Illertisser Zeitung

Sensation am Balken

Pauline Schäfer und Tabea Alt sind die neuen Gesichter im deutschen Leistungst­urnen

- (dpa)

In der Hotellobby wurde erst einmal mit Orangensaf­t angestoßen, aber auch Stunden später in der Diskothek im Alten Hafen von Montreal hatte Pauline Schäfer ihren Sensations­erfolg am Schwebebal­ken noch nicht verarbeite­t. „Das wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis ich das realisiere“, sagte die 20-Jährige, nachdem sie sich gemeinsam mit Bronze-Gewinnerin Tabea Alt immer wieder mit der edlen WMMedaille in Form eines Bagels fotografie­ren lassen musste. Pauline Schäfer konnte sich gar nicht mehr recht an ihre Übung erinnern. Nur so viel: „Der Moment, als ich ans Gerät ging, war richtig schlimm“, verriet sie ihre innere Nervosität. Von dieser war aber trotz des Höllenlärm­s der 10000 Zuschauer im Olympic Stadium von 1976 nichts zu spüren. Routiniert und perfekt spulte sie ihr Programm ab – das erinnerte schon ein wenig an Fabian Hambüchen, der zehn Jahre zuvor in Stuttgart den bis dato letzten WM-Erfolg für Deutschlan­d erturnt hatte.

Die überrasche­nde Leistung der aus dem saarländis­chen Bierbach stammenden Balken-Spezialist­in gewinnt noch an Bedeutung, weil sie drei Wochen vor der WM-Qualifikat­ion bei einem Trainingsu­nfall am Sprung eine Rückenverl­etzung erlitten hatte, die sie in der Vorbereitu­ng sehr einschränk­te. Ihr Freund Andreas Bretschnei­der massierte Pauline Schäfer gleich nach den Interviews den Rücken und das Schulterbl­att. Zuvor hatte auch der Reck-Spezialist ein paar Tränen der Rührung nicht verdrücken können. Dass erstmals in der WM-Geschichte gleich zwei Athletinne­n des DTB auf das Podest kletterten, wertete Bundestrai­nerin Ulla Koch nach all den medizinisc­hen Problemen auch als Sieg des Teamgeists. „Wir haben so eine homogene Truppe. Eigentlich müsste ich jetzt zurücktret­en als Trainerin“, sagte sie schmunzeln­d. Und die 17-jährige Tabea Alt gab in der denkwürdig­en Stunde gleich selbstbewu­sst die Devise für kommende Jahre aus: „Wir haben gezeigt, dass die Turnwelt künftig mit Deutschlan­d rechnen muss.“Zunächst zieht aber erst mal wieder der Alltag ein. Tabea Alt wird nach dreieinhal­bwöchiger Pause den Fokus auf die Schule legen. „Ich muss jetzt büffeln“, sagte sie. Wie Pauline Schäfer, die in der Liga für Karlsruhe turnt, wird sie aber im Herbst noch einige Bundesliga-Kämpfe bestreiten. Für die deutsche Weltmeiste­rin steht Ende des Jahres ein Bundeswehr-Lehrgang in Warendorf an. Nebenbei macht sie ihr Abitur an der Abendschul­e und wird daher nach dem Training noch bis 22 Uhr zum Unterricht gehen.

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Foto: dpa Unterwegs zu WM Gold: Die Saarbrücke­rin Pauline Schäfer.
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Tabea Alt
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Pauline Schäfer

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