Wildbad mit Geschichte
Alle großen Zeitungen des Reichs berichteten darüber: Hofrat Friedrich von Hessing – der von Göggingen aus die technische Orthopädie in Deutschland revolutionierte – verschenkte vor 100 Jahren das von ihm gerade neu errichtete Wildbad Rothenburg ob der Tauber. Und zwar an die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, die auch die Künstler-Pensionskasse führte und deren Ehrenmitglied er war. Für Theaters und Kunst hatte Hessing Zeit seines Lebens ein Faible. Ein Juwel bildete diese Schenkung: eine idyllisch zwischen der mittelalterlichen Rothenburger Stadtmauer und dem grünen Taubertal platzierte Kuranlage. 1894 erwarb der zu Reichtum gekommene Hessing für gerade mal 20 145 Goldmark das arg heruntergekommene Wildbad. In neun Jahren Bauzeit entstand dann für stolze 1,5 Millionen Goldmark – heute wären dies so zehn Millionen Euro – ein nobles Kurbad, das schnell zu den ersten Häusern in Deutschland aufstieg. Im Zeichen des Historismus wurde dabei der immer noch barocke Lebensstil von Adel und gehobenem Bürgertum befriedigt. Hessing schuf das Beste vom Besten: Ein repräsentatives Kurhaus, ein ganz in Marmor gehaltenes Schwimmbad, in edlem Metalldesign und wertvoller Keramik ersonnene medizinische Bäder und ein Theater ganz im italienischen Neurenaissance-Stil.
Selbst die Gemahlin von König Ludwig III. war dort öfters mit ihren vier kleinen Prinzessinnen und Prinzen zu Gast. Dochder schlimme Erste Weltkrieg, die gesellschaftlichen Umwandlungen und die Inflation ließen die alte Kur- und Sanatorien-Herrlichkeit verblassen. Vielleicht glaubte Hessing, eine Sozialeinrichtung könne die Rettung sein. Doch die Rechnung ging nicht auf. Heute ist diese geschichtsträchtige Anlage zu einem Tagungshotel der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche geworden. Das Haus liegt in einem großen Park, in dem auf einer historischer Kegelbahn aus dem Jahr 1907 auch gekegelt werden kann.