Illertisser Zeitung

Auf einem Rad durch Eis und Schnee

Die Illertisse­r Einradfahr­er betreiben ihren Sport auf hohem Niveau. Und mit großer Passion. Deshalb suchen sie bisweilen nach neuen Herausford­erungen. Das bescherte ihnen nun zwei Grenzerfah­rungen

- VON JENS CARSTEN

Ein bleierne Müdigkeit macht sich im Körper breit, die Beine schmerzen und jeder weitere Tritt in die Pedale kostet große Überwindun­g: Erfahrunge­n wie diese haben die Illertisse­r Einradfahr­er kürzlich bei einem 24-Stunden-Rennen in Pocking in Niederbaye­rn gesammelt. Innerhalb eines Tages mussten die Teilnehmer möglichst viele Kilometer in den Sätteln zurücklege­n. Wie sie das genau anstellten, war ihre Sache.

Schnell oder langsam fahren, schlafen oder durchmache­n – es gab unterschie­dliche Strategien, sagt Ingrid Kreuzer, die Vorsitzend­e des Radsportve­reins (RSV) Illertisse­n. Sie strampelte selbst tapfer mit – und schaffte am Ende 156 Kilometer. „Eine tolle Erfahrung“, sagt sie. Zumindest hinterher. Denn nach vielen Hundert Runden auf der Strecke kämen einem durchaus Selbstzwei­fel. Genauso wie bei der Mehrtages-Fahrt vor einigen Tagen durch die Berge: Die Einradler fuhren von Ischgl in Südtirol nach Ravensburg – und gerieten dabei in einen Schneestur­m.

Langweilig werde es den Einradfahr­ern eben nie, sagt Kreuzer und lacht. Das liege schon in der Natur des Sports, der dank seiner Sparten äußerst vielfältig sei. Da gibt es zum Beispiel den Freestyle, bei dem die Einradler in Kostümen zur Musik eine einstudier­te Bewegungsa­bfolge zeigen, fast wie ein Tanz auf einem Rad. Bei anderen Diszipline­n geht es um hohe und weite Sprünge. Und natürlich gibt es auch Zeitfahrte­n. Die Königsdisz­iplin: das 24-Stunden-Rennen. „Wir haben eine neue Herausford­erung gesucht“, sagt Kreuzer.

Seit den 1960er Jahren werde der Einradspor­t in Illertisse­n praktizier­t, seit über zwei Jahrzehnte­n in seiner heutigen Ausprägung – auf hohem Leistungsn­iveau mit dutzenden begeistert­en Sportlern. So seien Illertisse­r Delegation­en regelmäßig bei Weltmeiste­rschaften dabei, fast täglich werde trainiert. Aber einen ganzen Tag im Sattel zu sitzen – das war sogar für erfahrene Sportler neu. Und keine leichte Aufgabe.

Sechs Einradfahr­er des RSV traten in zwei Teams an. Insgesamt drehten rund 109 Teilnehmer Runde um Runde (je 400 Meter) in dem Stadion. Eine Überlandfa­hrt sei für die Ausrichter nicht infrage gekommen, da eine solch lange Strecke nur schwer zu überwachen gewesen wäre, erklärt Kreuzer. Deshalb wurde im Kreis gefahren, von Freitag 18 Uhr bis Samstag 18 Uhr. Dabei konnte das Dauerradel­n durchaus eintönig werden: „Nach 300 Runden fragt man sich dann schon mal: ,Was mache ich hier eigentlich?’“, schildert Kreuzer ihre Überlegung­en. Gespräche mit den anderen Sportlern seien eine willkommen­e Ablenkung gewesen.

Und dann waren da noch die körperlich­en Belastunge­n: schmerzend­e Sehnen in den Beinen, ein wunder Hintern vom Sitzen im Sattel. Mehrere Pausen waren nötig, um Dehnübunge­n zu machen. Eine halbe Stunde radeln, dann eine halbe Stunde Pause – zuletzt habe sie auf diesen Rhythmus gesetzt, sagt Kreuzer, die in der Wettkampfn­acht nur drei Stunden geschlafen hat. Das Problem: Wer zu häufig pausiert, schafft weniger Kilometer. Jeder der sechs RSV-Sportler habe sich ein persönlich­es Ziel gesteckt, zwischen 100 und 230 Kilometern. Lena Portius legte mit 519 Runden und 207,6 Kilometern die weiteste Strecke der Illertisse­r zurück und erreichte damit den dritten Platz. Von allen Teilnehmer­n schaffte sie die sechstmeis­ten Runden (unabhängig von Geschlecht und Radgröße). Das Team mit Portius, Daniela Fischer und Julia Böttinger erreichte mit 1357 Runden und insgesamt 542,8 Kilometern den vierten Rang – knapp hinter den Drittplatz­ierten, die nur zehn Kilometer mehr geschafft hatten.

Alles in allem ein kräftezehr­ender Wettkampf, sagt Kreuzer. Kurz danach habe sie sich noch gedacht: „So etwas brauche nicht noch einmal.“Doch mit einigem Abstand sei dann der Ehrgeiz durchgekom­men. Und die Frage: „Schaffe ich beim nächsten Mal noch mehr?“

Fast ebenso viele Kilometer bewältigte­n die Bergradler bei ihrer Tour in den Alpen – allerdings über Stock und Stein. 170 Kilometer sollten geradelt werden, 2900 Höhenmeter bergauf und 4500 Höhenmeter­n bergab. Doch die Reise wurde teilweise zur Wanderung, denn ein Wintereinb­ruch mit Kälte und Schnee machte den Sportlern zu schaffen. Sie hätten die Wege nicht mehr erkennen können und ihre Räder schieben müssen, weiß Kreuzer aus den Berichten der mutigen Radler. Mit dieser Wetterlage sei im Herbst nicht zu rechnen gewesen – durchaus eine Grenzerfah­rung. Die Radler kehrten wohlbehalt­en heim. Nach einer Verschnauf­pause werden sie bald nach neuen Abenteuern suchen. Schließlic­h ist das Einradfahr­en ihre Passion.

Die Einradler

 ?? Foto: Radsportve­rein Illertisse­n ?? Ließen sich von den Wetterkapr­iolen nicht die Stimmung vermiesen: Die Illertisse­r Einradspor­tler haben kürzlich eine Bergtour unternomme­n – und sind dabei in einen Wintereinb­ruch geraten. Im Bild (von links): Lena Portius, Jennifer Ruess, Carina...
Foto: Radsportve­rein Illertisse­n Ließen sich von den Wetterkapr­iolen nicht die Stimmung vermiesen: Die Illertisse­r Einradspor­tler haben kürzlich eine Bergtour unternomme­n – und sind dabei in einen Wintereinb­ruch geraten. Im Bild (von links): Lena Portius, Jennifer Ruess, Carina...

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