Ein Werkzeugkasten für lebenswerte Dörfer
Ein Handbuch soll Gemeinden dabei unterstützen, den Charakter ihrer Orte zu erhalten und diese weiter zu entwickeln. An welchen Problemen es ansetzt
Ein klassischer Werkzeugkasten ist die Holzkiste im DIN-A4-Format nicht: Statt Meterstab, Schraubenzieher, Hammer oder Zange enthält sie einen Stapel Flyer, einen USB-Stick und ein gut 200 Seiten starkes Handbuch. Es soll Gemeinden mit praktischen Tipps, konkreten Vorschlägen und Praxisbeispielen dabei helfen, Probleme im Ortskern und an den Dorfrändern anzugehen oder ihnen im besten Fall vorzubeugen.
Die Landkreise Unter- und Ostallgäu hatten das Modellprojekt „Dorfkerne – Dorfränder“ins Leben gerufen, um auf den strukturellen Wandel zu reagieren, der sich in den Dörfern zunehmend bemerkbar macht: Markante Bauernhöfe im Ortskern stehen leer und drohen zu verfallen, große Landwirtschaften entstehen im Außenbereich und Neubau- sowie Gewerbegebiete an den Ortsrändern. Weil dadurch viele Orte ihren ursprünglichen Charakter und damit auch ein Stück Lebensqualität verlieren, wollten die beiden Landkreise gemeinsam gegensteuern und den Gemeinden möglichst praktische Hilfen an die Hand geben, um etwa Leerstände zu verhindern.
Ein Entwurf des Handbuchs, an dem das Planungsbüro „Lars Consult“, das Amt für ländliche Entwicklung Schwaben, die Kreisheimatpflege, die Untere Naturschutzbehörde, die Gartenfachberatung und die Bauabteilungen der beiden Landkreise mitgearbeitet haben, war bereits im Februar im KreisBauausschuss vorgestellt worden. Nun präsentierte Lothar Zettler von „Lars Consult“das fertige Werk bei einer Sitzung des Kreisverbands Unterallgäu des Bayerischen Gemeindetags den Bürgermeistern. Tussenhausens Bürgermeister Johannes Ruf, der der Lenkungsgrup- angehörte, hatte das Handbuch zuvor schon als etwas „sensationell Gutes“bezeichnet. „Ich hoffe, dass es in möglichst vielen Rathäusern Anwendung findet“, sagt er und auch Zettler betonte: „Das Handbuch ist der textliche Teil. Wichtig ist, was nachher kommt. Es kommt auf Sie drauf an.“
Er empfahl den Gemeinden sich zu fragen: „Was haben wir? Welche Funktionen soll das Dorf heute und künftig erfüllen? Was brauchen wir? Wo wollen wir hin? Dabei gehe es nicht darum, eine Käseglocke über den Ort zu stülpen und nichts zu verändern, sondern darum, ihn so weiterzuentwickeln, dass er einzigartig und lebenswert bleibt. Das Handbuch stellt dazu eine Auswahl ortsplanerischer Werkzeuge vor. Sie reichen vom Bebauungsplan über Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen und kommunales Flächenmanagement bis zu Architektur- und Dorfwettbewerben oder auch der Einrichtung eines eigenen Gestaltungsbeirats. Zu jedem dieser Werkzeuge finden die Gemeinden im Handbuch eine Checkliste mit Kurzbeschreibung, Kosten, Umsetzungsbeispielen, Strategien oder Vor- und Nachteilen. Es geht auf Problemstellungen in der Praxis ein, zeigt Lösungsansätze auf und gibt Handlungsempfehlungen.
Insgesamt hat das Projekt 120000 Euro gekostet. 72 000 Euro davon werden mit Mitteln aus dem Förderprogramm „Leader“der Europäipe schen Union bezahlt, die verbleibenden 48 000 Euro teilen sich die beiden Landkreise. Ethelbert Babl, LeaderKoordinator für den Bereich Allgäu und westliches Oberland, hält dieses Geld für „sehr gut angelegt“. Da das Projekt möglicherweise bayernweit einzigartig ist und es auch für andere Landkreise Vorbildcharakter haben könnte, regte er eine Ausstellung in München an, um den Werkzeugkasten im ganzen Freistaat bekannt zu machen.
steht im Internet als Download bereit unter www.dorfkerne dorfraender.de. Weitere Informationen gibt es außerdem auf der Internetseite des Landkreises unter www.unterall gaeu.de/dorfkerne dorfraender.