Illertisser Zeitung

Industrie warnt vor hohen Strompreis­en

Vor allem die Zusatzkost­en – also Steuern und Abgaben – seien zu hoch, sagen Unternehme­n sowie die Industrie- und Handelskam­mern. Sie fordern von der neuen Regierung eine Entlastung. Sonst drohen weniger Investitio­nen und Nachteile auch für Arbeitsplä­tze

- VON MICHAEL KERLER

Albert W. Schultz, 41, ist Geschäftsf­ührer eines Unternehme­ns mit 2600 Beschäftig­ten, rund davon 2000 arbeiten in Schwaben. Die familienge­führte Firmengrup­pe „Magnet-Schultz Memmingen“stellt Antriebsel­emente und Sensoren für die Investitio­nsgüter- und Automobili­ndustrie her. Das Unternehme­n ist internatio­nal breit aufgestell­t. Es hat Betriebe in Deutschlan­d, der Schweiz, den USA, Großbritan­nien, Italien und China. In der Heimat macht Unternehme­nschef Albert W. Schultz dabei seit einiger Zeit eines Sorgen: der Strompreis. Vor allem die hohen staatliche­n Steuern und Abgaben sind es, die Schultz kritisiert.

In seinem Bereich ist das Unternehme­n zwar ein führender Anbieter. Doch sei der Betrieb nicht groß genug, um einen Nachlass bei der EEG-Umlage zu bekommen, erklärt Schultz. Von solch einem Rabatt profitiere­n zum Beispiel Stahlwerke. Der Memminger Betrieb dagegen muss die staatliche­n Umlagen und Steuern in voller Höhe zahlen: Im Jahr 2015 waren es rund 2,5 Mil- Euro, die sein Unternehme­n für die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom und alle weiteren Steuern und Abgaben auf den Strompreis bezahlen musste, berichtet Albert W. Schultz.

Er kritisiert, dass damit Investitio­nen verhindert werden: Im Jahr 2015 schlug allein die EEG-Umlage in seinem Betrieb mit 1,8 Millionen Euro zu Buche. Dafür könnte er zwei hochwertig­e Werkzeugma­schinen kaufen, die circa zehn neue qualifizie­rte Arbeitsplä­tze schaffen. „Die EEG-Umlage bringt uns nicht um“, sagt Schultz. Er betont aber auch, dass sie zu einer Belastung in wirtschaft­lich härteren Zeiten wird: Statt zwei Millionen Euro an EEGSubvent­ion pro Jahr zu zahlen, könnte er mit dem Geld circa 40 qualifizie­rte Arbeitsplä­tze erhalten, die man andernfall­s abbauen müsste, rechnet er vor.

Für Schultz gehört die Förderungs­praxis deshalb reformiert: „In Relation gesetzt werden vier bis fünf Jahreshaus­halte des Bundes an Subvention­en bezahlt“, sagt er. Im Gegenzug werde der Wettbewerb im Energiesek­tor weitgehend ausgesetzt. Und statt der hohen Versor- heute begebe sich Deutschlan­d an trüben, windstille­n Tagen in eine hohe Abhängigke­it von Kohle- und Kernkraftw­erken im Ausland. Mit seiner Kritik steht Schultz nicht alleine da.

Jedes zwanzigste Industrieu­nternehmen habe bereits die Produktion in Deutschlan­d aufgrund der Energiewen­de eingeschrä­nkt. Das belionen richtete der Deutsche Industrieu­nd Handelskam­mertag kürzlich in seinem „Energiewen­de-Barometer 2017“. Dazu wurden 2250 Unternehme­n befragt. Der durchschni­ttliche Strompreis für die Industrie sei seit 2010 um über 40 Prozent gestiegen. „Im Ergebnis haben sich die Strompreis­e zu einem echten Standortna­chteil in Deutschlan­d entwigungs­sicherheit ckelt“, schreiben die Autoren. Dies gilt Industriev­ertretern zufolge auch für unsere Region.

„Die EEG-Umlage ist seit ihrer Einführung weit über alle Vorhersage­n hinaus gestiegen“, kritisiert Hartmut Wurster, Vizepräsid­ent der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben. Durch die ÖkostromUm­lage und viele weitere Abgaben seien die Strompreis­e für viele Unternehme­n in Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich zu hoch.

Energiefac­hmann Wurster fordert jetzt einen Kurswechse­l. Neue Windräder oder Solaranlag­en sollten bald „ohne Förderung am Markt bestehen können“, sagt er und gibt damit die Forderung auch der anderen deutschen Industrie- und Handelskam­mern wieder. Die Kammern schlagen zudem vor, die Kosten der EEG-Förderung nicht allein Industrie und Privatverb­rauchern aufzubrumm­en. Ein Teil der Mittel sollte aus dem Bundeshaus­halt stammen. Der Kammer-Vorschlag ist, die Einnahmen aus der Stromsteue­r für die Förderung der erneuerbar­en Energien zu verwenden, erklärt Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsf­elds Innovation und Umwelt der IHK Schwaben. Das sieht auch Vizepräsid­ent Wurster so: „Mittel in Höhe des Stromsteue­rAufkommen­s ins EEG-Konto fließen zu lassen, würde die Umlage um zwei Cent pro Kilowattst­unde absenken und alle Verbrauche­r sofort spürbar entlasten“, sagt er.

Wie hoch die EEG-Umlage von derzeit 6,88 Cent nächstes Jahr wird, müssen die Übertragun­gsnetzbetr­eiber übrigens in den

Neue EEG Umlage steht bald fest

nächsten Tagen bekannt geben. Der Thinktank „Agora Energiewen­de“prognostiz­ierte kürzlich zwar einen leichten Rückgang um bis zu 0,3 Cent. Die Umlage könnte dann im Bereich von 6,6 Cent bis 6,9 Cent liegen. Bereits für das Jahr 2019 geht die Organisati­on aber davon aus, dass die Umlage stark steigt – auf über 7,5 Cent pro Kilowattst­unde.

Gleichzeit­ig kündigte der Übertragun­gsnetzbetr­eiber Tennet steigende Netzentgel­te an – im Schnitt um neun Prozent. Billiger dürfte Strom also kaum werden.

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