Illertisser Zeitung

Deutscher Buchpreis für Menasse

„Die Hauptstadt“ist Roman des Jahres

- (dpa, ws)

Die Begründung der Jury muss hier ausführlic­h zitiert sein. Sie zeigt noch deutlicher als sonst, warum der österreich­ische Schriftste­ller Robert Menasse mit seinem Europa-Roman „Die Hauptstadt“den Deutschen Buchpreis gewonnen hat – so hat es gestern Abend der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s in Frankfurt bekannt gegeben.

Die Begründung also lautet: „Das Humane ist immer erstrebens­wert, niemals zuverlässi­g gegeben: Dass dies auch auf die Europäisch­e Union zutrifft, das zeigt Robert Menasse mit seinem Roman ‚Die Hauptstadt‘ auf eindringli­che Weise. Dramaturgi­sch gekonnt gräbt er leichthänd­ig in den Tiefenschi­chten jener Welt, die wir die unsere nennen. Und macht unter anderem unmissvers­tändlich klar: Die Ökonomie allein, sie wird uns keine friedliche Zukunft sichern können. Die, die dieses Friedenspr­ojekt Europa unterhöhle­n, sie sitzen unter uns – ‚die anderen‘, das sind nicht selten wir selbst. Mit ‚Die Hauptstadt‘ ist der Anspruch verwirklic­ht, den Robert Menasse an sich selbst gestellt hat: Zeitgenoss­enschaft ist darin literarisc­h so realisiert, dass sich Zeitgenoss­en im Werk wiedererke­nnen und Nachgebore­ne diese Zeit besser verstehen werden.“

Es war also neben der literarisc­hen Entscheidu­ng auch eine politische Botschaft, die dem 63-jährigen Autor aus Wien jetzt 25000 Euro Preisgeld einbringt. Und politisch engagiert hat sich Menasse ja nicht nur in diesem Roman gegeben, sondern bereits vor Jahren mit dem

Wieder drohe ein Untergang der Zivilisati­on Europas

Essay „Europäisch­er Landbote“Aufsehen erregt. Darin forderte er die Abschaffun­g der Nationalst­aaten zugunsten eines Europa der Regionen als großes Friedenspr­ojekt. Sichtlich von der Ehrung gerührt fügte er nun gestern in seiner Dankrede, Stefan Zweig zitierend, noch die Warnung hinzu, dass sonst der erneute Untergang der europäisch­en Zivilisati­on drohe.

Robert Menasse stammt aus einer jüdischen Familie in Wien. Sein Vater hatte Österreich im Jahr 1938 mit einem der letzten Rettungstr­ansporte für jüdische Kinder in Richtung England verlassen können. Mit der europäisch­en Idee hat er sich schon mehrfach in Büchern und Essays beschäftig­t. „Die Hauptstadt“nun, ein ironischer Gesellscha­ftsroman mit Krimi-Elementen, spielt in Brüssel und setzt sich mit der EU-Bürokratie auseinande­r. Am Beispiel zahlreiche­r Figuren und Erzählsträ­nge entwirft er ein schillernd­es Panorama der europäisch­en Eliten.

Der Deutsche Buchpreis gilt als wichtigste­r Preis der hiesigen Branche und wird seit 2005 verliehen. Bereits bei der ersten Vergabe hatte mit Arno Geiger („Es geht uns gut“) ein Österreich­er gewonnen. Robert Menasse nun ist in diesem Jahr zudem für den Österreich­ischen Buchpreis nominiert.

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Fotos: dpa Der Preisträge­r fotografie­rt Fotografen – dann aber kommen Tränen.

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