Am Augsburger Lampen-Desaster sind nicht die Chinesen schuld Leitartikel
Investoren aus Asien wollen ein früheres Osram-Werk schließen. Doch der Standort stirbt seit über zehn Jahren – und das geht auf Missmanagement zurück
Wenn ein Werk vor dem Aus steht, tritt rasch ein emotionaler Ausnahmezustand ein. Schließlich geht es um Menschen und deren Familien. Existenzielle Fragen stellen sich: Wie zahle ich mein Haus weiter ab? Kann ich meinen Kindern noch ein Leben wie bisher bieten? Und vor allem: Finde ich einen neuen Job?
Augsburg ist wieder Ort eines solchen emotionalen Ausnahmezustands geworden. Nach Insolvenzen wie der des Druckmaschinenherstellers Manroland und des Versandhändlers Weltbild werden nun die Nerven der 650 Mitarbeiter des früheren Augsburger OsramWerkes auf die Probe gestellt. Dem Standort droht das Aus. Die chinesischen Eigentümer wollen ihn schließen. Auch wenn es hier anders als bei Manroland und Weltbild nicht um eine Pleite geht, ist der Fall weit über Augsburg hinaus von Interesse. Denn zu schnell machen dann Schuldzuweisungen die Runde. Dabei läge es nahe, bei den chinesischen Investoren die Verantwortung abzuladen. Damit würde die Empörung bei den falschen Adressaten landen. Denn die Asiaten sind erst ab 2016 eingestiegen.
Der Augsburger Lampen-Standort stirbt aber schon lange. Sein Niedergang währt über zehn Jahre. Als die Chinesen das klassische Lampengeschäft von Osram gekauft haben, war die Lage schon düster. Zu lange spielten für das Werk verantwortliche deutsche Manager ein peinliches Spiel. Wenn sich Mitarbeiter-Vertreter an sie wandten und neue Technologien für den Erhalt von Arbeitsplätzen einforderten, wiesen die Arbeitgeber-Vertreter allzu oft jede Schuld von sich und sprachen von Versäumnissen ihrer Vorgänger. Wenn eine solche Wegduck-Politik immer weiter fortgesetzt wird, ist Arbeitsplatzabbau die logische Konsequenz.
So waren einmal mehr als 2000 Frauen und Männer für Osram in Augsburg tätig. Über die Jahre ging es stetig bergab, weil HightechProdukte kaum und wenn doch viel zu spät nach Augsburg vergeben wurden. Der Skandal besteht also darin, dass erst unter dem neuen chinesischen Eigentümer zumindest eine Produktionslinie für Leuchtstoffröhren auf die moderne LED-, also Leuchtdioden-Technik umgerüstet wurde. Dagegen bestimmen bis heute immer noch klassische Leuchtstoffröhren die Produktion in dem Lampenwerk.
So bleibt die Frage: Warum haben Manager nicht früher umgesteuert? Dass die LED-Technologie die Zukunft darstellt, ist seit über zehn Jahren bekannt. Was diesen abschreckenden Augsburger Missmanagement-Fall besonders ärgerlich macht: In der Stadt haben sich frühzeitig Betriebsräte, Gewerkschafter und Politiker zusammengesetzt und reichlich Ideen für die Zukunft des Werkes diskutiert. Aus Kreisen der Mitarbeiter kamen sehr gute Vorschläge. Nur an der Umsetzung fehlte es in schon vorsätzlich wirkender Weise. So liegt der Verdacht nahe, dass die Verantwortlichen bewusst in Kauf genommen haben, dass der Standort schleichend zugrunde geht. Und Osram hatte sich dafür entschieden, in Regensburg und nicht in Augsburg voll auf LED zu setzen.
In Anbetracht der Vorgeschichte ist es daher falsch, die Chinesen zum Sündenbock zu machen. Dennoch müssen sich die Investoren in die Verantwortung nehmen lassen. Sie sind es den Beschäftigten schuldig, ernsthaft über Alternativen zu einer Werkschließung nachzudenken. Denn trotz Umsatzeinbrüchen im Geschäft mit klassischen Leuchtstoffröhren ist ein solch harter Schnitt fragwürdig.
In Augsburg gibt es Schubladen voller Ideen. So fertigen etwa die Spezialmaschinenbauer des Werkes mit Erfolg komplexe Anlagen auch für Fremdkunden. Wer auf diesem schwäbischen Tüftlergeist aufbaut, kann das Werk retten.
Beschäftigte haben viele gute Ideen