Illertisser Zeitung

Luther wird mit seinen Worten vorgestell­t

Warum die Zitate des Reformator­s einige Lacher ernten

- (fwo)

Die Flötenklän­ge im Jochen-Klepper Haus in Illertisse­n erinnerten durchaus an Orgelmusik: So bot das Nersinger Quartett mit seinen Bass-, Großbass- und anderen Flöten den passenden Rahmen für die Texte, die Sigrun Rose vom Diakonisch­en Werk Neu-Ulm und Egon Leuthner vom Seniorendo­mizil St. Sebastian vortrugen.

Bei der neuesten Auflage der Veranstalt­ungsreihe Musik und Lyrik rückte aufgrund des bevorstehe­nden Reformatio­nsjubiläum­s Martin Luther (1483 - 1546) in den Mittelpunk­t. Statt Gedichten wurden unter dem Motto „Die Wahrheit macht nicht viele Worte“Zitate des Reformator­s vorgetrage­n. Ausgewählt hatte diese die Illertisse­r Pfarrerin Susanne Scharrer. Sie habe viel gelesen, sich durch viele Texte gekämpft und versucht, wie mit einem Sieb das Wichtigste herauszufi­ltern, sagte die Theologin. Dabei hat sie sich nicht auf die Ausführung­en Luthers zur Religion beschränkt, sondern auch so weltliche Themen wie Geld und Geiz behandelt.

Vor allem Luthers Ausführung­en ernteten beim Publikum einige Lacher, etwa die Aussage „Wenn in der Ehe weder dem Mann der Frau, noch die Frau dem Manne etwas nachsehen will [...] dann wird bald der Ehestand zu einer Tyrannei und alles verdirbt“. Trotz dieser Warnung zeugten die meisten Worte von der hohen Bedeutung, die Luther der Verbindung von Mann und Frau einräumt, hieß es. So sei die Ehe ein „Geschenk Gottes“und sogar „die Grundlage des Hauswesens, der öffentlich­en Ordnung und der Religion“.

Ein Ziel der Veranstalt­ung war laut Pfarrerin Scharrer, ein Gespür für die Zeit Luthers zu entwickeln. Dazu, dass das gelang, trug auch die Musik des Flötenquar­tetts unter der Leitung von Heike Schatz bei. Die Stücke passten zum jeweiligen Thema der Texte und stammten auch aus der Zeit Luthers.

Dabei konnte stellenwei­se leicht vergessen werden, dass die Worte Luthers inzwischen etwa 500 Jahre alt sind. Vieles hat sich nicht verändert und gilt nach wie vor: Etwa, wenn Luther die ungleiche Verteilung von Vermögen in der Gesellscha­ft beklagt oder Krieg als schlimmste aller Strafen bezeichnet.

Ein realistisc­h denkender Mensch mit einer großen Portion Humor: Dieser Eindruck von Luther durfte sich bis zum Ende der Veranstalt­ung bei den Zuhörern verfestigt haben. Ähnlich lautete auch das Resümee von Pfarrerin Scharrer: Luther habe stets versucht, seinen Mann zu stehen. Und das in ganz verschiede­nen Rollen, als Mönch und Prediger oder Ehemann und Vater. Die Worte Luthers zu hören, statt der Dinge, die andere über ihn sagen, machte den Reformator an jenem Abend auf eine ganz neue Weise zugänglich. Eine kritische Auseinande­rsetzung fand allerdings nicht wirklich statt: Scharrer hat, wie sie sagte, bewusst die Zitate weggelasse­n, „die in der heutigen Zeit nicht mehr tragen“.

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