Das haarige Reich des Herrn Zopf
Vor fünf Jahren kam das Friseurmuseum mit rund 6000 Exponaten von Schleswig Holstein nach Neu-Ulm. Mittlerweile ist die Zahl der Kämme, Scheren und Salonmöbel so gestiegen, dass der Ausstellungsraum verdoppelt wurde
In Reih und Glied liegen sie da: Dutzende Scheren, silber glänzend bis metall-schwarz. In der Vitrine gegenüber befinden sich zahlreiche Rasiermesser. Alle liegen fein säuberlich in der Auslage. Viele wurden anlässlich geschichtlicher Ereignisse angefertigt, wie der Weltausstellung in Chicago 1893 oder der Wahl Pius X. zum Papst 1903. Dazwischen: riesige Trockenhauben, Kinderfrisierstühle in Schaukelpferd-Form und wandhohe Glasvitrinen voll mit antiken Flakonfläschchen und bunten Lockenwicklern aus den 1960ern.
Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass „Herr Zopf’s Friseurmuseum“von Eckernförde in Schleswig-Holstein nach Neu-Ulm umzog. Doch mit den rund 6000 Scheren, Rasiermessern und historischen Lockenwicklern kam auch ihr Begründer und Namensgeber der Ausstellung mit, Heinz Zopf.
Jeden Tag ist der 75-Jährige in dem Museum bei der Friseurakademie Neu-Ulm anzutreffen. Er katalogisiert Haarklammern, sortiert Friseur-Reklame aus oder repariert kaputte Frisierstühle. Vor allem führt er Besucher durch sein Sammelsurium. Denn kaum einer kennt sich in der Historie des Friseurberufs und der Werkzeuge so gut aus wie Zopf.
Zu jedem einzelnen Ausstellungsstück hat der Norddeutsche eine Anekdote parat. So zum Beispiel zu einem Bild von Francois Haby. Er ist für den Museumsleiter ein „Vorkämpfer für den Friseurberuf“. 1880 öffnete Haby einen Salon in Berlin. Dieser wurde bald so erfolgreich, dass er Bartpomaden, Rasierseifen und Shampoos selbst herstellte. Zu größtem Ruhm kam Habys Bartwichse mit einer sogenannten Bartbinde. Mit diesem Stoff konnte der Bart über Nacht nach oben gezwirbelt werden. Über den Tag hatten die Männer dann einen Bart, dessen Enden nach oben stehen – im deutschen Kaiserreich der Modetrend unter Bartträger. Somit wurde Haby Hoffriseur bei Wilhelm II.
Zopfs Wissen über die Welt der Haare und Frisuren scheint schier unendlich. Er hat zwar von 1960 bis 1963 den Friseurberuf erlernt, doch der gebürtige Schleswig-Holsteiner schlug eine Lehrerlaufbahn ein. Er wurde Studienrat und unterrichtete in Kiel. 1980 kam dann der entscheidende Anruf. Das Bildungsministerium beauftragte Zopf, an einer Berufsschule in Eckernförde angehende Friseure zu unterrichten. Sein Auftrag: Er sollte den Schülern das Berufsbild des Friseurs näherbringen. Das war Beginn von Zopfs Leidenschaft: das Sammeln von historischen Utensilien rund um den Beruf des Friseurs. Die Ausstellung zeigt nicht nur antike Scheren oder altertümliche Rasiermesser – auch Kuriositäten sind zu entdecken. So zum Beispiel Haarbilder, die zwischen 1870 und 1910 entstanden sind. Zum Andenken an verstorbene Personen hat man den Menschen ihre Haare abgeschnitten. Diese wurden kunstvoll zu Blumen, Kränzen oder Ornamenten drapiert, um letztendlich von den Angehörigen in einem Rahmen an die Wand gehängt zu werden. Diese Bilder anzufertigen, das war zu dieser Zeit ebenfalls eine Aufgabe der Friseure.
Mehrere Dutzend solcher Kunstwerke sind in dem neu eröffneten Teil des Friseurmuseums zu sehen. Denn die Anzahl der Ausstellungsder stücke ist innerhalb der vergangenen fünf Jahre auf über 10000 Exponate angestiegen. Zum Teil sind komplette Einrichtungen von historischen Friseursalons zu sehen. Statt wie bisher 300 Quadratmeter misst das Museum nun das Doppelte.
Da sich die Sammlung auf dem Gelände der Friseurakademie befindet, kommen oft Berufsschüler in Herrn Zopfs kleines Reich. „Das Friseurmuseum ist für uns kein wirtschaftlicher Faktor“, sagt der Geschäftsführer der Friseurakademie, Harald Gloning. „Vielmehr wollen wir eine Wertschätzung des Berufs vermitteln.“Das Friseurhandwerk habe noch immer den Ruf eines schlecht bezahlten Knochenjobs. Diese Vorstellung soll mit dem Museum geändert werden. „Die Schüler kommen mit gestählter Brust hier raus“, sagt Gloning. Wenn die angehenden Friseure bei Zopf im Museum vorbeikommen, vermittelt er ihnen, was sie für einen vielseitigen und wertvollen Beruf ergriffen haben.
Schon bald werden die angehenden Friseure den Museumsleiter nicht mehr so oft antreffen. Der 75-Jährige möchte seinen Ruhestand genießen und etwas Abstand von der Sammlung nehmen. So ganz wird das wohl nicht klappen, denn der Friseur-Experte bleibt mit seinem Wissen dem Museum erhalten: Der gebürtige Schleswig-Holsteiner fertigt Tonbandaufzeichnungen an. Damit geht seine Expertise nicht verloren. Und auch wenn er sein Lebenswerk nun der Deutschen Friseurakademie übergibt, wird er noch öfter zwischen den historischen Trockenhauben, Perücken und Frisierstühlen durchgehen und seine Anekdoten erzählen.