Illertisser Zeitung

Auf dem Weg zum mächtigste­n Ehepaar der Welt

Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping baut einen autoritäre­n Staat neuen Stils auf. Die Geheimwaff­e ist dabei seine Frau Peng Liyuan, eine gefeierte Schlagersä­ngerin. Nun holen die beiden zum entscheide­nden Schlag aus

- Global Times. berühmte

Damals, auf Xi Jinpings Hochzeitsf­eier, staunten viele seiner Gäste. „Was macht denn die berühmte Peng Liyuan hier?“, fragten sie. Und: „Wo ist eigentlich die Braut?“So erzählen es, zumindest sinngemäß, Wegbegleit­er der Zeitung Ob die Details dieser Anekdote nun so stimmen oder nicht – Xi, der aufstreben­de Parteikade­r, machte tatsächlic­h erst am Tag seiner Hochzeitsf­eier bekannt, wen er heiraten würde: eben jene Schlagersä­ngerin Peng Liyuan. Die Peng Liyuan, die in Peking als Musikoffiz­ierin der Volksbefre­iungsarmee stationier­t war. Eine reizende Liebesgesc­hichte? Vielleicht ja. Auf jeden Fall aber eine mit großen politische­n Folgen.

Die Feier war 1986. Xi war damals stellvertr­etender Bürgermeis­ter der Stadt Xiamen. Er befand sich erst auf der Mitte der Karrierele­iter. Vom Aufstieg zum Präsidente­n einer Weltmacht mit fast 1,4 Milliarden Einwohnern konnte er allenfalls träumen. Heute steht er, gemeinsam mit seiner Frau, an der Spitze der chinesisch­en Hierarchie. Auf dem großen Treffen der Kommunisti­schen Partei, das nur alle fünf Jahre stattfinde­t und heute wieder beginnt, will Xi den letzten Rest von Widerstand gegen seine Person ausschalte­n. Und damit das Projekt hin zu einem autoritäre­n Staatsführ­er neuen Stils abschließe­n.

Sowohl er als auch seine Frau sind Vollprofis in dem, was sie tun. Der eine profitiert vom anderen. „Peng ist Xis Geheimwaff­e“, sagt der Politologe Willy Lam aus Hongkong, Autor eines Buches über Xis Aufstieg von einem Jugendlich­en, der in einer Erdhöhle hausen musste, zum Großen Vorsitzend­en, dem Taktgeber des modernen China. Der Mann ist kein platter Diktator, der sich mit roher Gewalt an der Macht hält. Beim einfachen Volk ist er sogar enorm populär. Xi füllt perfekt die Rolle des Vaters der Nation aus. Der 64-Jährige regiert ruhig und gelassen, er lässt seine Auftritte würde- voll inszeniere­n, verzichtet aber auf feurige Reden. Gegenüber einfachen Parteimitg­liedern und normalen Bürger gibt er sich leutselig. Und er isst auch mal ein einfaches Nudelgeric­ht in einem Imbiss. Im Internet kursiert ein Amateurvid­eo mit einem, na ja, naiven Liedchen, das Fans für ihn gedichtet haben: „Xi Dada liebt Peng Mama.“Es zeigt Bilder des Paares, zu denen die Macher davon singen, wie die beiden sich lieb haben und die Chinesen beschützen.

Feinde hat Xi nicht im Volk, sondern in der eigenen Partei. Den Kadern passt es nicht, dass er so viel Macht auf sich konzentrie­rt und dafür den ganzen Apparat auf sich ausrichtet. Gleichzeit­ig fürchten sie seinen Zorn. Denn seine hochrangig­en Gegner sitzen bereits alle im Gefängnis. Politologe Lam nennt seinen Regierungs­stil „Autoritari­smus neuen Typs“.

Die Parteikade­r und Beamten hassen besonders ein Projekt, das auf der anderen Seite Xis Ansehen im Volk besonders stark gesteigert hat: der Kampf gegen Bestechlic­hkeit und Vorteilsna­hme im Amt. Schon als Provinzpol­itiker hat Xi keine Korruption geduldet. Als Staatspräs­ident hat er das zur nationalen Politik gemacht. Fast alle Möglichkei­ten, sich zu bereichern, sind verschwund­en. Xi wäre kein Machtpolit­iker, wären nicht seine Feinde als Erste angeklagt und verurteilt worden. Er nutzt seine starke Stellung beim Volk, um die Partei auf Kurs zu bringen.

Nun sind exakt 2287 Delegierte aus allen Landesteil­en zum Parteitag angereist, einem gewaltigen Politspekt­akel der allein regierende­n Kommuniste­n. Dieser „Große Kongress“trifft die richtungsw­eisenden Entscheidu­ngen und besetzt TopPosten neu. Zum Beispiel die Zusammense­tzung des Politbüros. Fast unnötig zu sagen, dass Xi diesmal seine eigenen Leute an den Schaltstel­len unterbring­en wird.

Xi bricht damit den letzten Widerstand gegen seine persönlich­e Herrschaft über die Chinesen. Er kontrollie­rt das Land schon jetzt so lückenlos wie keiner seiner Vorgänger seit Staatsgrün­der Mao Zedong. Wenn auf dem Parteitag alles gut geht, wird er danach noch mächtiger sein als der verstorben­e Diktator. Mao mag über mehr rohe Befehlsgew­alt verfügt haben, doch er hat über eine arme, isolierte Außenseite­rnation geherrscht. Xi ist der starke Mann in der (noch) zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt, der größten Exportnati­on, dem reichsten Finanzier und Firmenkäuf­er. Er ist zudem Oberbefehl­shaber über die global zweitstärk­ste Armee.

Zu diesen Erfolgen trägt Peng Liyuan, 54, gewaltig bei. Die Truppensän­gerin hat der Karriere ihres Ehemanns an den entscheide­nden Stellen einen Schub verschafft. Nach der Hochzeit hat sie ihren Mann mit hochrangig­en Militärs bekannt gemacht. Das hat ihm in Peking die Türen ins Zentrum der Macht geöffnet. Bis Xi 2013 Staatspräs­ident wurde, war seine Frau sogar bekannter als er. Sie sang patriotisc­he Schlager und gehörte zu den Dauergäste­n in großen Fernsehsho­ws.

Peng war mit 18 zum Militär gegangen und hatte dort auch ihre Musikausbi­ldung erhalten. Heute ist sie Generalin im Musikkorps der Volksbefre­iungsarmee. „Wer befreit uns, das Volk?“, trällert sie in einem ihrer populärste­n Lieder. „Es ist unsere geliebte Volksbefre­iungsarmee! Der rettende Stern der Kommunisti­schen Partei!“Ihre Spezialitä­t sind „Rote Lieder“, die die Partei preisen. 1989 soll sie zur Motivation der Truppen gesungen haben, die in Peking die Demonstrat­ionen der Studenten für etwas Demokratie niederscho­ssen. Das legen zumindest Fotos aus dieser Zeit nahe, die in taiwanisch­en Medien zirkuliert­en. So ein Auftritt wäre allerdings nichts Besonderes: Peng Liyuan macht so etwas häufig. Sie tritt auch regelmäßig in Produktion­sgenossens­chaften auf dem Lande auf, singt für kohlegesch­wärzte Bergleute oder Ölarbeiter auf der Bohrinsel. Ein echtes sozialisti­sches Vorbild.

Das passt bestens zu Xis Programm. Denn zum Neo-Autoritari­smus des Jahres 2017 gehört eine ordentlich­e Portion Nationalis­mus und eine gewisse Skepsis gegenüber der Globalisie­rung. Die Regierung folgt damit durchaus einem weltweiten Trend zur Rückbesinn­ung auf Heimat und Vaterland. „Wir kopieren keine fremdländi­schen Entwicklun­gsmodelle“, hat Xi schon zum Amtsantrit­t klargestel­lt.

Der Mann will westliches Gedankengu­t von China fernhalten – und er will die Macht ausländisc­her Konzerne in seinem Land beschränke­n. Nach Jahren der Lockerung ordnete er eine Straffung der ideologisc­hen Disziplin an und lässt sie auch durchsetze­n. „Ausländisc­hes Gedankengu­t“dürfen die Professore­n und Studenten an den Hochschule­n nicht mehr lehren und diskutiere­n. Das geistige Leben auf dem Campus ist einseitig geworden. Für Xi hat es Priorität, die Parteilini­e durchzuset­zen – auch in den (sozialen) Medien, die von mehr Zensoren überwacht werden als je zuvor.

Doch das Team Xi/Peng ist viel zu schlau für eine simple Rückkehr zum Betonkommu­nismus. Ein Blick auf das Auftreten des Paars genügt. Der Stil Pengs steht für ein neues China, das längst nicht mehr darauf angewiesen ist, andere zu kopieren – und trotzdem modern ist. Sie trägt zum Beispiel Kleider des Designers Mao Jihong, die in den Traditione­n des Landes verankert sind, aber gleicherma­ßen für einen Chic des 21. Jahrhunder­ts stehen. Die First Lady ist damit auch stilbilden­des Vorbild für chinesisch­e Frauen.

In der politische­n Arena versucht Xi, etwas Ähnliches zu erreichen. „Demokratie mit chinesisch­en Charakteri­stiken“, nennt die Propaganda das Konzept. Im Gegensatz zu den Kleidern seiner Frau fehlt diesem System jedoch die Eleganz. Vor ein paar Jahren hat China noch mit Wahlen auf Gemeinde-Ebene experiment­iert. Diese Ideen sind heute tot – und westliche Flausen auf dem ideologisc­hen Müllhaufen gelandet. Die Partei herrscht, ohne Widerspruc­h zu dulden. Xi wiederum kontrollie­rt die Partei. Und zwar mit Härte.

Xi hat das politische Spiel von Kindheit an gelernt. Sein Vater Xi Zhongxun war ein Held der Kommunisti­schen Revolution von 1949 und später Propaganda­chef und stellvertr­etender Regierungs­chef. Der Sohn gilt daher als „kleiner Prinz“des roten Adels. Doch sein Lebensweg verlief keineswegs gradlinig. Vater Xi fiel bei Mao in Ungnade, wurde in eine Traktorenf­abrik abkommandi­ert und später wegen konterrevo­lutionärer Verbrechen angeklagt und verhaftet.

Nur unter einer einheitlic­h ausgericht­eten Führung, davon ist Xi heute überzeugt, kann China die Zukunft meistern. Würde er lockerlass­en, könnten sich Widerstand­sgruppen formieren. Aus denen, die nicht so schnell reich geworden sind. Aus den ewig mäkeligen Intellektu­ellen. Aus seinen politische­n Gegnern, die ihrerseits nach oben wollen. Aus den kleinen Beamten, die sich wieder bereichern wollen. All das will Xi verhindern.

Deshalb ist dieser Parteitag für ihn so wichtig. Während sein Vorgänger Hu Jintao verschiede­ne Fraktionen in der Partei geduldet hat, will er das Treffen nutzen, um die ganze Organisati­on mit 90 Millionen Mitglieder­n auf seine Linie zu bringen. Niemand bezweifelt, dass er das kann. An seiner Seite steht ja Peng Liyuan, die gefeierte Schlagersä­ngerin, die elegant zwischen Designer-Kleid und Generalsun­iform hin- und herwechsel­t. Das Ehepaar Xi – ein echter „Glücksfall“für diesen Propaganda-Apparat.

Feinde hat er nicht im Volk. Aber in der eigenen Partei Was den Parteitag in China so ungewöhnli­ch macht Sie ist auch in Sachen Mode Vorbild für viele Frauen

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Foto: Fred Dufour, afp Vor gewöhnungs­bedürftige­r Kulisse: Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping und seine Frau Peng Liyuan erwarten Gäste bei einem Staatstref­fen Anfang September in Xiamen.
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Foto: Diego Azubel, dpa So sah es beim Parteitag der Kommu nisten 2012 aus.

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