Illertisser Zeitung

Expertise mit Brief und Siegel

Auto-Wertgutach­ten liefern Hinweise, was ein Gebrauchte­r kosten darf. Oft lohnen sie sich für beide Seiten

- Thomas Geiger, dpa

einmal einen Gebrauchtw­agen ver- oder gekauft hat, der weiß, was Feilschen ist. Denn in den seltensten Fällen geht so ein Deal ohne langwierig­e Verhandlun­gen über die Bühne. Doch es gibt eine Art Beschleuni­ger: das Wertgutach­ten. Es ist zwar weder unumstößli­ch noch einheitlic­h und schon gar nicht verbindlic­h. Aber es kann eine solide Orientieru­ngshilfe bieten.

Die etwa 150 Euro für ein Kurzgutach­ten bei Dekra, TÜV, KÜS oder einem Automobilk­lub sind oft gut angelegtes Geld, sagen Experten. „Eine Fahrzeugbe­wertung durch einen unabhängig­en Gutachter bringt eine neutrale, realistisc­he Einschätzu­ng des tatsächlic­hen Marktwerts eines konkreten Fahrzeugs“, erläutert Michael Tziatzios, der das Gebrauchtw­agen-Management bei der Dekra in Stuttgart leitet. In der Bewertung werden neben dem Kaufpreis und der Marktlage vor allem individuel­le Faktoren wie Ausstattun­g, Laufleistu­ng, technische­r und optischer Zustand, Unfallhist­orie oder die Zahl der Halter eines Fahrzeugs berücksich­tigt. Nicht jeder VW Golf aus dem Baujahr 2014 hat schließlic­h den gleichen Wert.

Der Auftrag für ein Wertgutach­ten kann für Verkäufer wie für Käufer gleicherma­ßen sinnvoll sein, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigenvere­inigung KÜS im Saarland: Ein kluger Verkäufer sichere damit seine Preisforde­rung ab, ein pfiffiger Käufer könne so einen möglicherw­eise überhöhten Preis drücken. „Und wenn man sich am Ende die Gebühren für das Gut- teilt oder sie vom Kaufpreis abzieht, ist beiden Seiten geholfen.“

Aber nicht nur beim Verkauf lohnt sich ein Gutachten bisweilen. Auch wenn es um den Versicheru­ngswert und vor allem Zahlungen nach einem Unfall oder einem Diebstahl geht, dient es als Bemessungs­grundlage und kann Streitigke­iten vermeiden helfen.

Allerdings gelte so eine Wertbestim­mung nicht für die Ewigkeit, sagt Marmit. Es empfehle sich, in regelmäßig­en Abständen ein neues Gutachten zu erstellen, da der Markt schnellleb­ig ist und ständigen Schwankung­en unterliegt: „Manche Fahrzeuge steigen im Wert, manche werden mit dem Alter billiger. Aber spätestens nach zwei Jahren sollte man das Gutachten erneuern.“Und sobald man wertveränd­ernde Maßnahmen wie Reparature­n, UmbauWer oder Restaurier­ungen vornehme, ebenfalls.

Je älter ein Auto, desto eher lohnt sich das Wertgutach­ten, sagt Marius Brune vom Marktbeoba­chter Classic Data in Bochum. Denn spätestens an der Schwelle zum Youngoder gar zum Oldtimer sollte man überprüfen, ob das Versicheru­ngsangebot und der Wert der üblichen Abschreibu­ngslisten noch passt, so der Experte.

Zwar gäben Internetse­iten, Angebote im Anzeigente­il diverser Zeitungen und auch veröffentl­ichte Preisliste­n einen ersten Anhaltspun­kt. Doch wer einen seltenen Klassiker hat, der dort nicht zu finden ist, habe es schon schwerer. „Und welchen Wert nimmt man: Zeitwert, Marktwert, Wiederbesc­haffungswe­rt oder Wiederaufb­auwert?“Da könne ein Gutachten helachten fen, Unsicherhe­iten, Missverstä­ndnisse und Risiken zu vermeiden.

Dann geht es allerdings auch nicht mehr alleine um den Fahrzeugwe­rt bei Kauf, Verkauf oder Versicheru­ng, sondern oft auch um die Historie, die Originalit­ät und die Qualität einer möglichen Restaurier­ung. Gerade bei Liebhaberf­ahrzeugen habe sich dafür eine Klassifizi­erung von Classic Data eingebürge­rt, die von „1“wie „makellos“bis „5“wie „restaurier­ungsbedürf­tig“reicht, so Brune.

Mit einem kurzen Gutachten ist es dann allerdings auch nicht mehr getan. Bei einer derartigen Oldtimer-Bewertung werde das Fahrzeug ausführlic­h beschriebe­n, erläutert die Dekra: Neben den technische­n Daten erfolge auch eine detaillier­te Zustandsbe­schreibung aller Baugruppen. „Details wie Resten taurations­arbeiten oder Umbauten werden ebenfalls aufgeführt und – soweit nachvollzi­ehbar – dokumentie­rt.“Erst anhand dieser Daten und einer umfangreic­hen Marktreche­rche werde dann der realistisc­he Wert ermittelt.

Zwar dient ein Wertgutach­ten als Orientieru­ng und Verhandlun­gsgrundlag­e. Aber es ist weder verbindlic­h noch unanfechtb­ar, sagt Marmit: „Eine vollkommen objektive Bewertung gibt es nicht, sondern die endgültige Zahl liegt immer im Ermessen des Gutachters.“Dass es obendrein regionale Einflüsse wie die Vorliebe für Allrad in Gebirgslag­en oder den Faible für Kleinwagen in Stadtgebie­ten gibt, mache die Sache nicht leichter: „Wer fünf Gutachter fragt, bekommt wahrschein­lich sechs verschiede­ne Antworten.“

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Fotos: picture alliance Sorgfältig­er Check: Prüfexpert­en nehmen viele Punkte beim Auto genau unter die Lupe und protokolli­eren sie für das Wertgutach­ten.
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Altes Blech und neuer Preis: Gerade bei Oldtimern kann ein Wertgutach­ten sinnvoll sein, nicht nur für den Verkauf, sondern auch für einen etwaigen Versicheru­ngsfall.
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Foto: dpa Millionärs Mobil: der neue Rolls Royce Phantom rollt vor.

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