Auf einem Rad durch Eis und Schnee
Die Illertisser Einradfahrer betreiben ihren Sport auf hohem Niveau. Und mit großer Passion. Deshalb suchen sie bisweilen nach neuen Herausforderungen. Das bescherte ihnen nun zwei Grenzerfahrungen
Ein bleierne Müdigkeit macht sich im Körper breit, die Beine schmerzen und jeder weitere Tritt in die Pedale kostet große Überwindung: Erfahrungen wie diese haben die Illertisser Einradfahrer kürzlich bei einem 24-Stunden-Rennen in Pocking in Niederbayern gesammelt. Innerhalb eines Tages mussten die Teilnehmer möglichst viele Kilometer in den Sätteln zurücklegen. Wie sie das genau anstellten, war ihre Sache.
Schnell oder langsam fahren, schlafen oder durchmachen – es gab unterschiedliche Strategien, sagt Ingrid Kreuzer, die Vorsitzende des Radsportvereins (RSV) Illertissen. Sie strampelte selbst tapfer mit – und schaffte am Ende 156 Kilometer. „Eine tolle Erfahrung“, sagt sie. Zumindest hinterher. Denn nach vielen Hundert Runden auf der Strecke kämen einem durchaus Selbstzweifel. Genauso wie bei der Mehrtages-Fahrt vor einigen Tagen durch die Berge: Die Einradler fuhren von Ischgl in Südtirol nach Ravensburg – und gerieten dabei in einen Schneesturm.
Langweilig werde es den Einradfahrern eben nie, sagt Kreuzer und lacht. Das liege schon in der Natur des Sports, der dank seiner Sparten äußerst vielfältig sei. Da gibt es zum Beispiel den Freestyle, bei dem die Einradler in Kostümen zur Musik eine einstudierte Bewegungsabfolge zeigen, fast wie ein Tanz auf einem Rad. Bei anderen Disziplinen geht es um hohe und weite Sprünge. Und natürlich gibt es auch Zeitfahrten. Die Königsdisziplin: das 24-Stunden-Rennen. „Wir haben eine neue Herausforderung gesucht“, sagt Kreuzer.
Seit den 1960er Jahren werde der Einradsport in Illertissen praktiziert, seit über zwei Jahrzehnten in seiner heutigen Ausprägung – auf hohem Leistungsniveau mit dutzenden begeisterten Sportlern. So seien Illertisser Delegationen regelmäßig bei Weltmeisterschaften dabei, fast täglich werde trainiert. Aber einen ganzen Tag im Sattel zu sitzen – das war sogar für erfahrene Sportler neu. Und keine leichte Aufgabe.
Sechs Einradfahrer des RSV traten in zwei Teams an. Insgesamt drehten rund 109 Teilnehmer Runde um Runde (je 400 Meter) in dem Stadion. Eine Überlandfahrt sei für die Ausrichter nicht infrage gekommen, da eine solch lange Strecke nur schwer zu überwachen gewesen wäre, erklärt Kreuzer. Deshalb wurde im Kreis gefahren, von Freitag 18 Uhr bis Samstag 18 Uhr. Dabei konnte das Dauerradeln durchaus eintönig werden: „Nach 300 Runden fragt man sich dann schon mal: ,Was mache ich hier eigentlich?’“, schildert Kreuzer ihre Überlegungen. Gespräche mit den anderen Sportlern seien eine willkommene Ablenkung gewesen.
Und dann waren da noch die körperlichen Belastungen: schmerzende Sehnen in den Beinen, ein wunder Hintern vom Sitzen im Sattel. Mehrere Pausen waren nötig, um Dehnübungen zu machen. Eine halbe Stunde radeln, dann eine halbe Stunde Pause – zuletzt habe sie auf diesen Rhythmus gesetzt, sagt Kreuzer, die in der Wettkampfnacht nur drei Stunden geschlafen hat. Das Problem: Wer zu häufig pausiert, schafft weniger Kilometer. Jeder der sechs RSV-Sportler habe sich ein persönliches Ziel gesteckt, zwischen 100 und 230 Kilometern. Lena Portius legte mit 519 Runden und 207,6 Kilometern die weiteste Strecke der Illertisser zurück und erreichte damit den dritten Platz. Von allen Teilnehmern schaffte sie die sechstmeisten Runden (unabhängig von Geschlecht und Radgröße). Das Team mit Portius, Daniela Fischer und Julia Böttinger erreichte mit 1357 Runden und insgesamt 542,8 Kilometern den vierten Rang – knapp hinter den Drittplatzierten, die nur zehn Kilometer mehr geschafft hatten.
Alles in allem ein kräftezehrender Wettkampf, sagt Kreuzer. Kurz danach habe sie sich noch gedacht: „So etwas brauche nicht noch einmal.“Doch mit einigem Abstand sei dann der Ehrgeiz durchgekommen. Und die Frage: „Schaffe ich beim nächsten Mal noch mehr?“
Fast ebenso viele Kilometer bewältigten die Bergradler bei ihrer Tour in den Alpen – allerdings über Stock und Stein. 170 Kilometer sollten geradelt werden, 2900 Höhenmeter bergauf und 4500 Höhenmetern bergab. Doch die Reise wurde teilweise zur Wanderung, denn ein Wintereinbruch mit Kälte und Schnee machte den Sportlern zu schaffen. Sie hätten die Wege nicht mehr erkennen können und ihre Räder schieben müssen, weiß Kreuzer aus den Berichten der mutigen Radler. Mit dieser Wetterlage sei im Herbst nicht zu rechnen gewesen – durchaus eine Grenzerfahrung. Die Radler kehrten wohlbehalten heim. Nach einer Verschnaufpause werden sie bald nach neuen Abenteuern suchen. Schließlich ist das Einradfahren ihre Passion.
Die Einradler