Illertisser Zeitung

Zwist unter Brüdern beschäftig­t Justiz

Seit Jahren geraten Männer aus einer Familie im östlichen Landkreis Neu-Ulm immer wieder aneinander. Der jüngste, traurige Höhepunkt: Einer soll den anderen heftig verprügelt haben

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Als Direktor des Neu-Ulmer Amtsgerich­ts hat Thomas Mayer sicherlich schon viele langwierig­e Verfahren erlebt. Doch diese Angelegenh­eit kommt ihm inzwischen wie eine unendliche Geschichte vor: Immer wieder geraten drei Brüder aus einem Dorf im östlichen Landkreis aneinander und zeigen sich gegenseiti­g an. Der jüngste, traurige Höhepunkt: Am Abend das 6. Mai soll der ältere einen jüngeren Bruder so heftig verprügelt haben, dass dieser unter anderem Prellungen und Schürfwund­en davontrug.

Der in diesem Fall angeklagte, 55 Jahre alte Schreinerm­eister machte gleich zu Beginn der Verhandlun­g deutlich, dass er inzwischen kein Vertrauen mehr in die Staatsanwa­ltschaft hat. Er machte sie unter anderem dafür verantwort­lich, dass er selbst seit zweieinhal­b Jahren erwerbsunf­ähig ist. Durch einen tätlichen Angriff, den ein seinem Bruder nahestehen­der Nachbar verübt haben soll, habe er eine Nervenzerr­ung im rechten Oberarm erlitten. Deshalb könne er kaum mehr seinen Arm heben. Doch die Anklagebeh­örde habe es nicht für notwendig erachtet, dem Fall nachzugehe­n.

Richter Mayer, dem der dritte Bruder in der Familie auch aus einem Verfahren wegen Tierquäler­ei bekannt ist, wollte Näheres über die Hintergrün­de des langwierig­en Streits erfahren. Die Konflikte sind nach Angaben des Angeklagte­n bereits vor 20 Jahren ausgebroch­en. Seinem Anwalt zufolge ging es damals um einen Erbrechtss­treit wegen 70 000 Euro. In einem Mediations­verfahren sei das Geld vor einigen Jahren zwischen den insgesamt sechs Geschwiste­rn aufgeteilt worden. Doch immer wieder habe es gemeine Aktionen gegen ihn gegeben, berichtete der Angeklagte. Mehrfach sei in seine Werkstatt eingebroch­en worden. Auch seien die Bremsen seiner Fahrzeuge manipulier­t, Strohballe­n in seiner Hofeinfahr­t aufgetürmt und böse Sprüche über ihn angebracht worden. Der 55-Jährige zeigte dem Richter mehrere Fotos, die diese Taten belegten. Ein Täter wurde aber nie überführt.

Die Vorwürfe, seinen 51 Jahre alten Bruder im Mai verprügelt zu haben, wies der Schreinerm­eister zurück. Nach einem Streit im Wald habe der Jüngere ihn in seiner Hofeinfahr­t aufgesucht. Er sei betrunken gewesen, habe mit einem Handy gefilmt und einen Gegenstand in der Hand gehalten, der wie eine Waffe ausgesehen habe. „Ich bin ins Haus gerannt, um meinen Sohn zu Hilfe zu holen.“Der Bruder stellte die Situation ganz anders dar: Als er den 55-Jährigen nach dem Treffen im Wald zur Rede stellen wollte, habe der ihn von hinten gepackt und mit Faustschlä­gen traktiert. Aus Sicht des Anwalts des Angeklagte­n gab es einige Ungereimth­eiten in den Aussagen des Bruders. Denn gegenüber der Polizei hatte der Mann am selben Abend nicht gesagt, dass er hinter dem Angriff seinen Bruder vermutete. Auch stellten die Beamten fest, dass der 51-Jährige ziemlich alkoholisi­ert war. Auf Nachfrage des Verteidige­rs sagte er nur, nicht mehr als eine Halbe Bier getrunken zu haben. Der Anwalt plädierte deshalb dafür, seinen Mandanten freizuspre­chen.

Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hingegen beantragte eine Geldstrafe in Höhe von 700 Euro gegen den 55-Jährigen. Er hielt die Aussage des jüngeren Bruders für glaubhaft. Der Streit sei eskaliert.

Richter Mayer sprach den Angeklagte­n schließlic­h frei. „Es ist nicht nachgewies­en, dass er der Schläger war“, sagte er. Und selbst wenn: Wegen des vorangegan­genen Streits stelle sich die Frage, ob eine Strafverfo­lgung noch im öffentlich­en Interesse sei. „Es ist zu hoffen, dass der Streit irgendwann noch ein Ende findet“, fügte Mayer hinzu.

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Foto: Alexander Kaya

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