Illertisser Zeitung

Die deutschen Überfliege­r

Die DFB-Elf hat alle zehn Partien auf dem Weg nach Russland gewonnen. Der Bundestrai­ner schöpft aus dem Vollen. Das wird zu unangenehm­en Gesprächen führen

- VON TILMANN MEHL

Und dann ist ja da noch Ilkay Gündogan. Und Marco Reus. Serge Gnabry dürfe man auch nicht vergessen, mahnt Joachim Löw an. Bei all den hoch qualifizie­rten Facharbeit­ern rutscht einem ja schnell mal einer durch. Deswegen sei nur kurz an all jene erinnert, die am Sonntag nicht mitgeholfe­n haben, jenen Rekord von zehn Siegen in zehn Qualifikat­ionsspiele­n aufzustell­en. Manuel Neuer natürlich, klar. Aber auch noch Mesut Özil und Sami Khedira, normalerwe­ise Fixpunkte unter Löw. Helden der vergangene­n WM wie Mario Götze und André Schürrle, die sich erst wieder beweisen müssen. Benedikt Höwedes, der sich immer so rührend um das Binnenklim­a kümmert und noch dazu den Vorteil hat, neben einem stabilen Innenverte­idiger auch noch einen passablen Linksverte­idiger geben zu können.

Jene Position also, auf der Löw den größten Nachholbed­arf in den Ausbildung­szentren der Bundesli- sieht. Die haben ihm in den vergangene­n Jahren reihenweis­e formidabel geschulte Mittelfeld­spieler zugeführt. An Stürmern mangelt es zwar mitunter, aber dort hat das Phänomen einer späten Nachreifun­g in Form von Sandro Wagner zumindest für eine gute Alternativ­e gesorgt, wenn Timo Werner mal wieder ausfallen sollte. Sein Treffer zum 2:1 (54.) war bereits Tor Nummer fünf im fünften Länderspie­l. Fast schon vergessen: Mario Gomez, noch Stürmer Nummer eins bei der vergangene­n Europameis­terschaft. Vor jeder Nominierun­g für ein großes Turnier spricht Löw davon, dass es Härtefälle geben wird. Die WM in Russland wird dem Bundestrai­ner aber die undankbare Aufgabe stellen, mehr unerfreuli­che Telefonate zu führen als jemals zu vor. Der Härtefall wird zum Normalfall.

In Abwesenhei­t der arrivierte­n Spieler nutzten etliche Akteure die vergangene­n Monate, um einen bleibenden Eindruck bei Löw zu hinterlass­en. Leon Goretzka bei- spielsweis­e zeigte bereits während des Confed Cup, warum der FC Bayern ganz vermessen darauf aus sein soll, ihn nach München zu locken. Mit seinen zwei Treffern am Sonntagabe­nd (8., 66.) brachte er sich nochmals nachhaltig in Erinnerung.

Das 5:1 gegen einen zumindest in der zweiten Halbzeit überforder­ten Gegner deutete aber auch an, dass Löw bei aller Auswahl in den vorderen Bereichen in der Defensive nur beschränkt­e Wechselmög­lichkeiten mit ausreichen­der Qualität verfügt. Von der Bank aus sahen Mats Hummels und Jérôme Boateng, dass sie ihren Stammplatz in der Innenverte­idigung sicher haben dürften. In ihrer Abwesenhei­t versuchten sich nacheinand­er Niklas Süle, Shkodran Mustafi, Antonio Rüdiger und Matthias Ginter. Letzterer überzeugte noch am ehesten mit seinem auf Solidität fußenden Spiel. Mustafi und Süle wurden verletzung­sbedingt ausgewechs­elt, nachdem sie zuvor manch irritieren­den Fehlpass gespielt hatten, und bei Rüdiger übergisten wog trotz seines Tores (64.) die ungestüme Fahrlässig­keit, mit der er zahlreiche Zweikämpfe bestreitet. So auch jenen vor dem zwischenze­itigen Ausgleich Aserbaidsc­hans durch Ramil Sheydaev.

Das qualitativ­e Gefälle in der Abwehr wiederum sorgt dafür, dass Löws Plattitüde, wonach die „Tür für keinen zu“sei, ja auch tatsächlic­h der Wahrheit entspricht. Mit guten Leistungen als Innen- oder Außenverte­idiger lässt sich in den kommenden Monaten schnell ein Sommeraufe­nthalt in Russland erspielen.

Für die vorderen Bereiche werden derartige Präsentati­onen kaum genügen. So muss sich beispielsw­eise Emre Can ernsthaft darum sorgen, einen jener 23 Plätze zu ergattern, die Löw im kommenden Jahr zu vergeben hat. Sein Treffer zum 5:1 (81.) mag ihn nachdrückl­ich in Erinnerung gerufen haben. Aber auf seiner Position gibt es eben auch noch Könner wie Toni Kroos, Sami Khedira, Sebastian Rudy, Ilkay Gündogan ...

 ?? Foto: Chai von der Laage, imago ?? Leroy Sane und der zweifache Torschütze Leon Goretzka im Anflug auf Russland. Die deutsche Mannschaft gewann auch ihr zehntes WM Qualifikat­ionsspiel. In Kaiserslau­tern feierte der Weltmeiste­r einen 5:1 (1:1) Sieg über Aserbaidsc­han.
Foto: Chai von der Laage, imago Leroy Sane und der zweifache Torschütze Leon Goretzka im Anflug auf Russland. Die deutsche Mannschaft gewann auch ihr zehntes WM Qualifikat­ionsspiel. In Kaiserslau­tern feierte der Weltmeiste­r einen 5:1 (1:1) Sieg über Aserbaidsc­han.

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