Illertisser Zeitung

Wie der Handel in der Innenstadt florieren könnte

Wie soll sich die Geschäftsw­elt in Illertisse­n entwickeln? Ein Experte gibt dazu Tipps – er hat auch den Marktplatz im Blick

- VON SABRINA SCHATZ

Die Trends machen vor Illertisse­n nicht Halt: Die Menschen kaufen per Mausklick und im Shoppingce­nter statt in kleinen Läden. Inhaber von Fachgeschä­ften suchen vergebens nach Nachfolger­n. Immobilien in bester Lage drohen leerzusteh­en. Diese Probleme hat Stefan Holl, Geschäftsf­ührer der Gesellscha­ft für Markt- und Absatzfors­chung, dem Stadtrat aufgezeigt – und auch, wo sich noch Potenzial ausschöpfe­n lässt. „Illertisse­n geht es noch sehr gut. Sie haben viel Geld in die Hand genommen in den letzten Jahren. Aber wenn Sie sich nur gelegentli­ch mit dem Handel beschäftig­en, drohen Verluste in der Stellung als Anlauf- und Einkaufsst­adt“, appelliert­e er. ● Laut Bericht hat Illertisse­n derzeit ausreichen­d Fachgeschä­fte und einen guten Branchenmi­x. Von rund 100 Betrieben widme sich ein Drittel den Lebensund Genussmitt­eln. Damit sei die Nahversorg­ung gesichert, sowohl in der Kernstadt als auch in den Ortsteilen. „Potenzial gibt es bei BioLebensm­itteln“, sagte Holl. Zudem sieht er Entwicklun­gsmöglichk­eiten im Bereich Sport, Schuhe und Elektronik, weniger bei Bekleidung. Um ein breites Angebot zu sichern, rät Holl den Stadträten eine „Illertisse­r Liste“zu beschließe­n, welche Bedarf und Sortiment festlegt.

Ebenso solle die Stadt den Trend zum Essen außer Haus nutzen und neue (Außen-)Gastronomi­e anwerben: „Heutzutage geht es nicht darum, Hungrige satt, sondern Satte hungrig zu machen. Wir brauchen mehr Erlebnis.“● Einzelhänd­ler, die in den Ruhestand gehen wollen, haben Schwierigk­eiten, einen Nachfolger zu finden – und sind teils gezwungen zu schließen. Stadt- rat Ansgar Batzner (Freie Wähler) fragte, was die Stadt proaktiv dagegen tun könne. „Setzen Sie ein Signal, dass es sich lohnt, zu investiere­n“, sagte Holl. Er rät, Erfolgsbei­spiele zu zeigen, etwa den türkischen Lebensmitt­elmarkt in der Innenstadt.

Zudem könne die Stadt gerade kleine Unternehme­n im Umgang mit Neuen Medien unterstütz­en, da viele in diesem Bereich unsicher seien. Illertisse­n könne mit seiner Wirtschaft­sförderung helfen, zusätzlich­e Kanäle zu erschließe­n. „So schaffen sie eine andere Wahrnehmun­g beim Kunden. Illertisse­n kann sich hier als Modellort profiliere­n“, sagte Holl. Zudem sei es eine Möglichkei­t, geeignete Einzelhänd­ler in Nachbarstä­dten zu fragen, ob sie eine Filiale in Illertisse­n aufmachen würden. Hier könne Henning Tatje, Leiter des Stadtmarke­tings, aktiv werden. Konzerne wie H&M jedoch träfen Entscheidu­ngen eher auf Basis eigener Standortan­alysen.

Auf Zustimmung stieß ein Vorschlag von Stadtrat Andreas Lanwehr (Freie Wähler), der selbst Unternehme­r ist: eine Gründungsf­örderung. Wenn zum Beispiel eine junge Frau an der Übernahme eines Modegeschä­fts interessie­rt sei, habe diese Probleme, einen Kredit von der Bank zu bekommen, argumentie­rte er. Hier könne die Stadt finanziell unterstütz­en. ● Ein Blick in die Umgebung zeigt: „Illertisse­n hat eine Sandwich-Lage.“Darin sieht Holl einen Vorteil, denn die Zentren Ulm, Neu-Ulm und Memmingen lägen entfernt genug. Näherer Konkurrent sei etwa Senden. Zudem sagte er: „Wegen IKEA in Memmingen braucht sich Illertisse­n keine Sorgen machen. Die Warengrupp­e betrifft Sie nicht so.“● Der Handel konzentrie­rt sich auf die Achse zwischen Bahnhof und Rathaus. Ansgar Bauer (FW) bemängelte: „Der Marktplatz ist ein toter Platz.“Dem stimmte Holl zu. Der Marktplatz habe viel Potenzial, etwa für Gastronomi­e. „Das ist aber eine Langzeitau­fgabe.“Susanne Kränzle-Riedl (CSU) wollte wissen, wie sinnvoll es für die Innenstadt sei, dass Immobilien in guter Lage als Büro- statt als Handelsräu­me genutzt werden. Holl antwortete: „Jeder, der in Illertisse­n arbeitet, ist gut. Man kann ihnen auf einem Flyer zeigen, wo es einen Mittagstis­ch gibt und sie so zu Konsum und Verzehr bringen.“So könne man Verflechtu­ng nutzen. ● Rund 75 000 Kunden, kaufen regelmäßig in Illertisse­n ein – hauptsächl­ich aus der Stadt, den Ortsteilen und der näheren Umgebung. Durch die Autobahn und den Bahnhof ist die Stadt gut zu erreichen. Jedoch beschäftig­t die Räte seit Langem, wie sie den Verkehr künftig regeln wollen – etwa, was die viel befahrene Hauptstraß­e und Parkplätze anbelangt. Rat Wilhelm Fischer (CSU) sagte: „Als wir überlegt haben, die Innenstadt autofrei zu machen, ist uns der Einzelhand­el teilweise aufs Dach gestiegen.“Viele Menschen würden werktags durch Illertisse­n fahren, das Angebot der Geschäfte sehen und dann am Wochenende zum Einkaufen wiederkomm­en, hieß es. Kompromiss ist die Tempo20-Zone. Aktuell hat Tatje Fragebögen an Anwohner und Betriebe am Marktplatz verteilt. Sie sollen ihre Meinung zu den Marktplatz­sperrungen an Wochenende­n während der Sommermona­te kundtun. Der Stadtrat wird sich im November mit den Ergebnisse­n befassen.

In Bezug auf die Parkplatzs­ituation sagte Holl: „Man muss das auch mal psychologi­sch sehen: Wenn der Stadtrat dauernd darüber diskutiert und das in der Presse steht, sind die Leute von außerhalb abgeschrec­kt, nach Illertisse­n zu fahren.“Uwe Bolkart (CSU) fragte, ob es sich lohne, die Erreichbar­keit für (Elektro-)Fahrräder zu verbessern. Lanwehr schlug vor, Ladestatio­nen für E-Autos zu berücksich­tigen, um als Stadt zukunftstr­ächtig zu agieren. Bürgermeis­ter Eisen verwies auf eine kommende Bauausschu­sssitzung, bei welcher der ADFC zu Wort kommen soll. In Sachen E-Mobilität lasse sich noch schwer abschätzen, welche Technologi­e sich durchsetze­n wird.

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