia Lorca, also in Stücken mit viel Tiefgang.
Aber sie kann auch Komödie und Krimi. Für das Fach Komödie hat sie auch ihre Favoriten. „Loriot ist mein Fall, Kishon nicht so sehr.“
Die Spannung so aufzubauen, dass die sich ins Publikum überträgt und gewisse Lösungsmöglichkeiten anzubieten, wer denn nun der Täter seine könnte – das macht ihr Spaß. Und nicht zuletzt der Instinkt dafür, „wenn man die Zuschauer hat“. Was bedeutet, die Besucher in den Bann der Aussage des Stückes zu ziehen. Hilsenbeck erklärt auch, warum ihr ausgerechnet die Eliza aus „Pygmalion“so am Herzen liegt: „Sie hat so viele Facetten, die man darstellerisch zum Ausdruck bringt, vom Mädchen mit dem Gassenjargon zur gesellschaftsfähigen Dame“.
Was für Hilsenbeck besonders wichtig ist: die Identifikation mit der Figur, die sie darstellt. „Man kann nicht einfach einen Text so runter lernen, man muss etwas rüber bringen. Da geht nur, wenn man in der Bühnenfigur aufgeht.“Sie bescheinigt Peter Kelichhaus „eine gute Regie“. Er ordne nicht an, er führe die Figuren auf der Bühne. Das sei auch ein Grund für das gute Klima in der Truppe.
Hat sie nie daran gedacht, ihr Talent professionell zu nutzen? Kurze Zeit. Aber ihre Eltern bestanden darauf, zuerst die Ausbildung abschließen, dann weitersehen. Und Christina Hilsenbeck entdeckte dann die Liebe zu ihrem Beruf als Erzieherin. Der Umgang mit Kindern machte ihr viel Freude. Und damit war das Thema, professionelle Schauspielerin zu werden, gegessen. „Für mich ist es ein wunderschönes Hobby.“In das investiert sie viel Zeit und Engagement. Dass sie ihren Mann Sven für das Theater begeistern konnte, bedeutet ihr viel.
Die nächste große Rolle ist im Werden begriffen. Die kommende Produktion wird „Gott des Gemetzels“von Yamina Reza sein, eine Melange aus Komödie und Tragödie. Eifrig lernt sie bereits. Christina Hilsenbeck hat ihren eigenen Stil entwickelt, sie verwandelt sich je nach Stück auf der Bühne zu einem Biest und kann die charmanteste Verführerin sein. Sie weiß, dass sie sehr oft die Säule einer Produktion ist. Aber eines mag sie nicht, wenn man sie einen Star nennt. „Wir machen gute Teamarbeit“, sagt sie. Und legt das nächste Wäschestück aufs Bügelbrett.