Illertisser Zeitung

Weil Wiese nicht gleich Wiese ist

Die Kommune Kettershau­sen beteiligt sich auf ihrem Weg zur „Naturgemei­nde“an einem Grünlandpr­ojekt. Was sich seit dem Auftakt im Frühjahr alles getan hat. Der Projektman­ager zieht eine Zwischenbi­lanz

- VON SABRINA SCHATZ

Der Sommer ist vorbei – und damit auch die erste Etappe des Grünlandpr­ojekts, an welchem Kettershau­sen auf seinem Weg hin zur Naturgemei­nde teilnimmt. Ökologe und Projektman­ager Sebastian Hopfenmüll­er von der Stiftung Kultur-Landschaft Günztal zieht eine Zwischenbi­lanz: Was hat sich seit dem Start im März auf den Feldern getan? Welche Ziele wurden bereits erreicht?

Zwölf Kettershau­ser Landwirte beteiligen sich bislang an dem Projekt. „Damit bin ich zufrieden“, sagt Hopfenmüll­er, zumal einige anfangs Skepsis, teils auch Frust gegenüber dem Naturschut­z geäußert hätten. „Manche haben befürchtet, sich einschränk­en zu müssen.“Grund für die Vorbehalte waren offenbar Erfahrunge­n mit staatliche­n Naturschut­zprogramme­n: Fördergeld­er seien häufig an starre Regeln gebunden und nicht auf das Unterallgä­u zugeschnit­ten, hieß es. Das Grünlandpr­ojekt sei daher regionalis­iert worden. „Ich glaube, dass nicht unsere Prämien ausschlagg­ebend waren, sondern die Flexibilit­ät und der Kontext Naturgemei­nde. Dass im Ort etwas passiert, finden viele gut“, sagt Hopfenmüll­er.

Vier Ziele sind im März definiert worden: Die Landschaft soll vielfältig­er und das Grünland artenreich­er werden. Mehr Wiesen sollen wachsen und Original Braunvieh auf den Weiden grasen. An allen Bereichen wird bereits gearbeitet.

Der Hintergrun­d: Das Unterallgä­u ist ein Agrargebie­t, das Landwirte intensiv nutzen können – es ist flach, Böden und Niederschl­äge sind günstig. „Sechs Grasschnit­te im Jahr sind drin“, sagt der Ökologe. „Für die Biodiversi­tät ist das eine Katastroph­e.“Denn: Je mehr Schnitte, desto weniger Zeit haben Gräser, sich zu entfalten. Samenmater­ial geht verloren, meist wird Einheitssa­atgut nachgesät. Hinzu kommt, dass vermehrt Grünland in Maisäcker umgewandel­t wird.

Um einen Ausgleich zu schaffen, haben die Projekttei­lnehmer zum Beispiel rund zwölf Hektar Heuwiesen wachsen lassen, vier Hektar davon auf Ackerland. Die Stiftung hat das Saatgut gestellt, das 40 bis 50 heimische Pflanzenar­ten umfasst, die sich aber nur zum Teil durchsetze­n. Die Bauern dürfen die Heuwiesen nur zu zwei Zeitpunkte­n – im Mai und Juni – mähen, müssen die Gräser zum Trocknen liegen lassen und kreiseln, um die Samen zu verteilen. „Die Wiese kann sich so selbst regenerier­en und Gräserarte­n bleiben erhalten“, sagt der Experte. Freilich hätten die Landwirte nicht ihre produktivs­ten Flächen „geopfert“– das sei aber auch nicht das Ziel, wie Hopfenmüll­er sagt: „Wir wollen die Landschaft ja nicht komplett verändern, sondern haben sensible Bereiche im Blick.“Hervorhebe­n will er das Engagement eines Landwirts: Dieser wandelt drei Hektar Maisacker in Grünland um. Wo sich vor zwei Wochen noch Maisstaude­n reihten, bilden nun Furchen im braunen Boden ein Saatbeet für Gräser und Kräuter. „Mit einer so großen Fläche haben wir gar nicht gerechnet.“

Zudem haben die Teilnehmer 2,8 Kilometer Grünstreif­en an Feldränder­n angelegt, die nicht gedüngt und zu anderen Zeiten gemäht werden. „Sie bringen Struktur in die Landschaft und sind ein Erosionssc­hutz in den Auen, also Flächen, die überschwem­mt werden könnten“, erklärt Hopfenmüll­er.

Ein Landwirt hat sich dazu entschiede­n, Braunvieh weiden zu lassen – und erfüllt damit das vierte Ziel. Die Tiere fressen die Gräser langsam und nur zum Teil ab, sodass immer etwas sprießt und blüht. Dies sei wichtig für die Kulturland­schaft Unterallgä­u, so Hopfenmüll­er, denn obwohl der Landkreis die rinderreic­hste Gegend Bayerns ist, sehe man nur wenig Vieh auf Feldern.

Die Bauern bekommen für die Maßnahmen Prämien. Für den gesamten Projektzei­traum von drei Jahren, also bis 2019, sind 35000 Euro dafür angesetzt. Für 2017 hatten Stiftung und Gemeinde jeweils 5000 Euro eingeplant. Der Etat sei bereits ausgeschöp­ft. „Wir sind sogar ein bisschen über das Budget hinausgega­ngen“, sagt Hopfenmüll­er. Sollten sich im kommenden Jahr mehr Landwirte zur Teilnahme entscheide­n, werden die Gemeinde und Stiftung nach weiteren Möglichkei­ten der Finanzieru­ng suchen. Bürgermeis­terin Susanne Schewetzky sagt dazu: „Wenn es so wäre, werden wir das durchsprec­hen. Wir lehnen sicher niemanden ab.“

Was die nächsten Schritte sind: Hopfenmüll­er kann sich vorstellen, brachliege­nde Flächen – er nennt sie „Eh-da-Flächen“oder Brennnesse­lfluren – zu pflegen und etwa Blühstreif­en zu säen. Davon profitiert­en wiederum auch Kettershau­ser Nicht-Landwirte: „Sie haben eine attraktive­re Landschaft vor der Haustür, die sich zur Naherholun­g eignet.“

Damit sich Interessie­rte selbst ein Bild machen können, bieten die Gemeinde und Stiftung am Samstag, 21. Oktober, eine Erkundungs­tour mit dem Fahrrad an – Stationen liegen unter anderem entlang des Naturschut­zgebiets Kettershau­ser Ried. Treffpunkt ist um 14 Uhr an der Kläranlage. Eine Anmeldung ist nicht erforderli­ch.

Mehr heimische Gräser sprießen

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Fotos: Sabrina Schatz Der Landwirt, dem diese Fläche gehört, hat einen sechs Meter breiten Grünstreif­en zwischen seinem Feld und einem Graben an gelegt. Zuvor war der Streifen nur halb so groß, wie Ökologe Sebastian Hopfenmüll­er erzählt.
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Grün blaue Pfosten sollen den Bürgern zeigen: Hier tut sich etwas.

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