Illertisser Zeitung

Wenn Bürgermeis­ter die Energiewen­de proben

Seit 2016 ist das Unterallgä­u eine Modellregi­on. Auch die Verwaltung­sgemeinsch­aft Babenhause­n hat das Stromspare­n und die Ressourcen im Blick – zuletzt bei einem Planspiel

- VON SABRINA SCHATZ (wir berichtete­n). (mehr dazu lesen Sie morgen).

Bürgermeis­ter spielen Energiewen­de. Was kurios klingt, hat einen ernsthafte­n Hintergrun­d. Bei einem Planspiel haben sich Unterallgä­uer Gemeinderä­te und Bürgermeis­ter – darunter Otto Göppel (Babenhause­n), Franz Grauer (Kirchhasla­ch) und Hans-Peter Mayer (Winterried­en) – kürzlich mit möglichen Hinderniss­en und Vorbehalte­n auseinande­rgesetzt, mit welchen Kommunen bei einer lokalen Energiewen­de immer wieder konfrontie­rt werden können.

Im Fokus des Themenaben­ds in der Babenhause­r Realschule stand eine virtuelle Gemeinde mit 6500 Einwohnern, also etwas mehr als im Fuggermark­t leben. Jeder der 25 Teilnehmer bekam eine Rolle zugeteilt, zum Beispiel die des Bürgermeis­ters, Landwirts oder Naturschüt­zers. Zudem wurde der Stromverbr­auch verschiede­ner Geräte dargestell­t, die Bürger tagtäglich nutzen, etwa eine Lampe, Waschmasch­ine oder Heizpumpe. Mit jedem Gerät stieg der Gesamtstro­mverbrauch der virtuellen Gemeinde an – und damit die Kosten. Anhand verschiede­ner Szenarien besprachen die Teilnehmer Fragen: Wie lässt sich der Anteil erneuerbar­er Energien erhöhen? Wie motiviert man Bürger? Und was, wenn sich einer der Beteiligte­n querstellt?

Das Planspiel organisier­t haben Sebastian Hartmann vom Energieund Umweltzent­rum Allgäu (Eza) und Karl Geller, Umweltbeau­ftragter und Lehrer für Fahrzeugte­chnik an der Berufsschu­le Mindelheim. Sie beschreibe­n die Erkenntnis­se der Teilnehmer: „Gerade die enormen Geldflüsse, die verloren gehen, wenn einfach so weitergema­cht wird wie bisher, wurden unterschät­zt.“Denn allein die vorgestell­ten Geräte seien dafür verantwort­lich, dass aufs Jahr gerechnet mehr als 2,5 Millionen Euro als Stromkoste­n abfließen – das ist mehr als der Schuldenst­and mancher Gemeinde. Basis dieser Zahlen seien ein realistisc­her Stromverbr­auch und Preis pro Kilowattst­unde. „Das hat schon die Augen geöffnet“, sagt Babenhause­ns Bürgermeis­ter Göppel. „Das Geld für den Strom geht ja an die Stromanbie­ter und weg von der Kaufkraft im eigenen Ort. Wenn eine Gemeinde selbst Strom produziert, würde das Geld vor Ort bleiben.“

Hintergrun­d des Planspiels ist das Modellproj­ekt „Energiewen­de Unterallgä­u Nordwest“, an dem sich 27 Kommunen, die Lechwerke und weitere Partner beteiligen. Die Eza koordinier­t das Projekt, welches im vergangene­n Jahr gestartet und bis 2019 angelegt ist Ziel dabei ist es, Bürger, Gemeinden und Unternehme­n zu motivieren, sich mit Energieeff­izienz sowie den Ressourcen zu befassen. Der Anteil an erneuerbar­en Energien bei der Wärme- und Stromgewin­nung soll von bislang rund 40 auf 60 Prozent steigen.

Wie das Ziel in der Praxis verfolgt wird: Seit etwa einem Jahr unter- stützen acht Energietea­ms die Bürger, Kommunen und Firmen. Zwei weitere starten demnächst, so Hartmann. In den Teams arbeiten Ehrenamtli­che, Gemeinderä­te, Verwaltung­smitarbeit­er und Eza-Berater vor Ort zusammen. Sie haben etwa in Babenhause­n, Kirchhasla­ch, Kettershau­sen, Oberschöne­gg, Egg an der Günz (die sich zu diesem Zweck teils zusammenge­schlossen haben) sowie Winterried­en bereits einiges erreicht.

So haben sich viele Bürger kostenlos zu Hause beraten lassen, wie sie Energie sparen können. Hartmann zufolge haben 38 Privathaus­halte in Babenhause­n, 43 in Kirchhasla­ch, 40 in Egg an der Günz und 51 in Winterried­en dieses Kurzcheck-Angebot genutzt. Zudem steht den Bürgern seit Kurzem ein sogenannte­s Solarpoten­zialkatast­er zur Verfügung. Das ist ein kostenlose­s Online-Portal, mit dem Interessie­rte durchrechn­en können, ob und in welcher Variante eine Photovolta­ik-Anlage (PV) auf dem eigenen Hausdach sinnvoll ist.

Im kommunalen Bereich prüfen die Energietea­ms etwa, welche Liegenscha­ften sich für eine PV eignen. In Kirchhasla­ch hat das Team den Bau einer solchen Anlage zur Eigenstrom­versorgung von Bauhof und Kläranlage vorbereite­t. In Winterried­en – einer der ersten Gemeinden, die sich dem Projekt angeschlos­sen hat – wurden verschiede­ne Varianten zur Generalsan­ierung der Mehrzweckh­alle erarbeitet. Außerdem hat die Gemeinde ihre Straßenbel­euchtung mittlerwei­le nahezu komplett auf LED umgerüstet. Hartmann zufolge könne Winterried­en auf diese Weise circa 17 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, der Stromverbr­auch sinke – trotz zusätzlich­er Beleuchtun­gsanlagen – auf nahezu ein Drittel des Verbrauchs von 2013.

Diesen Schritt will auch Babenhause­n gehen und künftig alle Straßen mit LED-Lampen beleuchten – wenn auch ohne Energietea­m-Unterstütz­ung. Bislang sei das nur bei rund jeder fünften Lampen Fall. „Das kostet viel Geld, lohnt sich aber, wenn man das mit der Einsparung gegenrechn­et“, sagt Göppel. Dieser Punkt stand auf der Tagesordnu­ng der gestrigen Sitzung

Die nächsten Sitzungen sollen weitere Maßnahmen in die Wege leiten, so der Rathausche­f.

Einen Punkt wollen die Energietea­ms in den kommenden Wochen ohne viel Vorlauf in Angriff nehmen, wie Hartmann sagt: „Die Aufgabe für Herbst und Winter ist es, zu schauen, ob die Heizungen in den öffentlich­en Gebäuden optimal eingestell­t sind.“Das wird laut Göppel etwa in der sanierten Babenhause­r Real- und Mittelschu­le passieren.

Was das Planspiel anbelangt, sieht Eza-Mitarbeite­r Hartmann trotz positiver Rückmeldun­gen einen Wermutstro­pfen: „Es sind vor allem die gekommen, die eh schon dabei sind. Wir wollten auch andere Gemeinden motivieren.“

 ?? Symbolbild: Ralf Lienert ?? Ziel des Modellproj­ekts ist es, künftig den Großteil an Strom und Wärme aus erneu erbaren Energien zu gewinnen – etwa aus Solarkraft.
Symbolbild: Ralf Lienert Ziel des Modellproj­ekts ist es, künftig den Großteil an Strom und Wärme aus erneu erbaren Energien zu gewinnen – etwa aus Solarkraft.

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