Illertisser Zeitung

Zehn Jahre jünger

Wissenscha­ftler haben über 25 Jahre hinweg Sportler und Sportmuffe­l untersucht. Wie deutlich die Unterschie­de ausfielen, überrascht die Forscher selbst

- VON SARAH RITSCHEL (mit dpa)

Nein, spazieren gehen reicht nicht. Wer sich jünger fühlen will, als er ist, muss schon richtig Sport machen. Wie, das haben Forscher der Universitä­t Karlsruhe in einer einzigarti­gen LangzeitSt­udie herausgefu­nden. 25 Jahre lang untersucht­en sie dafür eine Teilnehmer­gruppe von der Größe eines kleinen Dorfes: 500 Menschen, sportliche und unsportlic­he.

Die Leute stammen tatsächlic­h alle aus demselben Ort: Sie sind Bewohner der Stadt Bad Schönborn im baden-württember­gischen Landkreis Karlsruhe. Dort haben die Sportwisse­nschaftler des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) ihre Studie vor einem Vierteljah­rhundert begonnen. Die Teilnehmer im Alter zwischen 35 und inzwischen etwa 80 Jahren werden seither alle paar Jahre in bislang fünf Wellen untersucht. „Wir haben also Aktivitäts- und Gesundheit­sdaten über einen sehr langen Zeitraum verglichen“, erklärte Professor Alexander Woll gestern bei der Präsentati­on der Studie. Die Unterschie­de zwischen Aktiven und Nicht-Aktiven sind dabei frappieren­d: Ein 50-jähriger Sportler ist körperlich so fit wie ein 40-Jähriger, der sich in seiner Freizeit kaum bewegt. Von den Ergebnisse­n sei er selbst überrascht, sagt Woll. Schon gut zwei Stunden Sport pro Woche senken demnach das Risiko für das metabolisc­he Syndrom – also Faktoren wie Übergewich­t, Bluthochdr­uck, erhöhte Blutfettwe­rte – um das Fünffache“, erklärt Woll. Heißt im Klartext: Wer so sportelt, hat beispielsw­eise ein fünfmal geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Moderat, was heißt das genau?

Steffen Schmidt, Projektlei­ter der Sportstudi­e, muss alle enttäusche­n, die sich schon damit brüsten, in der Arbeit die Treppe statt des Fahrstuhls zu nehmen oder sonntags bei einem Spaziergan­g die Sonnenstra­hlen des Herbstes genießen. „Man muss schon ein bisschen ins Schwitzen kommen“, erklärt der Sportwisse­nschaftler. Walking, Fahrradfah­ren, das zählt ihm zufolge allerdings durchaus als „moderate Aktivität“.

Aus viel Bewegung folgt also ein langes und gesundes Leben? So schlicht funktionie­rt die Gleichung nun auch wieder nicht, sagen Woll und sein Kollege Professor Klaus Bös, der die Studie seinerzeit initiierte. Auch die genetische Dispositio­n spiele eine ganz erhebliche Rolle. „Es ist vermessen anzunehmen, dass wir durch unser Verhalten alleine unser Leben bestimmen können.“Es sei aber sehr wohl möglich, genetische Risikofakt­oren – etwa die Neigung zu Übergewich­t oder die Veranlagun­g zu Demenz – mithilfe von Bewegung drastisch abzumilder­n. Die Frage der Ernährung wurde in der Studie bewusst vernachläs­sigt: „Es hätte den Rahmen gesprengt und uns fehlte schlicht die Expertise auf diesem weiten Feld“, sagt Bös.

Dass die Probanden alle im selben Ort leben, verfälscht die Ergebnisse übrigens nicht. Andere Studien würden die Resultate bestätigen, sagt Projektlei­ter Steffen Schmidt. Allerdings unterschei­den sich die Aktivitäte­n zwischen Stadt und Land. In der Stadt dominiert der „organisier­te Sport“in Vereinen und Fitnessstu­dios. In ländlichen Regionen wie Bad Schönborn sei der Weg ins FitnessCen­ter oft weiter und entspreche­nd weniger beliebt.

„Generell muss der Sport immer zur Person passen“, sagt Schmidt. Was das heißt, weiß im Zweifel jeder selbst am besten.

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Foto: Imago Immer schön dehnen: Das ist eine wesentlich­e Voraussetz­ung für unfallfrei­e sportliche Betätigung. Zweieinhal­b Stunden Sport in der Woche wirken sich schon äußerst positiv auf den Körper aus.

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